Umstrittenes Erbe

Das Klischee sieht in Firmenerben privilegierte Reiche. Die Nachfolger selbst hadern dagegen mit der neuen Erbschaftsteuer, die seit rund zwei Jahren in Kraft ist. Wie kann ein Kompromiss aussehen, der von Unternehmern wie auch der Öffentlichkeit gleichermaßen akzeptiert wird?

Christian Berner kann sich richtig aufregen über die neue Erbschaftsteuer, auch wenn er selbst davon nicht betroffen ist: „Hätte es diese Regelung bereits 2002 gegeben, dann hätten wir doch privat gar nicht das Geld gehabt, um einen dreistelligen Millionenbetrag allein an Erbschaftsteuer zu zahlen.“ Der junge Chef der gleichnamigen Berner Group kann der Reform, die vor rund zwei Jahren im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verhandelt wurde, wenig abgewinnen. Denn mit seinem Betrieb, der rund 1 Mrd. Euro Umsatz macht, gehört er zu denjenigen Unternehmen, die mit dem aktuellen Gesetz von Verschonungen mehr oder weniger ausgeschlossen sind. Dabei stört Berner, der sich hemdsärmelig präsentiert, vor allem die formale Kleinteiligkeit, mit der der parteipolitische Kompromiss daherkommt: „Man hat damit ein Bürokratiemonster geschaffen und den Mittelstand in erste, zweite und dritte Klasse unterteilt.“ Der Fiskus profitiert seither von steigenden Steuereinnahmen, die Unternehmer müssen dagegen stärker vorsorgen, um die Nachfolge finanziell zu stemmen. Berner wäre es lieber, wenn man den heutigen Unternehmenserben das Geld lassen würde, damit sie ihre Betriebe neu aufstellen und damit den Wirtschaftsstandort stärken. Doch mit dieser Meinung findet er außerhalb der Wirtschaftswelt bei den Entscheidungsträgern aktuell wenige Anklang.


„Man hat damit ein Bürokratiemonster geschaffen”

Christian Berner, CEO der Bener Group


Christian Berner
Christian Berner

Sozialstaatsprinzip und Familienunternehmen

Die Erbschaftsteuer ist ein juristisches Dauerthema. Das Ganze wirkt wie ein Ping-Pong-Spiel zwischen Wirtschaft und Jurisdiktion: Die Wirtschaftsverbände erreichen eine im wahrsten Wortsinn günstige Rechtslage. Das Verfassungsgericht – und hier wird es schon kompliziert – wertet in seiner Entscheidung von 2014 nicht die steuerliche Begünstigung von Unternehmen an sich als ungerecht. Es geht vielmehr um großen Unternehmensbesitz, der durch eine Steuer umverteilt werden soll. Damit will das Verfassungsgericht verhindern, dass sich Vermögen in den Händen bestimmter Familien konzentriert. In ihrer Urteilsbegründung aus 2014 werden die Richter dabei sehr konkret und schreiben: „Unverhältnismäßig ist die Privilegierung betrieblichen Vermögens, soweit sie über kleine und mittlere Unternehmen ohne Bedürfnisprüfung hinausgreift.“

Konkret heißt das: Große Familienunternehmen beziehungsweise die Nachfolger müssen mehrere Millionen an Steuern zahlen – laut Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sind es durchschnittlich rund 30 Mio. Euro –, bevor sie offiziell als Gesellschafter einsteigen können. Dieses Geld haben sie allerdings nicht auf dem Konto liegen, das Vermögen ist ja im Unternehmen gebunden. Was also tun? In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums findet sich ein Vorschlag: Die Unternehmer sollen entweder Geld am Kapitalmarkt aufnehmen oder einfach das Unternehmen verkaufen.

Das Familienunternehmen verkaufen? Genau hier zeigt sich die Ambivalenz einer sozialstaatlichen Wirtschaftsordnung: Auf der einen Seite soll das Vermögen von einer auf die nächste Generation so angeglichen werden, dass möglichst alle die gleichen Startbedingungen haben. Auf der anderen Seite ist Deutschland stolz auf seine Kultur der Familienunternehmen, die seit mehreren Generationen geführt werden und einen nachhaltigeren Ansatz verfolgen als Firmen mit wechselnden Eigentümern. Ein Beispiel ist die Arbeitsplatzgarantie, die in manchen Betrieben faktisch herrscht, weil sich Inhaber und Beschäftigte stärker miteinander verbunden fühlen als in reinen Kapitalgesellschaften oder nationalen Dependancen. Nebenbei erwirtschaften  die Familienunternehmen auch knapp die Hälfte der Umsätze aller Unternehmen. Wo liegt also die goldene Mitte zwischen Gleichheit und Tradition, zwischen nüchterner Sozialstaatspolitik und emotionaler Bindung ans Familienunternehmen?

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