Wirtschaft kritisiert EZB-Anleiheprogramm

Am 22. Januar beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen in den Euro-Ländern. Sie sollen bis zum September 2016 für bis zu 60 Milliarden Euro pro Monat angekauft werden. Bei der Wirtschaft stößt der Beschluss auf ein geteiltes Echo.

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), hält das Anleihekaufprogramm der EZB  für sehr gewagt. Er geht davon aus, dass es sich negativ auf die ohnehin schon unsichere Preisentwicklung in der Eurozone auswirken wird. Die EZB müsse deutlich machen, dass Geldpolitik die Reformanstrengungen der Mitgliedstaaten zwar unterstützen, nicht jedoch ersetzten kann, so der DIHK-Chef.

BDI-Präsident Ulrich Grillo wies darauf hin, dass die Erholung im Euroraum nicht allein von der EZB vorangetrieben werden kann. Der Aussage von EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass die Südeuropäischen Länder ihre Strukturreformen erst wieder vorantreiben müssen, stimmt er deshalb zu. „Geldpolitik kann erforderliche Schritte in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht ersetzen“, so Grillo. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit müssten sich die Krisenländer schon selbst kümmern.

Von Prof. Dr. Clemens Fuest, dem Präsidenten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), kommen hingegen versöhnliche Töne: Die Entscheidung der EZB sei ein angemessener Kompromiss. Es würden nur Investment-Grade-Anleihen gekauft, gleichzeitig hafteten die nationalen Notenbanken für 80 Prozent potenzieller Verluste. Dadurch wurde der „Sorge über eine unerwünschte Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden Rechnung getragen“, so das ZEW. Dennoch forderte auch Fuest, dass die wirtschaftlichen Reformen in Europa fortgesetzt werden.

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