Die Stunde der Quereinsteiger

Winzerbetriebe waren bislang Musterbeispiele für generationenübergreifende Familienbetriebe. Doch wo bislang die Erbfolge galt, öffnet sich die Branche nun zwangsläufig für Externe und Laien. An der Mosel mit ihrer gewaltigen Weintradition zeigt sich dieser Kulturwandel exemplarisch.

Es gab diesen Moment im Leben von Daniel Schmitz, als er sich nicht mehr würde drücken können. Dass er bald die Frage beantworten müsste, was einmal aus dem Erbe seines Vaters Franz-Peter werden sollte. Seiner Familientradition. Dem über Generationen hinweg beackerten Grund und Boden. Den Tausenden mit viel Mühe in die schiefernen Steilhänge des Moseltals gepflanzten Weinreben. Dem elterlichen Weingut Römerhof, dessen Name jedem Kunden sofort verdeutlichte, dass in dieser Kulturlandschaft schon vor 2.000 Jahren Wein für die Legionen der Kaiser angebaut wurde. Und er, Daniel, saß nun als Praktikant in dem modernen Glasgebäude einer Luxemburger Großbank, die Karrieremöglichkeiten und ein gutes Gehalt versprach. Der Slogan, mit dem das Institut seine Kunden lockte, lautete „Die erste Adresse für Vermögen“. Aber wäre das auch die erste Adresse für seine Zukunft?

Kein Erbfolgeautomatismus mehr

Vater Franz-Peter und Sohn Daniel Schmitz: Luxemburger Großbank oder elterliches Weingut? © Michael Merten

Solche Fragen, mit denen sich der junge Mann aus dem Moseldorf Riol bei Trier auseinandersetzen musste, hatten sich den Generationen vor ihm viel seltener gestellt. Früher war es üblich, dass meist ein Sohn, seltener eine Tochter den Betrieb vom Vater übernahm. Das bestätigt Ansgar Schmitz, der als Geschäftsführer vom Moselwein e.V. einen engen Austausch mit den Winzern der ältesten Weinregion Deutschlands pflegt. Er hat beobachtet, dass der althergebrachte Erbfolgeautomatismus nicht mehr zieht. Druck, das Weingut weiterzuführen, übten immer weniger Winzer aus: „Viele Eltern lassen ihren Kindern den Spielraum, sich ganz bewusst für oder gegen die Betriebsübernahme zu entscheiden.“

Für Daniels Vater Franz-Peter war es in den späten 70er-Jahren noch völlig selbstverständlich, dass er im Familienweingut mit einer Rebfläche von 3,2 Hektar einsteigen würde. Der heute 62-Jährige machte eine Lehre, besuchte die Weinbauschule und absolvierte die Meisterprüfung. Es war eine Zeit des Aufbruchs: „Wir sind damals in den 80e- Jahren auf sechs Hektar gewachsen“, erzählt er, „mit sehr viel Arbeit und Enthusiasmus“. Heute baut er auf elf Hektar Wein an, also fast auf der vierfachen Fläche wie zu Zeiten seines Vaters. Schmitz ist stolz darauf, wie er das Familienerbe vorangebracht hat.

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