„Der Einkauf hat aus den Engpässen der Vergangenheit gelernt“

Interview mit Alexander Hornikel, Country Manager, Kloepfel Consulting

Wie können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch transparente Lieferketten in Zeiten von Krisen und Fachkräftemangel stärken?
Foto: © IBEX.Media - AdobeStock

Seit vergangenem Sommer leitet Alexander Hornikel gemeinsam mit Thanh Duy Tran die Geschicke bei Kloepfel Consulting in Deutschland. Hornikel, der zuvor zehn Jahre lang Senior Partner war, übernahm die Verantwortung für Unternehmensstrategie, Vertrieb und Marketing sowie die Geschäftsbereiche Interim Management und Recruiting. Tran verantwortet das Beratungs- und Projektgeschäft sowie die internationale Verzahnung mit der Muttergesellschaft EPSA. Zusammen begleiten beide strategische Themen. Wir sprachen mit Alexander Hornikel über aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen.

Unternehmeredition: Lieber Herr Hornikel, was waren die Motive hinter der Neuaufstellung?

Alexander Hornikel: Die Kloepfel Gruppe ist bisher jedes Jahr zweistellig gewachsen. Die französische Muttergesellschaft EPSA, von der Kloepfel zu Beginn des Jahres 2021 übernommen worden ist, konnte ihren Umsatz sogar auf 200 Mio. EUR (vor Übernahme der AB&C Group) verdoppeln. Aufgrund dieses Wachstums wurden Thanh Duy Tran und ich zum Country Manager mit Prokura für Kloepfel in Deutschland ernannt.

Zu unseren wichtigsten Zielen gehört es, Beratungsprodukte und Dienstleistungen unserer Mutter EPSA im deutschen Markt zu implementieren und diese Stück für Stück an die Bedürfnisse mittelständischer Kunden anzupassen. EPSA war ja vorher nur mit einer Schwestergesellschaft am deutschen Markt vertreten und erbrachte ihre Dienstleistungen vornehmlich für große Konzerne wie Bosch, L’Oréal, Henkel oder BNP Paribas. Unter anderem wollen wir mittelständischen Unternehmen den digitalen „EPSA Marketplace“ nahebringen, der eine Professionalisierung, Automatisierung und ein optimiertes Bestellwesen ermöglicht. KMU werden somit effizienter und ihre Mitarbeiter können Einzelbestellungen einfacher tätigen, sodass sie sich mehr auf ihre strategische Aufgaben konzentrieren können.

Insgesamt wollen wir mit dem neu aufgestellten Team unseren Innovationskurs beschleunigen und den deutschen Einkauf in diesen unruhigen Zeiten besser stärken. Darüber hinaus haben wir weitere Dienstleistungen an den Start gebracht. Angesichts der multiplen Krisen und des Fachkräftemangels herrscht große Nachfrage nach Interimsmanagement. Seit drei Monaten verfügen wir deshalb über eine Lizenz für die Arbeitnehmerüberlassung im Einkauf. Auch das Recruiting wurde ausgebaut, das heißt wir suchen jetzt auch Mitarbeiter für unsere Auftraggeber.

Laut Lünendonk ist die Allianz aus EPSA, Kloepfel und Kronos mit über 1.300 Mitarbeitern die größte auf Einkauf- und Lieferkettenmanagement spezialisierte Beratungsgruppe im paneuropäischen Raum. Was hat sich bei Kloepfel seit dem Zusammenschluss geändert und wie sehen Ihre nächsten Wachstumssteps aus?

EPSA hilft uns enorm, unsere Position auf dem Weltmarkt zu festigen, frisches Know-how an Bord zu holen und die gesamte Gruppe viel schneller weiterzuentwickeln. Unsere Allianz mit EPSA bietet unseren Kunden noch mehr Möglichkeiten, ihren Einkauf als Rendite- und Innovationstreiber im globalen Wettbewerb auf ein neues Level zu heben.

