Umstrittenes Erbe

Das Klischee sieht in Firmenerben privilegierte Reiche. Die Nachfolger selbst hadern dagegen mit der neuen Erbschaftsteuer, die seit rund zwei Jahren in Kraft ist. Wie kann ein Kompromiss aussehen, der von Unternehmern wie auch der Öffentlichkeit gleichermaßen akzeptiert wird?

Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des badischen Wirtschaftsverbandes Schwarzwald AG, plädiert trotz dieser trüben Aussichten für einen neuen Reformversuch: „Bei der Erbschaftsteuer muss der gordische Knoten bestehend aus den drei Strängen Gerechtigkeitsempfinden, fiskalische Motive des Staates und Erhaltung unserer familiengeprägten mittelständischen Kultur durchschlagen werden. Aktuell profitieren vor allem Anwälte und Steuerberater davon – unsere mittelständische Unternehmerkultur eher nicht.“


“Mein Vermögen als Unternehmer wurde bereits versteuert. Da habe ich ein grundsätzliches Verständnisproblem”

Thomas Burger, Geschäftsführender Gesellschafter der Burger Group


Bereits Versteuertes wird versteuert

Was alle Seiten eint, ist die Vorahnung, dass es bei der aktuellen Fassung wieder nicht bleiben wird und das Bundesverfassungsgericht wieder einschreitet. Für Thomas Burger von der gleichnamigen Unternehmensgruppe sind das keine guten Nachrichten. Der Chef eines typischen mittelständischen Maschinenbauers aus dem Schwarzwald sieht die Erbschaftsteuer seit jeher kritisch. Weder die aktuelle Fassung noch eine alternative Flat Tax hält er für eine gute Lösung: „Mein Vermögen als Unternehmer wurde bereits versteuert. Ich versteuere also Versteuertes. Da habe ich ein grundsätzliches Verständnisproblem“, gibt Burger zu bedenken. Zwar hat er sich mit der aktuellen Besteuerung abgefunden und überträgt seine Anteile Stück für Stück an seine drei Kinder – aktuell hält er noch 30 Prozent am Betrieb. Für die nächste Generation, die nicht mehr von den alten Begünstigungen profitieren kann, ist er allerdings skeptisch, ob die Nachfolge gelingen kann. Denn unabhängig von der Qualifizierung oder dem Talent kommt es eben auch verstärkt darauf an, ob das alles nicht nur unternehmerisch und emotional, sondern auch finanziell zu bewältigen ist. Genauso wie Christian Berner bezweifelt Burger, ob das Modell der familieninternen Nachfolge mit der heutigen Regulierung nicht zur Last wird.

Insgesamt geht es  dem Familienunternehmer nicht um die eine oder andere juristische Feinjustierung, sondern eben um das Grundsätzliche, und das heißt: Vermögen ist nicht gleich Liquidität, und ein Familienunternehmen ist nicht gleich ein Konzern: „Die Unternehmerfamilie im Mittelstand hat sich das Vermögen oftmals über Generationen erarbeitet.“ Die Variante, einfach zu verkaufen, ist aus seiner Sicht keine gute Lösung für die wirtschaftliche Kultur in Deutschland: „Ein Käufer von außen hat eine ganz andere Intention. Er denkt primär an Gewinnmaximierung, weil er eine Verzinsung haben will für den Kaufpreis, den er bezahlt.“

Was ist gerecht?

Wer sich mit den verschiedenen Positionen in dieser Debatte beschäftigt, der versteht, warum das Gesetz heute so unverständlich ist. Auf der einen Seite ist die Besteuerung gestiegen, auf der anderen Seite gibt es einen gesonderten Abschlag von 30 Prozent für Familienunternehmen. Auf der einen Seite ist es kaum mehr möglich, steuerfrei zu übergeben, auf der anderen Seite bestehen viele Ausnahmeregelungen fort. Und so weiter. Das Vererben und Schenken bleibt also kompliziert, solange Vermögenskonzentration und Neiddebatte sich gegenseitig verstärken. Dazu tragen auch die unterschiedlichen Forschungsinstitute und Interessenverbände – ob gewollt oder ungewollt – bei. Denn bei ihren Modellrechnungen gehen beispielsweise sowohl das DIW als auch die Stiftung Familienunternehmen gerne von einem Maximal-Szenario aus, und unterfüttern damit geschickt ihre Botschaft an die Öffentlichkeit. So entsteht der Eindruck, dass der Graben zwischen den verschiedenen Positionen seit der letzten Reform eher größer als kleiner geworden ist. Folgerichtig stellt das Ifo-Instituts in seinem Ökonomenpanel aus dem vergangenen Jahr fest, dass bei keiner anderen Steuerart die Werturteile so weiter auseinandergehen wie eben bei der Erbschaftsteuer.

Solange Befürworter einer höheren Steuer mit dem Leistungsprinzip argumentieren und Unternehmer sich gegenüber Vermögenden mit großen Geldkonten ungerecht behandelt fühlen, bleibt die Welt der Erbschaftsteuer jedenfalls seltsam verdreht. Man kann nur hoffen, dass am Ende nicht beide Pfeiler angegriffen werden, auf denen die deutsche Wirtschaft bislang so stabil steht: auf ihrer sozialen Fürsorge genauso wie auf ihren familiär geprägten Unternehmen.

 

1
2
3
4
Vorheriger ArtikelNeuer Mann für jungen Markt
Nächster Artikel„Ein Eigentümer-CEO denkt langfristiger und nachhaltiger“