Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

„Viele Firmen haben damals um ihre Existenz gefürchtet“, sagt Elsner. „Als es ihnen besser ging, haben sie intensiv darüber nachgedacht, wie sie sich von der Kreditvergabe durch die Banken unabhängiger machen könnten.“ Zudem warf Basel III seine Schatten voraus, was Mittelständler zusätzlich veranlasste, ihr Eigenkapital zu stärken. Mit Erfolg, wie die Untersuchung von Creditrefom „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand“ vom Herbst 2014 zeigt: Drei von zehn Unternehmen (29,6 Prozent) meldeten eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent und gelten damit als eigenkapitalstark. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung. Auch das KfW-Mittelstandspanel lieferte im Oktober vergangenen Jahres Rekordwerte: Den Zahlen der Förderbank zufolge stieg die durchschnittliche Eigenkapitalquote mittelständischer Firmen im Jahr 2013 von 27,4 Prozent auf 28,6 Prozent. Das ist der größte Sprung seit fast zehn Jahren und ebenfalls ein historischer Höchststand.

Eigenkapitalquoten deutlich stärker

Hinter solchen Werten stecken echte Anstrengungen. „So mancher Unternehmer hat sich Investitionen bewusst verkniffen und stattdessen Liquidität gehortet“, sagt Elsner. Außerdem machten sich Firmenlenker daran, ihr Forderungsmanagement zu professionalisieren, handelten vermehrt Lieferantenkredite aus, statt die Kontokorrent-Linie der Bank in Anspruch zu
nehmen. In Unternehmensgruppen gewann Cash-Pooling an Bedeutung. „So sind zum Teil regelrecht bankähnliche Strukturen entstanden“, erläutert Elsner. Kaum verwunderlich also, dass Unternehmen immer mehr dazu übergehen, sich untereinander Darlehen zu gewähren. „Dieses Modell gibt es nicht nur innerhalb von Firmengruppen“, erklärt Elsner. Auch Unternehmer, die rechtlich vollkommen unabhängig voneinander sind, leihen sich mittlerweile gegenseitig Geld. Manche gründen sogar eigene Banken. So zum Beispiel das Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler GmbH, Wuppertal, mit ihrer ETRIS

Bank. Oder der Laser- und Werkzeugmaschinenbauer Trumpf GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Ditzingen. Über die Trumpf Financial Services GmbH bietet das Unternehmen Kunden und Mitarbeitern Finanzdienstleistungen an (siehe Interview S. 28).

Eine eigene Bank hat Ralf Stoffels nicht gegründet. Auch finanziert sich sein Unternehmen, die BIW Isolierstoffe GmbH mit
Sitz im nordrhein-westfälischen Ennepetal, nicht völlig unabhängig von Bankkrediten. „Ich halte das eigentlich für das richtige Modell“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter. Von seinem Vater habe er gelernt, dass „man Geld erst verdient
und dann ausgibt“. Daher habe die Firma, seit er 1986 zunächst als kaufmännischer Leiter eingestiegen ist, Investitionen auch überwiegend aus dem Cashflow getätigt. Fünf Prozent des Umsatzes fließen jährlich in neue Maschinentechnik, Produktionsprozesse und in die Organisation. Heute produziert die BIW GmbH unter anderem temperaturflexible Dichtungselemente und Kabelschutz-Systeme aus Silikonkautschuk und Glasseide. Diese kommen in Haushaltsgeräten ebenso zum Einsatz wie im Airbus A380 und im ICE. Als Stoffels 1986 anfing, zählte das Unternehmen 45 Mitarbeiter, heute sind es 400. Der Umsatz liegt bei 62 Mio. Euro.

1
2
3
4
5
6
Vorheriger ArtikelKräftiges Wirtschaftswachstum für 2015
Nächster ArtikelDigitalisierung ausgebremst