Mit Kostendruck und Personalengpass jonglieren

Wie mittelständische Unternehmen die doppelte Herausforderung meistern

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Steigende Energiekosten, Investitionen in den Umbau des Geschäftsmodells und hohe Personalausgaben führen in vielen mittelständischen Unternehmen zu einem Kostendruck. Geschäftsleitungen sehen sich daher vor einer Herausforderung: Wie lassen sich die kurzfristige Restrukturierung mit der mittelfristigen Transformation verbinden?  

Personalkosten stehen in den meisten Unternehmen auf Platz eins oder zwei der Kostenpyramide. Der Personalabbau war daher lange ein bewährtes Instrument der Sanierung. Doch angesichts des Personalengpasses, der sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird, müssen das Management und seine Berater auch die mittelfristigen Risiken des Personalabbaus bewerten. Geschäftsführung, Restrukturierungsberatungen, Arbeitsrechtler und Spezialisten für die Workforce Transformation müssen gemeinsam neue Lösungen finden.

Scheitern Rettungsversuche in den frühen Phasen „Strategiekrise“ und „Absatzkrise“, so sind in den fortgeschrittenen Krisenphasen „Erfolgskrise“ und „Liquiditätskrise“ die Gestaltungsoptionen deutlich geringer. Das Risiko einer Insolvenz oder eines Unternehmensverkaufs mit großem Wertverlust ist groß. Der Druck von kreditgebenden Banken, langjährigen Kunden und Lieferanten steigert sich oft exponentiell.

Parallel arbeiten externe Beratungen an der Optimierung des bisherigen Geschäftsmodells oder entwerfen neue Geschäftsmodelle. Doch vielversprechende Konzepte bedeuten noch lange keinen betriebswirtschaftlichen Erfolg. In der Umsetzungsphase sind Fallstricke verborgen. Dazu gehören die Verhandlungen mit den Gläubiger-Banken, die Sicherung der Loyalität von Kunden, Lieferanten und Warenkreditversicherungen sowie die Gewinnung der betrieblichen Mitbestimmung für schmerzhafte Kompromisse auf dem Weg zum Turnaround.

Diese vielfältigen Aufgaben können selbst erfahrene Geschäftsführungen im Mittelstand überfordern, die sich daher eine Sanierungsgeschäftsführung (Chief Restructuring Officer, CRO) an Bord holen oder einen krisenbewährten HR-Interimer einsetzen. Wenn die mittelfristige Transformation das Leitmotiv ist, werden auch im Mittelstand zunehmend Chief Transformation Officer (CTO) zum Einsatz kommen, deren Profil sich vom klassischen CRO in wichtigen Punkten unterscheidet.

Die Herausforderungen werden komplexer

Der Personalengpass kommt nun als neue Herausforderung hinzu. In den nächsten Jahren werden sich mittelständische Unternehmen verstärkt dem doppelten Druck einer dringend notwendigen Kostensenkung und dem Risiko eines chronischen Personalengpasses ausgesetzt sehen.

Oft wird das Risiko erst in der kommenden Phase des Aufschwungs verortet. Allerdings kann bereits in der Restrukturierungsphase der Weggang von Leistungsträgern die Aussicht auf einen Turnaround verschlechtern. Was heißt das für die Arbeit des Managements?

Vom linearen Vorgehen zu vernetzten Lösungen

In früheren Zeiten galt Personal nicht als strategische Ressource. In Phasen des Abschwungs wurde die Belegschaft abgebaut und im nächsten Aufschwung konnte wieder aus dem Vollen geschöpft werden. Von diesem linearen Denken in Konjunkturzyklen müssen sich die Geschäftsleitung und ihre Beraterinnen und Berater verabschieden – besser heute als morgen.

Außerdem war der Blick auf das Personalwesen bislang eher statisch-oberflächlich. Zielvorgaben wurden mittels Personallisten umgesetzt, die zumeist nur wenige Daten wie Alter, Gehalt, Betriebszugehörigkeit und Qualifikation enthielten. Die Perspektive hat sich stets an der Vergangenheit orientiert. Neben den objektiven Fakten entschieden oft subjektiv gefärbte Bewertungen von Führungskräften oder externen Beraterinnen und Beratern über den Verbleib von Mitarbeitenden im Unternehmen.

