Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

Prof. Dr. Gerd Grube, Geschäftsführer und Mitinhaber der carat robotic innovation GmbH in Dortmund, sieht das etwas anders. „Wir haben unser Unternehmen 1992 als Spin-off der Uni Dortmund gegründet“, sagt er. Die Idee, die dahinter stand: Robotersystemen das Schleifen und Polieren von Freiformflächen oder die Präzisionsbearbeitung „beizubringen“. Heute zählt carat Automobilhersteller wie BMW und Porsche zu seinen Kunden. Mit 44 Mitarbeitern erzielten die Prof. Dr. Gerd Grube (© Privat)Dortmunder zuletzt einen Umsatz von zehn Mio. Euro. „Wir investieren seit 20 Jahren ständig in neue Märkte, neue Technologien und Produkte“, sagt Grube. Angesichts der schnellen technologischen Entwicklungen in der Robotik-Branche sei dies unverzichtbar. Mit den aktuell niedrigen Zinsen habe das aber nichts zu tun. „Unternehmen sollten sich immer fragen, ob eine Investition wirklich Nutzen bringt oder nicht“, erklärt Grube. Fremdkapital ins Unternehmen zu stecken, nur weil Kredite gerade so günstig sind, hält er schlichtweg für Unsinn.

Heikles Thema Kredit

Viel stärker fällt aber ins Gewicht, dass so mancher Mittelständler, der sehr gern in Wachstum investieren würde, das günstige Zinsniveau gar nicht nutzen kann“, erklärt Experte Elsner. So wie Bernhard Schretzmaier. Im März 2008 haben er und sein Geschäftspartner die Kastner & Callwey Druck GmbH im oberbayerischen Forstinning aus der Insolvenz heraus gekauft. „Wir haben damals eine Auffanggesellschaft – die Kastner & Callwey Medien GmbH – gegründet und uns bemüht, nach dem Betriebsübergang so wenige Mitarbeiter zu entlassen wie möglich“, berichtet der Geschäftsführer. Die wesentlichen Firmen-Assets, allem voran Maschinen, haben der Insolvenzverwalter und die Banken mitgenommen. „Mein Bernhard Schretzmaier (© Privat)Mitgesellschafter und ich haben hier im Grunde nur noch Metallschrott vorgefunden“, sagt Schretzmaier. Trotzdem gelang nach dem Neustart der Turnaround. Heute beschäftigt die Druckerei 48 Mitarbeiter und schreibt im siebten Geschäftsjahr einen Umsatz von über neun Mio. Euro. Die vergangenen drei Jahre brachten Umsatzzugewinne von jeweils 12 bis 15 Prozent.

„Unsere Maschinen sind überwiegend mit Eigenkapital finanziert“, berichtet Schretzmaier. Ein Teil ist geleast, auch Darlehen bei der Hausbank und der KfW hat er schon aufgenommen. „Kredite sind für uns aber ein ganz heikles Thema“, erklärt der
Unternehmer. „Die EZB hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade mittelständische Firmen mit Liquidität zu versorgen, aber
die Banken geben den niedrigen Zins nicht wirklich weiter“, sagt Schretzmaier sauer. Klar, wer über ein Top-Rating verfüge, bekäme durchaus Finanzierungen zu Zinsen von unter zwei Prozent. Wer aber keine so gute Bonität aufweisen könne, müsse schon fünf bis acht Prozent bezahlen. „Und das auch nur, wenn man zuvor eine hohe Anzahlung auf die Maschinen leistet und der Bank zudem Sicherheiten stellt und persönliche Bürgschaften eingeht“, sagt der Geschäftsführer.

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