Bankenkrise, die Zweite

Einer jüngsten Studie zufolge sind europäische Banken immer noch labil und nicht widerstandsfähig genug gegen Krisen. Aus Anlegersicht könnten die Banken-Stresstests der EZB damit zur rechten, aber irgendwie doch zur falschen Zeit kommen. 

Fallen die Ergebnisse der Stresstests negativ aus, schneiden die Banken in Europa also unerwartet schlecht ab trotz aller bereits getroffener Maßnahmen, dann stünde eine weitere Runde Misstrauen auf der Agenda. Denn ohne ein funktionierendes Bankensystem kann keine Wirtschaft wachsen, insbesondere dann nicht, wenn sie 30 Jahre lang an das Gift billiger und schnell vergebener Kredite gewöhnt war. Auf der anderen Seite sprächen lausige Stresstestresultate auch dafür, die Zinsen nicht schnell, sondern eher langsam bis vorläufig gar nicht anzuheben. Denn so schlecht ein Stresstest auch ausfallen mag, schlimmer für jeden Aktienindex wirken sich steigende Zinsen aus. Da diese aktuell historisch niedrig notieren, kann es sogar zu erratischen Zinsbewegungen kommen, sollten Konjunktur- und Systemangst weichen.

Ein Kursrutsch als Omen?
Die Leitindizes in Europa haben hier eine Blaupause geliefert. Der Rutsch des DAX von gut 10.000 Zählern auf nur mehr gut 9.000 Punkte war der Angst vor steigenden Zinsen geschuldet, nicht etwa den Krisenherden in der Ukraine, Syrien, Gaza oder den Niederlanden. Niederlande? Dort scheint eine Immobilienblase ganz langsam immer weiter vor sich hin zu platzen, nicht zuletzt weil die Banken zu leichtfertig unter anderem Hypothekenkredite vergeben haben und der Staat zu starke Anreize zum Eigenheimkauf gesetzt hatte. Von rund 250 Prozent Verschuldung der privaten Haushalte relativ zum verfügbaren Einkommen wird gesprochen. In Relation zum BIP sollen es rund 105 Prozent sein. Ein enormes Gebirge, das abgebaut werden muss und die holländische Bankenlandschaft auf Jahre hinaus ihrer konstruktiv-investiven Kräfte beraubt. Vielleicht reicht hier ein Funke aus, um eine Großbank in Amsterdam ins Kippen zu bringen, etwa durch einen Stresstest seitens der EZB. Das wiederum könnte auch andere europäische Banken ins Wanken bringen und prompt würde das Vertrauen in die Währungsunion und den Euro auf den Prüfstand gestellt.

Eidgenössischer schmaler Grat
Ein anderer Funke könnte die Schweiz sein, wo der Immobilienmarkt ebenfalls brummt und die Banken das Feuer ordentlich schüren. Einer Studie der UBS zufolge werden in Zürich, Bern und Basel 2015 Büroflächen für rund 35.000 Büroarbeitsplätze neu angeboten, obwohl die absehbare Nachfrage nur bei etwa einem Drittel davon liegt. Wenn ein Immobilienmarkt heiß läuft, dann sehen die Indizien so aus. Noch sind es aber eben nur Indizien, und eine neuerliche Bankenkrise lässt sich ebenfalls nur am Horizont erahnen. Es könnte aber auch ein neuer Föhnsturm sein, der die Aktienmärkte nach ihrem herbstlichen und wohlverdienten Durchatmen auf neue Höhen befördert.

Fazit
Wenn alle Welt der Bankenkrise nächster Teil erwartet, dann kommt die wahre Triebkraft für die Aktienmärkte meist aus einer anderen Ecke. Beispielsweise könnten die immer noch niedrigen Bewertungen (siehe Abbildung), steigende Zinsen aufgrund einer sich verfestigenden Konjunktur oder ein Abflauen der politischen Krisen entsprechende Kurstreiber sein. Eine weitere Bankenkrise würde womöglich sogar positiv interpretiert, denn Abstürzen und Aufräumen gehört genauso zum Geschäft wie Anbahnen und Aufbauen. Wir wären wir ein Stück weit näher an der Normalität, und das würden die Aktienmärkte ausnahmslos goutieren.

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