„Der industrielle Mittelstand ist längst wieder da“

Wie kann die Hauptstadtregion im Wettbewerb mit Regionen wie der Rhein-Neckar-Region oder Ostwestfalen – wo alle Akteure an einem Strang ziehen – punkten?

Die Berliner Landespolitik hat in den vergangenen Jahren einige richtige Entscheidungen getroffen. So gibt Berlin direkt und indirekt 1,7 Mrd. EUR jährlich für die Wissenschaft aus. Das ist im Verhältnis zur Wirtschaftskraft mehr als in jedem anderen Bundesland. Außerdem hat Berlin seine Stärken in der Gesundheitswirtschaft, Mobilität und Kreativität erkannt und diese Bereiche zu Clustern definiert. Sie werden nun gezielt gefördert, anstatt wie früher mit der Gießkanne die Fördergelder zu verteilen. Die Tourismuswirtschaft hat sich zu einem wichtigen Standbein der Berliner Wirtschaft entwickelt, Berlin ist weltweit „angesagt“. Auch hier stehen wir im internationalen Wettbewerb mit anderen Städten wie Paris und London. Wir werden weiter hart daran arbeiten müssen, attraktiv für unsere Gäste zu sein. International hat Berlin einen hervorragenden Ruf als weltoffene und tolerante Stadt. Hier leben Menschen aus aller Welt friedlich zusammen. Diese Interkulturalität gibt es in diesem Ausmaß in keiner anderen Stadt in Deutschland und ist für Berlin ein großer Vorteil.

Herr Schweitzer, welche vordringlichen Herausforderungen muss das neue Kabinett anpacken, um die Hauptstadtregion voranzubringen?

Unser Kernproblem in Berlin ist immer noch eine zu geringe Wirtschaftskraft im Verhältnis zur Größe der Stadt. Man muss das Problem bei der Wurzel packen und die wirtschaftliche Substanz der Stadt weiter verbessern. Dieser Prozess findet gerade statt. Die grundsätzliche Einstellung zur Wirtschaft ändert sich, wenn auch nur langsam. Unternehmer werden nicht mehr als etwas Störendes angesehen, sondern positiv wahrgenommen. Das muss sich weiter fortsetzen.

Sie bemängeln die zu geringe Investitionsquote in Deutschland. Wo sollte mehr investiert werden und vor allem: Aus welchen Töpfen soll das Geld kommen?

Vor allem im Verkehr. Unsere Straßen verrotten. Wir haben einen Instandhaltungsstau von 2,5 Mrd. EUR pro Jahr – und da spreche ich nur von der Ausbesserung von Schlaglöchern und anderen Schäden. Im Koalitionsvertrag sind für die gesamte Legislatur 5 Mrd. EUR zusätzlich vorgesehen. Nach unserer Ansicht liegt der Mehrbedarf aber bei 5 Mrd. EUR pro Jahr! Eine funktionierende Infrastruktur ist das Rückgrat der deutschen Warentransporte und somit der gesamten exportorientierten Wirtschaft. Was die Finanzierung angeht: Der Bund nimmt an Steuern und Abgaben im Verkehrsbereich jährlich 54 Mrd. EUR ein, wendet aber lediglich 20 Mrd. EUR für Investitionen in die Verkehrswege auf. Die restlichen gut 30 Mrd. EUR werden anderweitig ausgegeben. Das muss sich ändern.

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