Auf der Suche nach neuen Wegen

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Hans-Werner Grunow, Geschäftsführer der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsgesellschaft Capmarcon in Stuttgart, sieht die Sache gar nicht so kritisch. „Wenn man sich die Emissionszahlen der Bundesbank anschaut, so stellt man fest, dass noch nicht börsennotierte Unternehmen aktiver sind als solche, die bereits an der Börse sind“, sagt der Experte. So schlecht könne der Markt in Deutschland also gar nicht sein. „Das Problem ist aber, dass man es erst einmal schaffen muss, eine gute Unternehmensgeschichte aufzubauen und zu kommunizieren“, erklärt Grunow. Gerade Mittelständlern müsste es erst einmal gelingen, echtes Interesse bei Investoren zu wecken.

Bohranlage von Aldrup: Sie dringt in Tiefen von bis zu 4.500 Metern vor.
Bohranlage von Aldrup: Sie dringt in Tiefen von bis zu 4.500 Metern vor.

Josef Daldrup, Vorstandschef der Daldrup & Söhne AG mit Sitz in Grünwald bei München, ist genau das bereits im Jahr 2007 gelungen. Und er hat es nie bereut, dass er sein Familienunternehmen an die Börse gebracht hat. „Für einen traditionellen Mittelständler war das damals zunächst einmal schon so eine Art Kulturschock“, erinnert sich der Firmenlenker. Doch vor zehn Jahren gab es einen regelrechten Hype um das Thema erneuerbare Energien. Um in diesem Markt mitspielen zu können, benötigte Daldrup als spezialisierter Anbieter von Bohrdienstleistungen und Kraftwerksprojekten in der Tiefengeothermie Kapital. „Wir wollten unter anderem unsere Tiefbauanlagen ausbauen und eine Geothermie-Firma übernehmen“, erinnert sich Daldrup, dessen Unternehmen zum Halbjahr 2016 mit 109 Mitarbeitern eine Gesamtleistung von 21 Mio. Euro erzielte. Um die Investitionen stemmen zu können, erschien ihm ein Börsengang als geeignetes Mittel.

Echte Umstellung

„Nach dem Börsengang mussten wir uns erst einmal daran gewöhnen, dass wir nun Berichts- und Transparenzpflichten zu erfüllen hatten“, weiß der Vorstandschef noch. Außerdem fragten auch größere Aktionäre bei Daldrup persönlich regelmäßig nach dem Gang der Geschäfte. Das sei eine Umstellung gewesen. „Ohne den Börsengang hätten wir aber niemals die Bedeutung, die Sichtbarkeit und das Vertrauen bekommen, wie wir es jetzt haben“, sagt Daldrup. Heute ginge auf seinem Geschäftsgebiet in ganz Europa keine Ausschreibung an dem Unternehmen mehr vorbei.

Im März 2017 hat die Daldrup & Söhne AG aus dem Entry Standard in das neue Mittelstandssegment der Deutschen Börse Scale gewechselt. „Scale mit seinen Qualitätskriterien passt zu uns“, sagt Daldrup. „Wir haben institutionelle Investoren, die einen gewissen Standard erwarten.“ Im kaum regulierten Basic Board zu verbleiben, sei keine Option gewesen. Dort landen immerhin auch die Unternehmen, die die strengen Zugangsvoraussetzungen für eine Aufnahme in Scale nicht erfüllen. Würde Daldrup anderen Mittelständlern heute einen Börsengang empfehlen? „Ein IPO ist natürlich aufwendig“, sagt er. Um schnell mal „Kasse zu machen“, sei er völlig ungeeignet. „Wenn man aber ein vernünftiges Geschäftsmodell hat und wachsen will, ist das durchaus ein guter Weg“, erklärt der Daldrup-Chef.

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