„Der industrielle Mittelstand ist längst wieder da“

Nach Ihren Aussagen stieg die bundesweite Konjunktur im vergangenen Jahr nur um 0,3%. Sie fordern grundlegende Reformen. Wie sollen die gestaltet sein, wo sollen die Schwerpunkte liegen?

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den Wohlstand sichern können, damit wir nicht wieder zum kranken Mann Europas werden. Ich habe den Eindruck, dass es eine Schlagseite hin zu sozialen Wohltaten gibt und zu wenig über Marktwirtschaft gesprochen wird. Wir brauchen eine tragfähige und europarechtskonforme Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG). Sie muss sicherstellen, dass Strom in Deutschland bezahlbar bleibt und zuverlässig fließt. Weiterhin brauchen wir bezüglich des Demografieproblems intelligentere Ansätze als die Rolle rückwärts bei der Rente mit 67. Außerdem brauchen wir eine Exzellenzinitiative nicht nur für Universitäten, sondern auch für Schulen. Das können die Länder aber nicht alleine finanzieren, hier muss der Bund helfen. Eine falsche Reform ist der einheitliche Mindestlohn, denn er wird zahlreiche Arbeitsplätze kosten. 8,50 EUR Mindestlohn sind vor allem für Unternehmen in Ostdeutschland ein Problem, weil dort ein Viertel der Arbeitnehmer darunter liegt. Die Steigerung kann von den Kunden nicht bezahlt werden.

Haben Sie das Gefühl, das die neue Regierung das Thema Energiewende richtig angeht?

Um das klarzustellen: Die Wirtschaft ist für die Energiewende! Denn sie ist eine Riesenchance für Deutschland. Hier geht es um Zukunftstechnologien. Was wir aber dringend ändern müssen, ist das EEG. Die Förderung von Windkraft und Solarenergie war zu Beginn richtig, doch sie ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Vor zehn Jahren kostete der von den Stromkunden zu zahlende Aufschlag noch unter 2 Mrd. EUR im Jahr. Derzeit steigt der Umlagebetrag noch einmal um 4 Mrd. auf knapp 24 Mrd. EUR. Für viele Betriebe sind die gestiegenen Energiekosten heute ein größeres Risiko als die Lohnkosten. Drei Viertel der Industrieunternehmen machen sich laut Umfrage große Sorgen über die steigenden Strompreise. Und 25 Prozent erwägen Investitionstätigkeit im Inland einzuschränken. In den USA ist der Strompreis nur halb so hoch. Vor diesem Hintergrund ist es ein falsches Signal, dass die Bundesregierung mit der EEG-Reform gerade diejenigen Unternehmen besonders belastet, die mit einer eigenen Energieversorgung in Klimaschutz und Versorgungssicherheit investieren. Wir rechnen deutschlandweit mit Mehrkosten von rund 500 Mio. EUR, die die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft unmittelbar beeinträchtigen werden.

Herr Schweitzer, vielen Dank für das Gespräch.

redaktion@unternehmeredition.de

 

Zur Person

Dr. Eric Schweitzer ist Vorstandsvorsitzender des Berliner Recycling-Unternehmens Alba Group. Schweitzer wurde in Malaysia geboren, studierte und promovierte in Berlin zu Betriebswirtschaftslehre und stieg im Unternehmen seines Vaters ein. Gemeinsam mit seinem Bruder formte er die heutige Firmengruppe, die zuletzt knapp 2 Mrd. EUR Gesamtumsatz erwirtschaftete. Seit 2004 ist Schweitzer Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin, seit 2013 außerdem Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. www.dihk.de 

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

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