Roundtable Restrukturierung 2025: Impulse für den Wandel

Experten geben Einblick in aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze

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Bei unserem diesjährigen Roundtable Restrukturierung in den Räumen von Alvarez & Marsal in München trafen sich führende Restrukturierungsexperten, Investoren, Juristen und Finanzierer, um Impulse zu geben, Erfahrungen auszutauschen und Lösungsstrategien für krisengeplagte Unternehmen zu diskutieren. Im Fokus standen Themen wie Liquidität in Krisenzeiten, Trends bei Private Debt, Eigenverwaltung und Insolvenzrecht, Distressed Investments, Sale-&-Lease-Back-Finanzierungen sowie die Herausforderungen in besonders betroffenen Branchen wie Gesundheitswesen, Automotive und Immobilien. 

Volker Groß, Alvarez & Marsal

Volker Groß (Alvarez & Marsal) stellte die Rolle des CRO neu zur Diskussion und plädierte für eine konzeptionelle Erweiterung: „Operative Transformation statt kurzfristiger Sanierung muss das Leitbild sein.“ Der klassische CRO sei zu sehr auf Kostensenkung fokussiert, während es künftig mehr um nachhaltige Transformation gehen müsse. „Kurzfristige Liquidität bleibt eine Kernaufgabe, reicht aber allein nicht aus – es muss auch die Verbesserung der mittelfristigen Wettbewerbspositionierung mitgedacht und umgesetzt werden! […] Wir brauchen einen strategischen Blick und einen Brückenbauer zwischen Stakeholdern“, so Groß.

Markus Schmid, Alvarez & Marsal

Sein Kollege Markus Schmid hob hervor, dass der Begriff „Transformation“ im Mittelstand oft als Euphemismus verwendet werde. „Wenn wir intern und extern nicht ehrlich sind und das Kind nicht beim Namen nennen, dann wird es mühsam“, so Schmid. Gleichzeitig mahnte er an, dass Transformation mehr sei als ein Rebranding klassischer Restrukturierung. Es brauche neue Managementteams mit veränderten Skillsets, denn: „Die Fälle, die ich kenne, überleben nie mit dem alten Management.“ Auch verwies er auf wirtschaftliche Zwänge: „Im Mittelstand können wir keine Beratungsteams für drei Jahre beschäftigen – das ist nicht bezahlbar.“ Transformation müsse deshalb auch von innen getragen und organisiert werden.

Sale & Lease Back – die Liquiditätsmaschine

Thomas Vinnen, Nord Leasing

Thomas Vinnen (Nord Leasing) beschrieb das Sale-&-Lease-Back-Modell als schnelle und unbürokratische Finanzierungsform, insbesondere in Restrukturierungssituationen: „Wir sehen Unternehmen mit Maschinenparks, die stilles Vermögen im Wert von 1 Mio. bis 30 Mio. EUR bergen.“ Diese Assets könnten binnen sechs bis acht Wochen ohne operative Einschränkungen in liquide Mittel umgewandelt werden. „Wir bringen frisches Geld, welches aktiv im Unternehmen eingesetzt werden kann.“ Voraussetzung sei eine strukturierte Bewertung der Assets.

Insolvenz in Eigenverwaltung – die Trends 2025

Thomas Planer, Planer & Kollegen

Thomas Planer (Planer & Kollegen) plädierte für einen entstigmatisierten Umgang mit der Insolvenz in Eigenverwaltung: „Wir müssen Unternehmern vermitteln, dass Eigenverwaltung kein Makel, sondern ein Managementinstrument ist.“ Ziel sei es, Gläubiger frühzeitig einzubinden und Vertrauen zu schaffen. Dabei verwies er auf über 400 von seinem Team begleitete Verfahren, die erfolgreiche Sanierungen belegen. „Ein erfahrener Sanierer denkt wie ein Unternehmer, aber agiert kontrolliert.“ Außerdem: „Früher Einstieg ist besser, denn je früher wir im Verfahren sind, desto mehr bleibt gestaltbar.“

Anleihenrestrukturierung – ein Update

Christian Becker, GÖRG

Christian Becker (GÖRG) analysierte den aktuellen Zustand des Markts für Mittelstandsanleihen und unterschied drei Marktsegmente: internationale Fälle wie Adler, klassische Mittelstandsanleihen und Fondsprojekte bei Projektentwicklern. Er beklagte: „Die Komplexität hat zugenommen, die Transparenz abgenommen.“ Investoren verlangten heute deutlich mehr Struktur und Kontrolle. Er forderte: „Die Rolle des Anleihevertreters muss gestärkt werden.“ Zudem sei eine realistischere Kommunikation gegenüber Anlegern erforderlich, um Vertrauensverluste zu vermeiden.

