Wirtschaftsprognosen: Kein Grund zum Optimismus

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Inflation, Energiemangel und weitere gesamtwirtschaftliche Probleme haben die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa deutlich ansteigen lassen. Im Jahr 2022 wurden in Westeuropa knapp 25% mehr Unternehmensinsolvenzen registriert. Dies hat die Creditreform Wirtschaftsforschung heute mitgeteilt. Mit dieser eher schlechten Nachricht beginnen wir die Übersicht über die aktuellen Wirtschaftsprognosen.

Die europäischen Unternehmen hatten im vergangenen Jahr zahlreiche Belastungen zu schultern. Dazu zählten laut Creditreform der massive Preisanstieg beispielsweise bei Energie und Rohstoffen sowie auch die deutlich höheren Finanzierungskosten aufgrund der Zinswende. Zudem schwächte sich im Jahresverlauf 2022 die Konjunktur spürbar ab. „Das Ende der Corona Pandemie war der Beginn eines kurzen Wirtschaftsaufschwungs in Europa, bevor er durch den Krieg in der Ukraine wieder abgewürgt wurde. Die folgende Energiekrise traf die Wirtschaft praktisch unvorbereitet und mit voller Wucht. Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten“, fasst Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, die Entwicklung des Jahres 2022 zusammen. „Der Anstieg der Insolvenzzahlen in Europa folgte auf zwei Jahre mit extrem niedrigen Zahlen. Somit lässt sich die Insolvenzentwicklung auch als Normalisierung und notwendige Entwicklung bezeichnen. Unter den besonderen Bedingungen der Pandemiezeit wuchs die Gefahr von Zombieunternehmen“, sagt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer bei Creditreform Österreich. In den steigenden Insolvenzzahlen der letzten zwölf Monate spiegelten sich zum Teil auch Nachholeffekte.

Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht

Das Vor-Corona-Niveau bei den Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa wurde trotz des breiten Anstiegs der Zahlen noch nicht wieder erreicht. In Westeuropa stiegen die Insolvenzzahlen in der Mehrzahl der betrachteten Länder. Einen deutlichen Anstieg verzeichneten Österreich, Großbritannien, Frankreich und Belgien jeweils mit Zuwächsen jenseits der 40%-Marke. Auch in der Schweiz, in Irland, den Niederlanden, in Spanien, Norwegen, Finnland, Schweden und Deutschland nahm laut Creditreform-Auswertung die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu. Ein Rückgang der Fallzahlen wird aus Dänemark, Luxemburg, Portugal, Italien und Griechenland gemeldet. „Die Trendwende bei den Insolvenzzahlen ist eingeläutet. Dabei ist das Ende der Fahnenstange wohl noch nicht erreicht. Der Druck bleibt auf dem Kessel, so dass auch in den kommenden Monaten mit steigenden Zahlen zu rechnen sein wird“, betont Hantzsch.

Deutlich mehr Pleiten im Handel

In allen Hauptwirtschaftsbereichen hätten die Insolvenzzahlen zugenommen. Einen deutlichen Anstieg verzeichnete dabei der Handel und das Baugewerbe gefolgt vom Dienstleistungssektor und dem Verarbeitenden Gewerbe. „Trotz der wieder besseren Ergebnisse spiegeln die Unternehmensbilanzen noch die negativen Auswirkungen der Coronazeit. Die schwache Unternehmensstabilität ist Angriffspunkt für die nächste Krise“, so Hantzsch weiter. Zurückgehende Forderungslaufzeiten könnten Lieferanten und Leistungserbringer wieder schneller Liquidität verschaffen.

Mittelstandsklima steigt leicht

Insgesamt gute, aber auch einige schlechte Nachrichten kommen vom KfW-ifo-Mittelstandsbarometer im April: Unter dem Strich steigt das Geschäftsklima im Mittelstand leicht an – verharrt aber im negativen Bereich. Das ist bereits der sechste Anstieg in Folge, nachdem die Stimmung im vergangenen Herbst unter der akuten Angst vor einer Energiekrise regelrecht kollabiert war. Gleichwohl überwiegt bei den Unternehmen noch immer die Skepsis und die Geschäftslageurteile sinken ab. Das sei ein Indiz für anhaltende konjunkturelle Belastungen etwa aus dem geldpolitischen Restriktionskurs und den inflationsbedingten Kaufkraftverlusten. Die Bauunternehmen bleiben mit Abstand das Schlusslicht unter den Mittelständlern; ihnen macht besonders die schwierige Lage im Wohnbau zu schaffen.

Anders als im Mittelstand verschlechtert sich die Stimmung unter den Großunternehmen im April. Auffällig ist laut KfW, dass die Großunternehmen weiterhin vor allem mit ihrer aktuellen Lage deutlich stärker hadern als der Mittelstand. Die Absatzpreiserwartungen der Unternehmen beider Größenklassen sinken weiter. Die Stimmung verbessere sich alles in allem weiter und nähre die Hoffnung auf eine konjunkturelle Erholung im Verlauf von 2023. Vor allem die erneute Verschlechterung der Geschäftslageurteile wie auch das gerade bei den Großunternehmen weit unterdurchschnittliche Niveau des Lageindikators zeigten, dass einem durchgreifenden Aufschwung noch immer erhebliche Hindernisse im Weg stehen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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