Eigenkapital für mehr Wachstum

(c) Jurga Jot_adobe_Stock
(c) Jurga Jot_adobe_Stock

Gerade mittelständische Unternehmen sind bei Wachstumsfinanzierungen auf Unterstützung angewiesen. Nur mit eigenen Mitteln lassen sich Internationalisierung
oder die Einführung neuer Produkte manchmal nicht finanzieren. Mittelständische Beteiligungsgesellschaften (MBGen) können dabei behilflich sein, indem sie die Eigenkapitalbasis stärken oder Fremdfinanzierungen mit Bürgschaften absichern.
Hier einige Erfolgsbeispiele.

Die Idee für die Unternehmensgründung kam Tobias Zimmer unerwartet, als er auf der Suche nach einem eigenen Feriendomizil am Mittelmeer war. Die Gespräche mit sämtlichen örtlichen und internationalen Premiummaklern verliefen überwiegend sehr enttäuschend, denn die Unterlagen waren unvollständig oder vorherige Ankündigungen über die Immobilien stellten sich als falsch oder nicht bedarfsgerecht heraus. So entstand die Idee, dass die Vermarktung von Immobilien auch unkomplizierter, effizienter und vor allem digitaler ablaufen kann. Azury präsentiert sich als Immobilienunternehmen, das das konventionelle Maklergeschäft durch technologische Innovationen neu definieren will. Aktuell ist das junge Unternehmen in den Marktgebieten Balearen, Südfrankreich, Luxemburg, München und Berlin tätig und verfügt über die erforderlichen Lizenzen in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Spanien.

KI entwickelt realistische Immobilienansichten

Foto: Azury

Kernstück der 2018 gegründeten Firma ist eine KI-gestützte Plattform – hier werden informative Texte für das Exposé, die Website und Immobilienanzeigen einer Immobilie automatisiert generiert. In den ersten Jahren wurde zunächst an verschiedenen Prototypen gearbeitet, bevor ein technisch marktfähiges Produkt entstehen konnte. Fotos der Immobilien können nun durch den Einsatz von KI innerhalb weniger Augenblicke mit verschiedenen Einrichtungsstilen befüllt werden. Zusätzlich wurde eine Virtual-Reality-(VR-)App entwickelt, die eine Remote-Besichtigung ermöglicht und dabei fotorealistisch das Gefühl vermittelt, vor Ort zu sein. Dadurch werden bei Maklern und Interessenten reichlich Zeit und Reisekosten gespart und Enttäuschungen vermieden. Die VR-App kann an verschiedene Arten von Immobilien angepasst werden, einschließlich Wohnungen, Häusern, Gewerbeimmobilien und Neubauten. Den Interessenten werden die VR-Brillen für den virtuellen Rundgang mit der Post zugeschickt.

Neue Regionen erschließen

„Im Laufe der Jahre haben wir eine stetige Expansion und ein Wachstum unserer Kundenbasis erlebt. Unsere innovativen Lösungen und Technologien haben es uns ermöglicht, wichtige Kunden aus der Immobilienbranche zu gewinnen und langfristige Partnerschaften aufzubauen“, sagt Unternehmensgründer Tobias Zimmer. Um den Wachstumskurs fortsetzen zu können, hat die Saarländische Kapitalbeteiligungsgesellschaft mbH Liquidität in Form einer stillen Beteiligung zur Verfügung gestellt. Die Wahl für diese Art der Wachstumsfinanzierung wurde gegenüber anderen Möglichkeiten bewusst getroffen, denn das Managementteam wollte weiter „das Ruder in der Hand haben“ und nicht zu viele Anteile am Unternehmen in dieser frühen Phase abgeben. Die KI-gestützte Plattform und die VR-App sollen mit dem frischen Kapital weiterentwickelt werden, um ein noch realistischeres und interaktiveres Erlebnis für potenzielle Käufer und Mieter zu bieten. Die Vermarktungstechnologie soll auch auf den Yachting-Markt erweitert werden. So sollen Kunden eine detaillierte und realitätsnahe Vorstellung von der Yacht erhalten, bevor sie selbst einen Fuß an Bord setzen. Gerade auf den internationalen Chartermarkt von Superyachten wird Azury sich dabei im ersten Schritt konzentrieren.

