Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

In der Tat befindet sich der Markt für Unternehmenskredite derzeit in einer außergewöhnlichen Situation. Um das Wachstum in der Eurozone zu steigern und die Inflation anzuheizen, fährt die Europäische Zentralbank (EZB) eine konsequente Niedrigzins-Politik. Frankfurter Finanzexperten gehen davon aus, dass es noch mindestens zwei Jahre dauern könnte, bis die Notenbank den Leitzins wieder leicht anhebt. Zudem hat EZB-Chef Mario Draghi entschieden, bis September 2016 Staatsanleihen und private Wertpapiere im Wert von mehr als 1.100 Mrd. Euro aufzukaufen. Diese Fakten lassen eigentlich eine wahre Renaissance des traditionellen Bankkredits im deutschen Mittelstand erwarten. Doch davon kann zumindest bei einem Großteil der Unternehmen nicht die Rede sein.

Noch mindestens zwei Jahre Niedrigzins

„Was die Kreditvergabe angeht, so haben wir im Moment eine Art ‚Drei-Klassen-Gesellschaft’“, sagt Dirk Elsner vom Beratungshaus Innovecs GmbH in Zeven. Während Firmen mit einem sehr guten Rating wie die Loxxess GmbH von der aktuellen Geldpolitik der EZB voll profitierten, sei Mittelständlern mit schwächerer Bonität der Zugang zu Bankdarlehen Dirk Elsner (© Privat)deutlich erschwert. Eine Ursache dafür sind vor allem die strengen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften von Basel III. Diese drosseln tendenziell extrem die Vergabe von Finanzierungen an Firmen, deren Rating nicht erstklassig ist. „Die dritte Klasse bilden Unternehmen, die von Banken geradezu umworben werden und Finanzierungen zu den günstigsten Konditionen bekämen“, sagt Elsner. Diese bräuchten aber meist überhaupt keine Kredite, weil sie selbst enorm viel Liquidität angehäuft hätten.

Eine aktuelle Analyse, für die die Deutsche Bundesbank 23.000 Jahresabschlüsse untersucht hat, bestätigt Elsners Beobachtungen. Die Studie mit dem Titel „Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2013” zeigt, dass Firmen sich zunehmend unabhängig von Kreditinstituten finanzieren. „Es ist schon paradox“, sagt Experte Elsner. „2009, als viele Mittelständler händeringend nach Krediten suchten, bekamen sie keine.“ Und heute, da die EZB gezielt Investitionen mit billigem Geld fördern möchte, bräuchten viele mittelständische Firmen dies gar nicht. Einen wesentlichen Grund dafür, dass Banken jetzt auf einem Gutteil ihrer Liquidität sitzenbleiben, sieht Elsner in den Erfahrungen, die Unternehmer 2009 gemacht haben. „Damals waren die Kreditinstitute unheimlich restriktiv“, erinnert er sich. „Da mussten Firmenlenker und Finanzchefs erleben, dass nicht mal die lang vertraute Hausbank einen Kredit prolongierte.“ Diese Enttäuschung wirke nach.

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