Liquiditätsplanung als Schutzmechanismus

Dr. Björn Grotebrune, Heuking

Dr. Björn Grotebrune (Heuking) appellierte an die Verantwortung von Geschäftsführern bei der Überwachung der Liquiditätslage von Unternehmen und verwies auf höhere Restrukturierungschancen, je früher ein Liquiditätsengpass im Voraus erkannt werde: „Liquiditätsplanung ist bei Anzeichen einer Krise keine bloße Pflichtübung, sondern ein Schutzmechanismus.“ Regelmäßige Liquiditätsplanung, klare Dokumentation und eine rechtzeitige Vorbereitung von Sanierungswerkzeugen wie StaRUG, Schutzschirmverfahren et cetera seien essenziell, um die bestehenden Sanierungsmöglichkeiten zu ermitteln und bestmöglich ausschöpfen zu können. Mit konkreten Praxisbeispielen verdeutlichte er, dass Insolvenzantragspflichten oft falsch verstanden würden: „Die Wochenfristen beginnen ab objektivem Eintritt des zwingenden Insolvenzantragsgrunds – nicht erst ab subjektiver Feststellung.“ Fehlerhafte Annahmen könnten schnell zu Haftungsfällen führen.

Private Debt − eine Alternative in der Restrukturierung

Johannes Neumann-Cosel, Patrimonium

Johannes von Neumann-Cosel (Patrimonium) stellte heraus, dass Private Debt gerade in Restrukturierungssituationen ein entscheidender Faktor sein könne. „Wir sind keine klassische Bank – wir investieren, wenn andere bereits ausgestiegen sind.“ Der Fokus liege dabei auf assetbasierten Strukturen mit soliden Sicherheiten. Oft werde er erst dann angerufen, wenn der Bankenpool bereits ausgestiegen sei. „In solchen Fällen braucht es Geschwindigkeit, Klarheit und Mut zur alternativen Finanzierung.“ Er betonte, die Finanzierung müsse nach rund drei Jahren zurückgezahlt sein. „Dann sollte das Unternehmen wieder bankenfinanzierbar sein“, unterstrich von Neumann-Cosel zudem.

Bankensicht auf KMU im Kontext der aktuellen Konjunktur

Constantin Graf Salm-Hoogstraeten, BBL Brockdorff

Constantin Graf Salm-Hoogstraeten (BBL Brockdorff) stellte Ergebnisse einer Tradizio-Bankenstudie vor, die zeigte, dass viele Banken bei KMU gravierende Mängel im Controlling und in der Planung monieren. „Covenant-Brüche werden nicht als kritisch gesehen – das Problem ist meist die Liquidität.“ Er beklagte die geringe Kompetenz und eine zu späte Antragstellung. Viele Unternehmer würden erst handeln, wenn es zu spät sei. Er plädierte für ein IDW-S6-Light-Gutachten als pragmatisches Frühwarnsystem, um Risiken frühzeitig zu erkennen.

Distressed Private Equity – eine neue Ernsthaftigkeit ist gefragt

Dr. Gerd Sievers, HF Opportunities

Dr. Gerd Sievers (HF Opportunities) sprach über die Veränderungen im Distressed-Investment-Markt: „Das Spiel hat sich verändert. Früher konnte man aus der Insolvenz heraus gut verkaufen – heute fehlt es an Käufern.“ Besonders kritisierte er Investoren mit kurzfristigen Interessen: „Wer nur mit einem Euro Risiko einsteigt, aber kein Interesse an echter Sanierung hat, trägt nicht zur Lösung bei.“ Zu einer nachhaltigen Sanierung gehöre auch, sich „ehrlich zu machen“ und sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Unternehmen wieder in den grünen Bereich führen könne. Es braucht dabei Investoren, die echtes Kapital zur Verfügung stellen, gepaart mit Restrukturierungserfahrung und unternehmerischer Verantwortung.

Eigenverwaltung als Lösungsweg für Krankenhäuser?

Dr. Maximilian Pluta, Pluta

Dr. Maximilian Pluta (Pluta) stellte die dramatische Lage im Krankenhaussektor in den Mittelpunkt. „80% der Kliniken sind defizitär – das Krankenhausversorgungsverbesserungs-gesetz (KHVVG) verschärft die Lage, statt sie zu lösen.“ Das Gesetz bewirke eine Marktbereinigung durch Regulatorik. Der regulatorische Druck zwinge zur Spezialisierung und führe zu massiven Umstrukturierungen, so Dr. Pluta. Im Zuge dieses Prozesses stehe die Schließung von 600 der insgesamt 1.900 deutschen Krankenhäuser an. Der Bund habe jedoch nicht die finanziellen Mittel für diese Umgestaltung. „Für viele Häuser wird Eigenverwaltung zur letzten Option – aber auch zur Chance.“

Finanzierungsengpässe in der Rüstungsindustrie

Marc Niclas, Eight Advisory

Marc Niclas (Eight Advisory) beleuchtete die besonderen Herausforderungen in der Verteidigungsindustrie. Trotz voller Auftragsbücher mangele es oft an Working-Capital-Finanzierungen. „Ein Veredler von Panzerblechen meldete Insolvenz an – aufgrund verzögerter Auftragseingänge.“ Die Investoren seien zurückhaltend, ESG-Kriterien wirkten wie ein Hemmschuh. Auch strukturelle Themen wie lange Vorlaufzeiten, mangelndes Controlling und erst nach und nach aufweichende Bankenrestriktionen seien Hürden. Niclas warnte: „Kapitalbedarf ist da – aber die klassischen Instrumente greifen oft nicht.“

