Die Stunde der Quereinsteiger

Winzerbetriebe waren bislang Musterbeispiele für generationenübergreifende Familienbetriebe. Doch wo bislang die Erbfolge galt, öffnet sich die Branche nun zwangsläufig für Externe und Laien. An der Mosel mit ihrer gewaltigen Weintradition zeigt sich dieser Kulturwandel exemplarisch.

Auch Ansgar Schmitz vom Moselwein e.V. beobachtet, dass die Zahl der Quereinsteiger in alteingesessenen Winzerbetrieben zunimmt. Der Wandel im Berufsbild locke einen anderen Typ Mensch an. Die meisten Winzer, so der Experte, verstanden sich früher in erster Linie als Landwirte. Die Arbeit im Weinberg, der Pflanzenschutz, die Weinlese, die Kellerarbeit vom Pressen der Trauben bis zum Reinigen der Fässer, die Gästebetreuung auf dem Hof – all das machten diese kleinen Familienbetriebe selbst. „Die jüngeren Winzer entwickeln sich immer weiter weg von einem bäuerlichen hin zu einem unternehmerischen Denken“, sagt Schmitz. Sie betreiben professionelles Marketing und sie öffnen sich viel mehr als früher Joint Ventures, etwa gemeinsamen Weinfüllungen mehrerer Kollegen. Manche Winzer haben alle Weinberge in Flachlagen verkauft, obwohl diese maschinell und dadurch leicht zu bewirtschaften sind. „Sie konzentrieren sich nur noch auf die hohe, aber arbeitsintensive Qualität der Steillagen, auch wenn ihnen Freunde sagen: „Warum tust du dir das an!?“ Doch der Wagemut zahle sich durch gute Bewertungen in internationalen Weinführern aus.

Auf Risiko setzte auch Daniel Schmitz. Der heute 29-Jährige entschied sich nach seinem Bankpraktikum gegen die Sicherheiten eines Angestelltendaseins. Er absolvierte ein Weinbaustudium und stieg in den Familienbetrieb ein. Das bewegte Vater Franz-Peter dazu, zu investieren: „Die Etikettieranlage, die Tanks, neu angelegte Weinberge, vier Hektar mehr Rebfläche – der Betrieb würde sonst heute strategisch ganz anders aussehen.“ Noch arbeiten beide zusammen, und zwar gut, wie Daniel versichert – doch schmunzelnd sagt er: „Wenn es aber ganz reibungslos wäre, würde irgendwas falsch laufen.“ Vater und Sohn verbringen heute deutlich mehr Zeit im Büro und bei der Kundenakquise als auf dem Feld, für die zeitaufwendige Handarbeit gibt es zwei Festangestellte. „Wenn ich im Weinberg stehe, kann ich dem Kunden nichts verkaufen“, erläutert Daniel.

1
2
3
4
5
Vorheriger ArtikelDer Mulitple Monitor
Nächster Artikel„Wir Moselaner gelten als dickköpfig und stur“