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Unternehmeredition 3/2015

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47Restrukturierung 2015 Unternehmeredition | Wissen des Insolvenzschuldners unter gewis- sen Voraussetzungen anzufechten. Das Anfechtungsrisiko erhöht sich, je näher man zeitlich vor der tatsächli- chen Insolvenzantragstellung agiert hat. Deshalb sind vorbeugende Verein- barungen, die schon bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen getroffen wurden, klar von Vorteil. Ferner erhöht sich das Anfechtungsrisiko substan- ziell, wenn man etwas vom Vertrags- partner vereinnahmt und entweder zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der Krise des anderen hat oder etwas erhält, was man nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit hätte verlan- gen können (sogenannte Inkongruenz). Bei Krisenanzeichen wird es gefährlich Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung vielfältige Indizien aufgezeigt, die für das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit oder eines Gläubi- gerbenachteiligungsvorsatzes des Ver- tragspartners sprechen können: • Ratenzahlungsvereinbarungen, sofern nicht branchenüblich • mehrfach nicht eingehaltene Zahlungsversprechen • Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen • Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen • negative Presseberichte, die auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen Solche Krisenanzeichen dienen dem Bundesgerichtshof als Hinweise, um etwa die Kenntnis des Vertragspart- ners von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners zu begründen. Sogar vertragsgemäße Leistungen, die binnen drei Monaten vor der Insolvenz- antragstellung bewirkt wurden, sind dann anfechtbar und zurückzugewäh- ren. Ferner verwertet der Bundesge- richtshof solche Krisenindikatoren sowie eine etwaige Inkongruenz als Beweisanzeichen für einen Gläubiger- benachteiligungsvorsatz des Insol- venzschuldners und die Kenntnis des Vertragspartners hiervon. Dies kann in besonderen Fällen die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen wegen vorsätz- licher Gläubigerbenachteiligung be- gründen, die schon bis zu zehn Jahre vor der Insolvenzantragstellung vorge- nommen wurden. Diese „anfechtungsfreundliche“ Rechtsprechung hat zu erheblicher Kritik geführt, der durch eine derzeit diskutierte Gesetzesänderung begeg- net werden soll. Solange diese jedoch noch nicht umgesetzt ist, sollte man es einstweilen vermeiden, die Kennt- nis von Krisenanzeichen zu dokumen- tieren. Insbesondere sollte man keine Ratenzahlung vereinbaren – zumal zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners ohnehin bereits ein reines Stillhalten ausreicht. Vorsicht vor Erfüllungsalternativen Dringend abzuraten ist allgemein da- von, nachträglich Erfüllungsalterna- tiven – etwa die Abtretung von Forde- rungen gegen Dritte – insbesondere für noch zu erbringende Leistungen zu akzeptieren. Auch derartige Erfül- lungsalternativen sind regelmäßig we- gen Inkongruenz anfechtbar, sofern sie innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag bewirkt wurden. Kündigungsrechte Eine Kündigung oder ein Rücktritt al- lein aufgrund der Insolvenz des Ver- tragspartners ist nicht möglich. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sind derartige Klauseln, die zu einer Kündigung im Falle der Insolvenzer- öffnung berechtigen, regelmäßig un- wirksam. Rechtlich zulässig sind je- doch vertragliche Lösungsklauseln, die dazu berechtigen, sich vor der Insolvenzeröffnung von dem Vertrag zu lösen. Derartige Klauseln dürfen daher nicht an die Insolvenzeröff- nung, sondern müssen an vorgelager- te Krisenmerkmale (etwa einen Zah- lungsverzug) anknüpfen. Zu beachten sind hier jedoch etwaige zeitliche Ein- schränkungen für die Ausübung des Kündigungsrechts (so etwa bei der Mieterinsolvenz). FAZIT Das Risiko einer Insolvenz des Ver- tragspartners sollte nach Möglichkeit bereits bei der Aufnahme einer Ge- schäftsbeziehung berücksichtigt wer- den. Dann verringert sich sowohl das Zahlungsausfallrisiko als auch das spä- tere Risiko der Insolvenzanfechtung. Kann man erst tätig werden, wenn die Krise des Vertragspartners erkennbar geworden ist, erhöht sich das Anfech- tungsrisiko erheblich. Mit der Fortset- zung der Geschäftsbeziehung begibt man sich dann auf einen sehr schma- len Grat, der eine detaillierte Analyse des Einzelfalles erfordert. ■ Eine Kündigung oder ein Rücktritt allein aufgrund der Insolvenz des Vertragspartners ist nicht möglich.

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