Umstrittenes Erbe

Das Klischee sieht in Firmenerben privilegierte Reiche. Die Nachfolger selbst hadern dagegen mit der neuen Erbschaftsteuer, die seit rund zwei Jahren in Kraft ist. Wie kann ein Kompromiss aussehen, der von Unternehmern wie auch der Öffentlichkeit gleichermaßen akzeptiert wird?

Kritik von allen Seiten

Neben Unternehmern sind auch die Experten nicht zufrieden mit der aktuellen Reform. Dazu gehört etwa Martin Beznoska, Steuerexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Die laut Bundesverfassungsgericht großzügige Verschonung von Betriebsvermögen mag mit der jüngsten Reform ausreichend korrigiert worden zu sein. „Die Ausgestaltung zieht allerdings in der Praxis sehr weitreichende Auflagen mit sich, die schwierig umzusetzen und zu befolgen sind.“ Beznoska resümiert: „Die ständig drohenden Steuernachzahlungen, sobald das Betriebsvermögen nicht mehr verschont wird, schweben wie ein Damoklesschwert über der Zukunft des Unternehmens.“

Daniela Karbe-Geßler, Steuerexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), setzt gar zur Generalkritik an: „Die positive Einschätzung, dass mit der Einigung zur Erbschaftsteuerreform endlich Rechtssicherheit für die Unternehmen und damit für Investitionen und Arbeitsplätze geschaffen wurde, ist mittlerweile verflogen.“ Die Bewertung der Unternehmen sei zwar etwas realistischer gestaltet, es gebe aber noch immer keine Klarheit. „Das liegt in erster Linie daran, dass die wichtigen Richtlinien zum neuen Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz noch immer nicht vorliegen. Diese sind aber dringend notwendig, um wesentliche Auslegungsfragen beantworten zu können.“

Ganz anders bewertet die Situation Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW. Er und seine Kollegen sind vor allem durch eine Studie bekannt geworden, in der sie millionenschwere Schenkungen an Minderjährige untersucht haben. Den Bericht streuten die Experten im September 2016 in den Medien, kurz bevor die Verhandlungsfrist über die Reform im Vermittlungsausschuss ablief. In einer weiteren Studie aus dem vergangenen Jahr prognostizierte das DIW für die Zeit bis 2017 das sogenannte Erbvolumen deutlich höher als bisher angenommen.

Grabka ist der Meinung, dass die verschärften Regelungen beim Betriebsvermögen nicht ausreichen: „Im Kern geht es darum, dass es in einer Leistungsgesellschaft möglich ist, ein Vermögen ohne große Steuerbelastung zu übertragen. Und das ist letztlich eine Gerechtigkeitsfrage.“ Mit diesen Argumenten repräsentiert Grabka die verbreitete öffentliche Meinung vom privilegierten Unternehmer. Auch das Gros der Ökonomen hält die Besteuerung von großen Unternehmervermögen für zu gering und wünscht sich, das Betriebsvermögen stärker zu belasten .

Reform der Reform oder Flat Tax?

Das DIW schlägt einen Weg aus dem verzweigten Labyrinth vor. Mit einem sogenannten Flat Tax-Modell, also einem einheitlichen Steuersatz ohne jegliche Ausnahmen, will das Institut Transparenz und aus seiner Sicht ein Stück weit mehr Gerechtigkeit schaffen. Dem DIW schwebt ein einheitlicher Steuersatz von maximal 15 Prozent vor. Das Konzept ist radikal und verführerisch: Aus dem Satz Das muss man für jeden Einzelfall ausrechnen würde Der Nachfolger zahlt auf sein Unternehmenserbe immer  maximal 15 Prozent des Unternehmenswerts. Die Gesellschaft würde wohl eher damit leben können. Auch viele Ökonomen halten dieses Modell für die beste Lösung, um die Steuergerechtigkeit zu erhöhen. Die Unternehmen wiederum könnten sich auf die eigentliche Nachfolge konzentrieren, statt sich mit aufwendigen steuerlichen Konstruktionen rumzuschlagen.

Doch dazu wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Steuerexpertin Tanja Wiebe hat das aktuelle Gesetz für die Stiftung Familienunternehmen, einem Interessenverband, untersucht. Wiebe ist nicht für ein neues Konzept und stellt fest: „Die Flat Tax birgt die Gefahr, dass der Steuersatz jederzeit erhöht werden kann.  Modellrechnungen haben gezeigt, dass eine Flat Tax gerade für große Unternehmen zu erheblichen Belastungen führen kann.“

Statt einen neuen Ansatz zu wählen, appelliert Wiebe an die Verhandlungspartner, das aktuelle Gesetz für gegeben anzunehmen und gegebenenfalls nachzujustieren. Denn für sie ist klar, dass die Erbschaftsteuer ein verstricktes Dickicht an Klauseln und variablen Größen bleiben wird: „Es kann kein Modell geben, das alle Stakeholder, also gleichzeitig zum Beispiel linke Bewegungen und die Wirtschaft, zufriedenstellt. Dafür sind die Interessen zu verschieden.“

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