Corporate Finance nach Corona – die Serie, Teil 3

Oaklins: „Die Globalisierung ist nicht am Ende“

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den M&A-Sektor?
© Photocreo Bednarek – stock.adobe.com

Spätestens seit März war die deutsche Wirtschaft im Würgegriff der Corona-Pandemie. International vernetzte Firmen spürten die Auswirkungen bereits seit den ersten drastischen Maßnahmen in China zum Jahresbeginn. Seit Mai nun bahnt sich nun eine Lockerung an. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf den M&A-Sektor? Wie haben die Dealmaker die vergangenen Wochen erlebt? Wie blicken sie in die Zukunft? Unternehmeredition befragte in einer Serie erfahrene Manager zu ihren Einschätzungen. Im Gespräch mit Jan Hatje

„Ich befinde mich in einer beinahe komfortablen Situation, da ich in unserem Portfolio bei Oaklins viele Technologieunternehmen aus den Bereichen IT Services, Outsourcing, Virtual Reality oder Hardwarebeschaffung betreue“, erklärt Jan Hatje, Vorstandsmitglied von Oaklins Germany und Leiter der Industriegruppe Technology. Bei vielen dieser Firmen gebe es praktische keine negativen Auswirkungen der Krise, vielmehr mache sich an verschiedenen Stellen sogar eine bessere Auftragslage bemerkbar. „Wir sehen bei einigen Projekten wirklich gute Zahlen“, fügt er an.

Schockstarre in vielen Wirtschaftsbereichen

In anderen Sektoren der Wirtschaft habe aber eine Art „Schockstarre“ geherrscht und diese dauere teilweise auch noch an. Seine Einschätzung deckt sich auch mit den neuen Umfragen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und dem aktuellen Mittelstandsbarometer der Kreditanstalt für Wiederaufbau. (KfW). Beide Institute hatten einen starken Rückgang beim Umsatz und bei der Investitionsbereitschaft gemeldet. Ein wichtiger Indikator für die zukünftige Entwicklung werden nach Ansicht von Hatje die Unternehmenszahlen des zweiten Quartals werden. Da von März bis Mai die starken Auswirkungen der Corona-Beschränkungen die Betriebe belasteten, sollte das volle Ausmaß spätestens dann sichtbar werden.

Bau-Sektor erweist sich bisher als krisenfest

Die schon bestehende Krise im Automotive-Bereich dürfte sich nach Einschätzung von Jan Hatje durch die weltweite Corona-Pandemie weiter verschärfen. Am Distressed-Markt werde sich die Krise ebenfalls nachhaltig bemerkbar machen durch einen wachsenden Druck auf die Margen bei möglichen Übernahmen. Als eher krisenfest habe sich bisher die Bauwirtschaft gezeigt. „Wir haben im Bausektor gerade drei Mandate im Bestand und hier bekommen wir sehr gute Signale“, erklärt Hatje. Inwieweit es sich um eine nachhaltige Entwicklung handelt, wird die Zukunft weisen. Inzwischen meldet auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sinkende Auftragseingänge und fordert – wie so viele andere Branchen – ein Konjunkturprogramm.

Trotz der Krise viele Anfragen für M&A

Oaklins erhält weiterhin zahlreiche Anfragen und es sind neue Projekte auf dem Markt. „In vielen Fällen handelt es sich dabei um Nachfolgeregelungen. Die innere Uhr und die äußere Uhr bei Gesellschaften bzw. Gesellschaftern passen nicht immer zusammen“, erklärt Hatje. Trotzdem spüren er und seine Kollegen eine gewisse Zurückhaltung und die Zahl der Transaktionen hat abgenommen. Kurz- bis mittelfristig rechnet Hatje mit Druck auf die Transaktionspreise: „Käufer sind schnell mit neuen Preisen – die Verkäufer brauchen etwas länger“. Nach vielen sehr guten Jahren mit lukrativen M&A-Deals sei aber auch eine Korrektur nicht ungewöhnlich. Aber es sei unverändert viel Geld im Markt unterwegs, das nach Investitionsobjekten sucht. „Ein stabiles Unternehmen ist immer noch eine gute Geldanlage“, lautet sein Fazit. Der Markt für Unternehmenskäufe werde weiter in Bewegung bleiben, da strategische Investoren und Finanzinvestoren mit unterschiedlichen Strategien agieren.