Photovoltaik boomt

Foto: Enerix

Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine und der daraus folgenden Preisexplosion bei den Energiekosten sind Photovoltaikanlagen in Deutschland wieder sehr beliebt. Die Nachfrage hat zugenommen und wird nun zusätzlich angetrieben durch den verstärkten Einbau von Wärmepumpen. Eine Erfolgsgeschichte mit solargetriebener Lichtgeschwindigkeit legte Alan Hughes mit seiner AH Energietechnik Westerwald GmbH & Co. KG hin. Er begann im März 2020 mit dem Aufbau seines Betriebs in Betzdorf bei Siegen im Westerwald. Inzwischen beschäftigt er 140 Mitarbeiter und der Umsatz liegt bei 19 Mio. EUR – ein erstaunlicher Aufstieg. Möglich wurde das unter anderem durch das Franchisekonzept von Enerix, über das bundesweit Solaranlagen vertrieben werden. „Wir wachsen sehr dynamisch und das soll auch so weitergehen“, erklärt Hughes mit ein bisschen Stolz. Möglich sei diese Entwicklung durch das „richtige Marketing- und Vertriebskonzept“. Ein wesentlicher Vorteil seiner Firma bestehe darin, dass er unter einem Dach Leistungen von Meisterbetrieben für die Bereiche Elektro, Heizung und Dachdecker anbieten kann. Zudem sind auf diese Weise passende Materialien und eine ausreichende Personalkapazität sichergestellt. Spätestens seit der Coronapandemie sei es zudem ein wichtiger Vorteil, Materialien und Anlagen in genügender Menge vorrätig zu haben.

Franchisegründer des Jahres

Alan Hughes, Foto: Enerix
Alan Hughes, Foto: Enerix

Der Deutsche Franchiseverband zeichnete Enerix Westerwald-Bonn im vergangenen Jahr als Franchisegründer des Jahres 2022 aus. „Die imposanten Zahlen seiner Gründung, der professionelle Rahmen des Franchisesystems und nicht zuletzt die engagierte Unternehmerpersönlichkeit von Alan Hughes haben die Jury restlos überzeugt“, resümierte Stephan Jansen, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Bürgschaftsbanken und Unterstützer des Gründerpreises, bei der Preisverleihung. Die Auszeichnung beim Deutschen Franchiseverband ebnete dann auch den Weg zur Zusammenarbeit mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft (MBG) Rheinland-Pfalz. Aufgrund der Entwicklungen im vergangenen Jahr möchte er auch Wärmepumpen anbieten können – sowie Kombinationsanlagen aus Photovoltaik und Wärmepumpe. Zudem ist geplant, für eine der Tochtergesellschaften ein Gebäude zu kaufen. Im Zuge dieses Finanzierungskonzepts stellt die MBG Rheinland-Pfalz eine stille Beteiligung zur Verfügung; die Bürgschaftsbank Rheinland-Pfalz GmbH trat zudem als Bürge für die Fremdfinanzierung ein. Auch mit dieser Finanzspritze wird es für Hughes einfacher sein, sein ambitioniertes Ziel zu erreichen und im Jahr 2023 seinen Umsatz auf 40 Mio. EUR zu verdoppeln.

Stillstand von heute auf morgen

Christoph Hinte, Foto: Hinte Expo & Conference GmbH

Große Fachmessen oder Events und eine Pandemie im Ausmaß der Coronakrise verhalten sich wie Feuer und Wasser. Das musste auch Christoph Hinte erleben, Inhaber des privaten Messeveranstalters Hinte Expo & Conference GmbH aus Karlsruhe. Im Sommer 2020 wurde rasch klar, dass das bisherige Geschäftsmodell so nicht mehr funktionieren kann. Mehrere geplante Messen für das laufende Jahr waren zwar ausverkauft mit Ausstellern – aber durch die coronabedingten Beschränkungen war an eine Durchführung in den meisten Fällen nicht zu denken. Hinte stand wie viele andere Firmen aus der Eventbranche von heute auf morgen vor einem Scherbenhaufen. „Für uns war das ein absoluter Hallo-wach-Effekt, denn von heute auf morgen sank das Geschäftsvolumen in den bisherigen Geschäftsfeldern auf schwankende Werte zwischen 0% und 50%. Aber wir haben uns schnell zusammengerauft und dann ein Konzept entwickelt für neue Veranstaltungsformate“, erinnert sich Hinte. Zusammen mit seinem 40-köpfigen Team gelang es ihm, einen großen Teil der für das laufende Jahr gebuchten Veranstaltungen in ein neues digitales Format zu überführen. Für Hinte war es dabei hilfreich, dass er sich bereits zuvor mit digitalen und hybriden Veranstaltungskonzepten beschäftigt hatte – er musste also nicht bei null beginnen. Bestehende Messen und Events wurden teilweise ins Digitale migriert oder es wurden zusammen mit den Ausstellern und Fachverbänden neue Konzepte erarbeitet.

