Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

In Sippenhaft genommen

Die Druckbranche ist äußerst investitionsintensiv. Zwischen zwei und fünf Mio. Euro kostet eine Maschine für den 3B-Bogenoffsetdruck. Wer technisch immer auf dem neusten Stand sein will, muss fortlaufend modernisieren. Kredite sind somit unverzichtbar. „Gleichzeitig ist die Branche sehr konjunkturabhängig, zudem kaufen viele deutsche Unternehmen ihre Drucksachen in Billiglohnländern wie Lettland oder Polen“, erklärt Schretzmaier. Banken seien sich der Probleme, mit denen Druckereien zu kämpfen haben, sehr wohl bewusst. „Die Institute betrachten die Druckbranche äußerst skeptisch, daher bekommen Unternehmen wie wir Finanzierungen im Regelfall nur zu hohen Zinssätzen“, berichtet er aus leidvoller Erfahrung. Natürlich spielten die eigenen Geschäftszahlen für das Rating eine tragende Rolle. „Aber bedingt durch die krisengeschüttelte Druckbranche werden wir von den Banken sozusagen von vornherein in Sippenhaft genommen“, sagt Schretzmaier.

Finanzierungschancen im NiedrigszinsÜber ähnliche Probleme klagen viele Unternehmer, die sich in als unsicher eingestuften Geschäftsfeldern bewegen. Selbst der Bankenverband bedauert, dass Kreditinstitute angehalten sind, die Branche in die Beurteilung der Bonität einfließen zu lassen. „Aber die Vorschriften von Basel II und Basel III fordern dies nun einmal, wir können nichts dagegen machen“, heißt es. Bei Banken, die Unternehmen selbst gründen, sieht es etwas anders aus. Für solche Institute kommt es viel mehr auf die tatsächlichen Ergebnisse an. „Wir sind in den Firmen drin, da wir sie regelmäßig besuchen“, sagt Diane Zetzmann-Krien, Geschäftsführerin der Trumpf Financial Services GmbH. „Wir haben schon sehr, sehr viele Unternehmen unserer Branche gesehen, sodass wir uns schneller ein Bild machen können als klassische Banken.“

Eine solches Institut würde sich Unternehmer Schretzmaier auch wünschen: Eine Bank, die sich ein realistisches Bild von einem Mittelständler macht. Dass Firmen dazu übergehen, eigene Finanzdienstleister zu gründen, findet er nicht erstaunlich. „Was früher ursächlicher Geschäftsbereich der Banken war, übernehmen heute im Wesentlichen unsere Lieferanten, zum Beispiel hohe Warenkredite“, sagt er. Doch die Welt der Finanzen, das denkt zumindest Schretzmaier, habe sich sowieso auf den Kopf gestellt. „Heute bekommen die Unternehmen Geld, die gar keins brauchen, und Firmen, die es nötig haben, gehen leer aus“, bringt er seine Ansicht kurz auf den Punkt. Rosige Zeiten herrschen also längst nicht für alle Mittelständler. Eher stürmische.

Autorenprofil

Andrea Martens ist Finanzjournalistin und schreibt hin und wieder Artikel für die Unternehmeredition.

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