Von dieser Blickweise sollten sich Geschäftsführungen lösen, um die notwendigen personellen Ressourcen für die Sanierung zu sichern. Da neben dem Kostendruck auch der Faktor Zeit eine Rolle spielt, braucht es pragmatische Ansätze.

Technologiebasierte Skill-Analysen bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, die die vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeitenden verifizieren und versteckte Kompetenzen identifizieren. Solche Tools empfehlen sich gerade für mittelständische Unternehmen, die eine anspruchsvolle Transformation vor sich haben. Das ist gut investiertes Geld, wenngleich der Effekt erst in einigen Jahren in vollem Umfang zu erkennen sein wird.

Ist das Budget eingeschränkt, lohnen sich robuste Lösungen auf Excel-Basis, die Informationen aus den vorhandenen HR-Systemen importieren und schnelle Auswertungen erlauben. Die Geschäftsführung muss das Wissen und die Erfahrungen der Personalverantwortlichen, der Führungskräfte sowie des Betriebsrats zusammenführen – eine anspruchsvolle Aufgabe, die neben anderen operativen Punkten zu bewältigen ist. Daher sollte zumindest punktuell externe Unterstützung genutzt werden.

Die richtigen Fragen und unvollkommene Antworten

In kurzer Zeit gilt es, pragmatische Antworten auf fünf Leitfragen zu finden:

  • Welche Profile sind für die nächsten 18 Monate unverzichtbar? Wo ist das Risiko der Abwerbung besonders hoch?
  • Welche Leistungs- und Knowhow-Trägerinnen und -Träger, die für die (geplante) Aufschwungsphase ab dem 19. Monat benötigt werden, könnten mit Kurzarbeit gesichert oder an Unternehmen im regionalen Netzwerk rechtssicher und mit einer attraktiven Rückkehroption verliehen werden?
  • Welche kostenintensiven oder schwer zu rekrutierenden Personalressourcen lassen sich längerfristig über Partnerfirmen und über die Entwicklung von regionalen Ökosystemen integrieren?
  • Welchen Aufgaben lassen sich in den nächsten zwei bis drei Jahren mittels Technologie-Plattformen kostengünstig digitalisieren? Wie gelingt es zugleich, die Wertpositionierung des Unternehmens durch die intelligente Kombination von Knowhow und Tech-Potential zu verstärken?
  • Wie stabilisiere ich das Arbeitgeberimage, damit der Personalengpass den Sanierungserfolg nicht wieder gefährdet?

Fazit

Zum vernetzten Denkansatz gehört auch, dass mittelständische Geschäftsführungen eng mit Restrukturierungsberatungen, Fachanwaltskanzleien für Arbeitsrecht sowie mit Expertinnen und Experten für Personalveränderungen im Kontext von Restrukturierung und Transformation kooperieren. Aufgrund des akuten Kostendrucks werden die externen Beratungsaufträge in einigen Fällen nur minimalistisch zu gestalten sein. Dennoch ist ein Mindestmaß an einer kooperativen Lösungsfindung unverzichtbar.

Autorenprofil
Christian Summa

Christian Summa ist Geschäftsführer und Partner bei von Rundstedt. In seiner Rolle als Chief Consulting Officer leitet er bundesweit die Kundenbetreuung in Restrukturierungen sowie Personalumbau- und -abbauprojekten. Seit 2004 hat der diplomierte Betriebswirt als Partner und in verschiedenen Vertriebspositionen bei von Rundstedt die Beratungslösungen entscheidend weiterentwickelt, zuletzt als Director Workforce Transformation.  Seit 2021 teilt er sich die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Rundstedt Transfer GmbH mit Sophia von Rundstedt. Vor seinem Einstieg bei von Rundstedt war er in den Branchen Luft- und Raumfahrt sowie Automotive tätig. 

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