Diskussion: Zwischen Krisenkultur und Kapitalnot

Um die Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument wurde im Anschluss mit Nachdruck diskutiert. Planer hob sie als effektiven Weg zur Unternehmenssanierung hervor – solange sie frühzeitig eingesetzt werde: „Es ist wie bei einer Operation – wenn man erst bei Organversagen operiert, sind die Erfolgsaussichten gering.“ Von Neumann-Cosel widersprach in Teilen und gab zu bedenken: „Eigenverwaltung funktioniert nur mit dem richtigen Team – nicht jeder Unternehmer ist dafür geeignet.“ Allzu oft werde das Verfahren aus einer falschen Motivation heraus gewählt, etwa um sich der Kontrolle durch Gläubiger zu entziehen. „Es braucht Ehrlichkeit, Struktur und die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben – sonst wird die Eigenverwaltung zum Bumerang.“ Becker betonte die Notwendigkeit, Missbrauchsfälle klar zu trennen: „Wirecard war kein Fall für Eigenverwaltung, das war ein Kriminalfall.“ Einigkeit herrschte darüber, dass Kommunikation mit Stakeholdern zentral sei.

Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema war der Einfluss von ESG-Vorgaben auf Kreditverhältnisse. Dr. Grotebrune machte deutlich, dass ESG zunehmend auch in die rechtliche Beurteilung von Kreditverhältnissen eingreift: „Wenn ESG-Kriterien nicht erfüllt sind, stellt sich die Frage, ob das als Kündigungsgrund gewertet werden kann.“ Niclas ergänzte: „Gerade bei der Finanzierung von Defence-Unternehmen sehen wir, wie ESG-Kriterien zu strategischen Hürden werden – obwohl die Auftragslage gut ist.“ Beide waren sich einig, dass die aktuelle ESG-Regulierung in Zeiten des Ukrainekriegs mehr Fragen aufwerfe als Antworten liefere. Dr. Grotebrune forderte: „Wir brauchen eine Klarstellung, was unter ESG-konformem Verhalten (im Kreditwesen) in Zeiten außergewöhnlicher geopolitischer Ereignisse wie dem Ukrainekrieg, durch den eine autarke Energiegewinnung und die Erhöhung der militärischen Verteidigungsfähigkeit staatspolitisch in den Vordergrund gerückt sind, überhaupt noch verstanden werden kann. Diese Ereignisse müssen bei der Beurteilung von ESG-Kriterien eingewertet werden.“

Von Neumann-Cosel lenkte die Diskussion auf das Verhalten der Eigentümer: „Wir erleben zu oft, dass Unternehmer sich selbst belügen – das führt zu überzogenen Szenarien und unrealistischen Businessplänen.“ Er plädierte für eine „Kultur der Wahrhaftigkeit“ im Sanierungsprozess. Niclas unterstrich: „Krisenkultur muss wieder gelernt werden. Wir brauchen einen professionellen Umgang mit dem Scheitern.“ Christian Becker ergänzte: „Der Insolvenzfall ist heute nicht mehr das Ende, sondern oft der Anfang eines neuen Kapitels – wenn er richtig begleitet wird.“

Dr. Sievers beschrieb die aktuelle Lage als „Stapelkrise“, in der viele Branchen gleichzeitig betroffen seien: „Wir sehen das in Automotive, Healthcare, Bau, Immobilien – es sind keine singulären Ereignisse mehr.“ Es helfe nichts, der Diskussion auszuweichen: „Krise können, Krise wagen“, so sein Plädoyer. Dr. Pluta fügte hinzu: „Die Überlagerung von Kostenkrise, Personalkrise und Strukturkrise zwingt zu sektorübergreifenden Lösungen.“ Für viele Unternehmen reiche die klassische Effizienzsteigerung nicht mehr aus. „Was wir brauchen, ist strategischer Mut und ein Verständnis für das Neue“, so Schmid. Die Runde war sich einig: Krisenbewältigung 2025 bedeutet auch, neue Geschäftsmodelle zu wagen und Führung neu zu denken.

FAZIT

Unser Roundtable Restrukturierung 2025 zeigte eindrucksvoll, dass erfolgreiche Sanierung heute mehr verlangt als das bloße Abspulen juristischer und finanzieller Werkzeuge. Es geht um Haltung, Weitblick und den Mut, unangenehme Wahrheiten frühzeitig anzusprechen. Die Sanierungswerkzeuge sind da, doch sie entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn Unternehmen bereit sind, sich ehrlich mit ihrer Lage auseinanderzusetzen und externe Expertise rechtzeitig einzubinden. Die Teilnehmer des Roundtable forderten mehr Frühdiagnose, realistische Kommunikation und strategisches Denken. Wer Sanierung nicht länger als Niederlage begreift, sondern als Chance zur Neuaufstellung, wird die Transformation nicht nur überstehen – sondern aktiv gestalten.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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