Wir werden unser Wachstum vertrieblich durch mehr Projekte und durch neue Produkte forcieren. Dazu greifen wir die Megatrends des Einkaufs auf wie Digitalisierung, Risikomanagement, Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel und Kostenreduktion auf, um neue Beratungsleistungen zu entwickeln, den Einkauf und die Lieferketten vor Risiken zu schützen und Unternehmen neue Chancen zu eröffnen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Einkauf? Haben sich die Lieferkettenprobleme inzwischen etwas beruhigt? Oder gibt es neue Problemfelder?

Insgesamt hat sich die Lage entspannt. Wir sehen aber große Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen und Unternehmen. Der Halbleitersektor hat nach wie vor Riesenprobleme mit der Verfügbarkeit. Branchen wie der Maschinenbau und die produzierende Industrie, die stark abhängig von China sind, blicken sorgenvoll in die Zukunft und müssen ihr Risikomanagement neu aufstellen.

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen aufgrund von Störungen in den Lieferketten ihre Bestände erhöht, um die Lieferfähigkeit abzusichern. Doch jetzt kämpfen viele mit viel zu hohen Lagerbeständen und mit dem in den Beständen entsprechend gebundenen Kapital. Das belastet die Bilanzen und die internen Abläufe, daher müssen diese Bestände optimiert werden.

Im Großen und Ganzen sind wir zuversichtlich. Zwar haben wir aktuell zahlreiche geopolitisch riskante Lagen (Kriege), jedoch haben die Einkäufer aus vergangenen Lieferengpässen dazugelernt und beispielsweise Alternativlieferanten aufgebaut, ihr Risikomanagement ausgebaut und mehr Lieferanten von China nach Europa umgeswitcht.

Ein weiteres großes Thema mit hohem Potenzial für den Mittelstand ist das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Seit dem 1. Januar 2024 erstreckt sich das Gesetz auch auf Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern, sodass mehr Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert sind, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten und zu managen.

Auf der anderen Seite fehlen Fachkräfte, die diese und andere Themen in den Griff bekommen. Viele unserer Kunden kennen die Probleme und Lösungen, nur fehlt es ihnen an Zeit diese anzugehen. Dann kommen wir als Kollegen und Coaches auf Zeit ins Boot. Zudem unterstützen wir unsere Kunden durch Interim Management, indem wir ihnen interimistische Fach- und Führungskräfte für Einkauf, Logistik und Ingenieure beschaffen. Und wir helfen unseren Kunden, Vakanzen zeitnah zu besetzen.

Worauf kommt es beim Lieferkettenmanagement heutzutage an?

Nachhaltigkeit und Risikomanagement sind zwei große Themen. Dazu muss man Lieferketten transparent machen. Beim Thema Nachhaltigkeit wissen viele Unternehmen, dass sie durch eine nachhaltige Lieferkette nicht nur einen Beitrag zum Umweltschutz und zu sozialen Aspekten / Menschenrechten leisten, sondern auch ihre Reputation verbessern und Kosten sparen können. Mit unseren Partnern helfen wir Unternehmen, Lieferanten entlang der Lieferkette und Risiken (z.B. Konflikte in einem bestimmten Kann) zu überwachen und Lieferketten so transparent zu machen, um Risiken für die Lieferkette aber auch im Bereich ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) frühzeitig aufzudecken.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Lieferkettenmanagements ist daher die Digitalisierung. Durch die Digitalisierung können Unternehmen ihre Lieferketten effizienter gestalten, Risken frühzeitig erkennen, um sie zu behandeln und die Zusammenarbeit mit Lieferanten verbessern.

KI bietet auch viele Möglichkeiten für das Lieferkettenmanagement. So kann KI beispielsweise dazu beitragen, die Lieferkette zu optimieren, indem sie die Nachfrageprognose verbessert und die Bestandsplanung automatisiert. Auch bei der Überwachung von Lieferketten kann KI helfen, indem sie Daten aus verschiedenen Quellen sammelt und analysiert, um potenzielle Risiken zu identifizieren. Es lässt sich bereits absehen, dass KI sich zu einem essentiellen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen entwickelt.