Die Globalisierung ist nicht am Ende

Als eine der möglichen langfristigen Konsequenzen der Corona-Krise sieht Hatje Veränderungen bei globalen Lieferketten und der Lagerhaltung: „Brutale Just-in-Time-Lieferketten wird es nach meiner Einschätzung mittelfristig nicht mehr geben. Ich sehe zukünftig wieder mehr Lagerhaltung -auch auf Kosten der Marge. Die Unternehmen haben jetzt schmerzhaft erlebt, was Stillstand kosten kann“. Es werde eine Diversifizierung bei den Lieferanten geben, um Abhängigkeiten zu verringern und auch die eine oder andere Produktionsstätte dürfte verlagert werden. Diese Prozesse bräuchten aber Zeit, eine detaillierte Planung und sie kosten auch Geld. Dennoch sei die Globalisierung nicht am Ende durch die Virus-Pandemie. Der chinesische Lohnkostenvorteil bestehe schließlich weiterhin. „Ich bin gespannt, wo wir in fünf Jahren stehen und welche Änderungen wir dann sehen werden“, sagt Hatje.

Arbeitswelt dürfte sich verändern

Eine weitere kommende Veränderung nach der Corona-Pandmie sieht Hatje in der Büro- und Arbeitswelt. „Ich rechne mit neuen Bürokonzepten und Veränderungen in der Büronutzung. Das klassische ´nine-to-five´ ist mehr denn je ein Auslaufmodell. Die Mitarbeiter wollen dort arbeiten, wo sie am produktivsten sein können“, sagt Hatje. Es bleibt abzuwarten, wie sich das auf die Immobilienpreise auswirkt, aber Unternehmen im Segment „Remote Work“ dürften sicherlich mit Zuwächsen rechnen. Die in Windeseile etablierten Prozesse für Home-Office und Web-Meetings würden nicht einfach wieder in der Versenkung verschwinden bis zur nächsten Krise. Es komme auf eine gesunde Mischung der Arbeitsorte an meint Hatje, denn „nach drei Wochen macht das alleinige Home-Office auch keinen Spass mehr“.

Die Stimmung muss sich bessern

„Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009 gibt es kein Misstrauen unter den Marktbeteiligten. Alle sitzen in einem Boot – alle haben ähnliche Probleme“, erklärt Hatje. Dies wertet er als eine gute Grundlage für einen sich schnell wieder ausbreitenden Optimismus. In Deutschland habe die Politik im Großen und Ganzen gut reagiert: „Wichtig ist nun, dass sich die Stimmung weiter bessert, so dass auch die Unternehmer wieder Mut fassen.“


ZUR PERSON

Jan Hatje ist Vorstandsmitglied von Oaklins Germany und Leiter der Industriegruppe Technology. Er verfügt über mehr als 15 Jahre M&A Erfahrung, speziell in den Sektoren TMT und Personal. Als wesentliche Transaktion im Sektor Personal ist z.B. die Beratung der Gesellschafter von Timecraft Group während des Verkaufs an Actief Group zu nennen. Im Bereich TMT hat Herr Hatje den Verkauf von Garz & Fricke an den Private Equity Investor Afinum begleitet sowie den Verkauf von Höft & Wessel an Droege und Acutronic an Vyaire (Apax). www.oaklins.com


Weitere Beiträge aus der Serie “Corporate Finance nach Corona”:

1. Board Xperts: “Es gibt auch Gewinnerbranchen”
2. Abacus Alpha: „Das Spektrum zu beachtender Risiken hat sich definitiv erweitert“
4. Gimv: „Wir sind im Deal-Mode“
5. Primepulse: „Jetzt ist die Zeit der Macher und Anpacker“
6. Ebner Stolz: „Wir bemerken in unseren Gesprächen ein hohes Maß an Kreativität bei den Unternehmen“
7. Serafin: „Als Kapitän muss man auf der Brücke bleiben“
8. Hannover Finanz: „Die Wolken verziehen sich so langsam”
9. FalkenSteg: „Wir sehen, dass es weiter Übernahmen geben wird“
10. SGP Schneider Geiwitz Corporate Finance: „Man kann immer noch sehr gut Unternehmen verkaufen“
11. Finanzierung.com: “Viele klassische Finanzierer sind vorsichtig geworden”
12. Warth & Klein: “Der Hunger am Markt ist groß”
13. SNP Schneider-Neureither & Partner: “Es wird zu einem deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen”
14. Marondo: “Wir brauchen bei Private Equity einen Imagewechsel”
15. BayBG: “Es ist viel los am Markt für Transaktionsfinanzierungen”

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelAuswirkungen der Coronakrise auf die Liquidität des Mittelstands
Nächster ArtikelMittels Sale & Lease Back rasch Liquidität in der Krise beschaffen