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Unternehmeredition 2/2013

Unternehmeredition „Mittelstandsfinanzierung 2013“ 57www.unternehmeredition.de Fremdkapital wird vergrößert, je mehr Informationen verfügbar sind. Je transparenter das Handeln und die dahinter liegenden Motive sind, desto glaubwürdiger und verlässlicher ist die Wahrnehmung. Revidierung des Homo Oeconomicus In den Wirtschaftswissenschaften gibt es erst seit der Revidierung des Homo Oeconomicus (Prototyp des rein rational handelnden Nutzenmaximierers) Platz für ein Konstrukt wie Vertrauen. Zentrale Rolle spielen Transak- tionen, da immer mindestens zwei Parteien beteiligt sind und der Leistung der einen die Gegenleistung der ande- ren gegenübersteht. Grundbedingung für Transaktionen ist ausreichendes Vertrauen, dass der andere seine Leis- tung erbringen wird. Beispielsweise vertraut der Ver- käufer dem Käufer, dass dieser den Kaufpreis entrichtet, und andersherum, dass die Ware die zugesicherten Eigen- schaften hat. Oder, um den Bogen zurück zu spannen, vertrauen die Banken darauf, dass ihre Kunden die Kredi- te bedienen. Vor Beginn der Finanzkrise vertrauten Im- mobilienkäufer darauf, dass die Immobilienpreise immer weiter steigen würden. Investoren vertrauten auf die Bonitätseinstufungen der Ratingagenturen. Banken ver- trauten anderen Banken und Bürger dem Staat, dass die- ser nicht pleitegehen wird. Offensichtlich ist, dass dieses Vertrauen auch enttäuscht werden kann. Schuldenbrem- se, Kreditausweitung, Bürgschaften, Schuldenerlass, Kauf von Anleihen, niedrige Zinsen, Reformen – letztendlich alles Maßnahmen politischer und wirtschaftlicher Insti- tutionen, das verlorene Vertrauen in die Stabilität der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Finanzierungskultur heute Aber viel wichtiger ist doch: Was machen die Betroffe- nen? Die privaten und institutionellen Investoren wollen Geld anlegen, die Unternehmen müssen weiter finanziert werden. Abseits der makroökonomischen Diskussion ist längst eine neue Finanzierungskultur entstanden. Der Mittelstand möchte eine breit aufgestellte und weniger krisenanfällige Finanzierungsarchitektur. Bedingt durch das verlorene Vertrauen möchte er Abhängigkeiten vermeiden – die Autonomie und damit der Wunsch nach Freiheit sind zurückgekehrt. Genau das Gleiche spielt sich bei den Investoren ab: Auch diese möchten autonomer handeln. Kapital wird nicht mehr nur indi- rekt über Banken oder Vermögensverwalter investiert, sondern auch direkt in bestimmte – vertrauenswürdige – Unternehmen. Der Markt für Mittelstandsanleihen Vor diesem Hintergrund hat sich ein neuer Markt für so- genannte Mittelstandsanleihen etabliert. Ausgehend von der Stuttgarter Börse mit „Bondm“ sind Handelssegmente für mittelständische Unternehmensanleihen entstanden. Die Emittenten verpflichten sich, ein Mindestmaß an fort- laufender Transparenz und Publizität einzuhalten – Ver- trauen zu schaffen. Sie müssen u.a. einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt, inklusive testierter Fi- nanzinformationen und ausführlicher Risikohinweise, ha- ben und zudem ein externes Rating vorweisen. Auch sind Folgepflichten einzuhalten, wie die zeitnahe Veröffentli- chung der Jahres- und Halbjahresabschlüsse, ggf. jähr- liche Folgeratings und die Veröffentlichung von Quasi- ad-hoc-Mitteilungen. Mittel der Wahl: die Eigenemission von Anleihen Und es funktioniert: Bis heute haben fast 100 mittelstän- dische Unternehmen Anleihen mit insgesamt rund 5 Mrd. EUR von privaten und institutionellen Anlegern eingesam- melt, bei Emissionsrenditen von etwa 7,25% im Mittel. Der Emittent öffnet sich gegenüber dem Kapitalmarkt und bekommt relativ zinsgünstige, bankenunabhängige Finanzierungsmittel. Warum? Bei den Investoren etabliert er sich als transparent und damit vertrauenswürdig. Die Finanzkommunikation muss in Bezug auf die Anleihe für eine verständliche „Credit Story“ sorgen: Wie werden Zinsen und Rückzahlung erwirtschaftet? Mittel der Wahl ist die Eigenemission: Der Emittent steuert hier selbst die Platzierung seiner Anleihen. Vorteil: Statt nur einer Bank als Ansprechpartner hat das Unternehmen einen multi- kanalen Absatzweg aus ggf. mehreren Intermediären, dem direktem Investorenzugang und nicht zuletzt über die Börse. Die Platzierungssicherheit kann sich durch diesen Weg erhöhen. Die Eigenemission von börsenno- tierten Anleihen ist so eine wichtige strategische Finan- zierungsoption geworden. Sie vereint den autonomen Investor mit dem autonomen Unternehmer – durch ihre gegenseitige Suche nach Vertrauen.

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