Wie können Unternehmen den zahlreichen und weiter andauernden Krisen trotzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit trotzdem weiter behaupten?

Transparenz ist hierfür essentiell. Doch man muss auch mit den gewonnen Erkenntnissen klug umgehen können. Dazu gehört für uns eine partnerschaftliche, faktenbasierte Kommunikation mit den Partnern und Lieferanten entlang der Lieferkette auf Augenhöhe. Genauso wie das Überdenken von Produkten. Kann man Produkte günstiger und nachhaltiger herstellen? Beispielsweise indem man Material einspart oder kostspielige Fertigungsverfahren überdenkt. Kann man Material effizienter einsetzen? Kann man Material substituieren? Besteht die Möglichkeit Overengineering zu reduzieren? So werden Kosten reduziert, ohne die Preise des Lieferanten zu drücken. Unsere „Cost Engineers“ heben beim Thema Produktkosten verborgene Saving-Schätze in Höhe von 10% bis 40%. Je mehr Handgriffe ein Produkt braucht, um hergestellt zu werden, umso mehr Kostentreiber und damit Einsparungsmöglichkeiten finden unsere „Cost Engineers“. Man muss also aus seinen Erkenntnissen, die man aus den Analysen seiner Lieferkette gewinnt, auch Konsequenzen ziehen können, wie das Beispiel Produktkosten zeigt.

Wenn man zum Beispiel Prozesse durch Digitalisierung optimiert, können Aufgaben effizienter erledigt und Ressourcen freigesetzt werden. Diese freigewordenen Ressourcen der Mitarbeiter können intern in andere Aufgaben einfließen. Dadurch braucht die eine oder andere Stelle nicht mehr extern neu besetzt werden. So lassen sich beispielsweise Personalkosten reduzieren.

Wie kann der Fachkräftemangel behoben werden?

Generell benötigen wir mehr qualifizierte Zuwanderung. Deutschland muss für High Potentials attraktiver werden. Ganz oben im Attraktivitätsranking landen derzeit Schweden, Norwegen, die Schweiz, die Vereinigten Staaten, Kanada und Neuseeland. Sie erfüllen viele der Kriterien, die Zuwanderern wichtig sind: unkomplizierte Verwaltung, Digitalisierung, Diversität, hohe Chancen.

Auch die Unternehmen sind gefordert. Die Digitalisierung vereinfacht Arbeitsabläufe enorm, sodass Zeit freigesetzt und dem Mangel an Fachkräften entgegengewirkt werden kann. Unternehmen können in die Weiterbildung & Ausbildung ihrer Mitarbeiter investieren, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes und der Unternehmen gerecht zu werden.

Auch können sie ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, indem sie beispielsweise flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten oder andere Anreize anbieten. Unternehmen sollten auch versuchen, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren.

Wie sehen Ihre Marktprognosen für 2024 aus?

Multiple Krisen werden uns weiter in Atem halten. Aktuelle Probleme wie Konjunktursorgen, hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und die angespannte Personalsituation werden sich weiter fortsetzen. Ich sehe per se kein Abmildern der Situation, sondern ein andauerndes Schwelen, bei dem weitere Herausforderungen auf uns warten können, wie zum Beispiel ein Eingreifen Irans in den Konflikt zwischen Israel und Palästina oder ein Eskalieren des China-Taiwan-Konflikts. Wir können uns nur weiterhin den multiplen Krisen stellen und das Beste daraus machen. Aber jeder kann weiter an seiner eigenen Konjunktur arbeiten.

Lieber Herr Hornikel, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Alexander Hornikel
Foto: © Kloepfel Consulting

Alexander Hornikel ist Country Manager Deutschland der auf Einkauf und Lieferketten spezialisierten Kloepfel Consulting. Kloepfel Consulting wurde 2023 zum achten Mal in Folge von brand eins und Statista mit dem Gütesiegel der besten Unternehmensberater ausgezeichnet. 2023 schaffte es die Kloepfel Group erneut auf die Forbes-Liste der besten Unternehmensberatungen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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