„TTIP würde Schluss machen mit manchem Blödsinn”

Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen spielt auch für die Schütte GmbH aus Köln eine wichtige Rolle. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Werkzeugmaschinen und auch in den USA präsent. Er erhofft sich Erleichterungen vor allem in Bezug auf die technischen Standards. Denn dadurch ließen sich unnötige Doppelungen vermeiden. 

Und das stellt ein entscheidendes Handelshemmnis dar?

Die Situation hemmt nicht nur den Handel, sie macht ihn teilweise unmöglich. Zum Beispiel werden rund 80 Prozent aller Zündkerzen weltweit auf unseren Maschinen gefertigt. Nur nicht in den USA. Warum? Weil die US-Vorschriften und Lastenhefte seinerzeit dort so kompliziert waren, dass wir in Akten untergegangen sind. Irgendwann haben wir aufgegeben, weil es schlicht zu teuer wurde, sich durch das ganze Papier zu wühlen. Diese Maschine verkaufen wir heute in Deutschland, in Italien, in Japan, in Korea, wo immer Sie wollen – nur nicht in den USA.

Es geht Ihnen um Ihren Gewinn.

Ich bin ja nicht der einzige, der etwas von mehr Export hätte. Die USA sind für den Maschinenbau der zweitwichtigste Auslandsmarkt. Wenn wir diese Exporte langfristig sichern, dann sichern wir auch langfristig die Arbeitsplätze, die an diesen Verkäufen hängen. Ich kann für mich klar sagen: Wenn mein Unternehmen mehr nach Amerika verkauft, würde ich in Deutschland mehr Leute einstellen.

Kritiker sagen, dass das Angleichen von Standards bedeutet, irgendwo Standards zu senken. Werden Ihre Maschinen durch TTIP unsicherer?

Unterschiedliche Standards bedeuten ja nicht zwingend unterschiedlich hohe Standards. Noch ein Beispiel: In elektrischen Stromkreisen in Europa ist das Erdungskabel grün/gelb. In den USA ist das gleiche Kabel beispielsweise weiß. Ist die eine Farbe sicherer als die andere? Wohl kaum. Wird meine Maschine unsicherer, wenn sich EU und USA auf gemeinsame Kabelfarben einigen können oder gegenseitig ihre Kabel anerkennen? Ich denke nicht. TTIP würde Schluss machen mit manchem Blödsinn. Zudem nutzt Standardisierung immer auch den Verbrauchern. Wenn alle Autoblinker eine Farbe haben, werden Autoblinker billiger. Das wusste schon Henry Ford: „Sie können jede Farbe bestellen, solange sie schwarz ist.“

Nun geht es bei TTIP nicht nur um Stecker und Kabel. Verbraucherschützer zum Beispiel machen sich Sorgen, dass wir von mangelhaften US-Importen überflutet werden. Können Sie diese Sorgen verstehen?

Genau die gleichen Sorgen gibt es in den USA auch. Ich bin mit einer Amerikanerin verheiratet. Als wir Anfang des Jahres drüben waren, hat mich ihr Vetter gefragt, wie wir diesen französischen Schimmelkäse essen können, da seien doch Millionen von Bakterien drin. Das fand der eklig, genauso wie manche Europäer ein gechlortes Huhn eklig finden. Verbraucherschutz ist essentiell, da müssen wir nicht diskutieren. Aber einige Leute müssen mal von der Vorstellung wegkommen, dass in Europa alles sicher und super ist und in den USA alles gefährlich und böse. Wir sprechen bei TTIP nun einmal von einem Abkommen zwischen zwei Kulturen, die sich teilweise unterscheiden. Da muss man sich auch ein wenig auf den anderen einlassen.

Also kein Verständnis für die Kritiker?

Wenn zum Beispiel Verbraucherschützer oder Umweltorganisationen klagen, dass sie zu wenig Einblick in die Verhandlungen haben, dann sollte man das ernst nehmen. Ich fände es nicht gut, wenn wir ein Abkommen abschließen, ohne über alle wichtigen Fragen gesprochen zu haben. Wir müssen nur aufpassen, dass wir bei diesen ganzen Diskussionen wirklich noch darüber sprechen, wie wir ein möglichst gutes Abkommen erzielen. Wenn wir Themen wie Wachstum, Beschäftigung, günstige Verbraucherpreise und Standardisierung vergessen und uns in einer Debatte über Käse und Hühner verlieren, werden wir TTIP nie abschließen.


Zur Person

Carl Martin Welcker/Alfred Schütte GmbH & Co. KGCarl Martin Welcker ist Geschäftsführender Gesellschafter der Alfred H. Schütte GmbH aus Köln und Vizepräsident des VDMA. Sein Unternehmen produziert Werkzeugmaschinen und beschäftigt rund 600 Mitarbeiter. In den USA hat Schütte zwei Tochtergesellschaften, die Vertrieb und technischen Service gewährleisten. www.schuette.de

Lesen Sie die Interviews auch auf vdma.org.

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