Neue Holdingstruktur

Diese –im wahrsten Sinne des Wortes– digitale Transformation wurde unter anderem möglich durch eine Zusammenarbeit mit der MBG Baden-Württemberg. Mit einer Mezzanine-Eigenkapitalbeteiligung bekam Hinte die notwendige Basis, um die nächsten Schritte bei der Neuausrichtung des Geschäfts gehen zu können. Inzwischen wurde eine Holdingstruktur aufgebaut und die Hinte Group besteht nun aus drei Unternehmen. „Mit dieser neuen Struktur konnten wir unser Leistungsportfolio für die Kunden noch einmal erweitern und bieten auf verschiedenen Channels der Eventbranche unsere Leistungen an“, so Hinte weiter. Trotz der Auswirkungen der Coronapandemie konnte Hinte alle 40 Mitarbeitenden im Unternehmen halten. Inzwischen liegt der Jahresumsatz wieder bei rund 7 Mio. EUR.

Am Kind wird zuletzt gespart

Die Coronapandemie hatte in vielerlei Wirtschaftsbereichen in Deutschland erhebliche Auswirkungen. Ausgangsbeschränkungen und gestörte Lieferketten beeinträchtigten auch den Konsum. Bei der Nürnberger Vedes Gruppe, einem der führenden Handelsunternehmen für Spiel, Freizeit und Familie in Europa, blieben die Zahlen hingegen recht konstant. „Homeoffice, Homeschooling und die Kontaktbeschränkungen haben dazu beigetragen, dass Spiel- und Freizeitartikel während der Coronapandemie besonders hoch im Kurs standen. Aber viel wichtiger ist und bleibt: Am Kind wird zuletzt gespart“, erklärt dazu Vorstandsmitglied Julia Graeber. Die durch Geschäftsschließungen bedingten Verluste im stationären Spielwarenfachhandel konnten kompensiert werden, da im Großhandel auch andere Vertriebskanäle beliefert wurden, die nicht vom Lockdown betroffen waren.

Echter Evolutionsbeschleuniger

Vorstand der Vedes AG, Foto: Vedes
Vorstand der Vedes AG, Foto: Vedes

Die Coronapandemie hat sich laut Graeber als echter Evolutionsbeschleuniger für die Digitalisierung im Fachhandel erwiesen. Die Vedes-Markenpartner hätten sich dadurch ein zusätzliches digitales Standbein geschaffen. Insgesamt stehen rund 300.000 Artikel zur Verfügung. Mit Vedes’ digitalen Shoppinglösung sind diese Spielwaren online oder per Click and Collect verfügbar. Bei den Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung erhielt die Unternehmensgruppe auch Unterstützung durch die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft. Mit einer stillen Beteiligung von 5 Mio. EUR wurde die Omnichannel-Strategie weiter forciert. Auf diese Weise wird auch der Bekanntheitsgrad der Gruppe weiter gesteigert werden: „Durch unsere Vermarktungsaktivitäten im Digital- und Printbereich erreichen wir mehr als 600 Millionen Kontakte im Jahr“, erklärt dazu Graeber. Weitere Gründe für die Kooperation mit der BayBG waren eine Stärkung des wirtschaftlichen Fundaments und eine Verbesserung der Bonität. Die konzerneigene Marktforschung liefert wichtige Daten, auf deren Basis der Einkauf das Weltmarktangebot sondieren, Trends erkennen, Lizenzen bewerten sowie neue Sortimente und innovative Shopkonzepte kreieren kann. Auch die Nachhaltigkeit ist ein großes Thema im Vedes-Konzern, der im ersten Quartal 2023 seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat. Alle Prozesse im Unternehmen werden stark von energie-, umwelt- und ressourcenschonendem Denken bestimmt. Auf diese Weise soll der dauerhafte Unternehmenserfolg sichergestellt werden.

Hidden Champion für Fördertechnik

Foto: C.E. Schneckenflügel

Förderschnecken gibt es in vielen Bereichen – in der Industrie, Kläranlagen, Medizintechnik, Bau, Fleischtechnik, Biogasanlagen. Und es kann gut sein, dass diese Anlagen mit Komponenten der C.E. Schneckenflügel GmbH ausgestattet sind. Das Unternehmen aus Edewecht bei Oldenburg ist seit 40 Jahren ein echter Hidden Champion und einer der europäischen Marktführer bei der Herstellung von Blättern für Förderschnecken. Unternehmensgründer Rolf Eiting hat zum Jahreswechsel im Rahmen einer Unternehmensnachfolge die Geschicke seiner Firma an Leonard Nolte und Marcel Nölle übergeben. Dabei half auch eine Mezzaninefinanzierung durch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen. Die beiden neuen Inhaber sind mit 26 und 27 Jahren vergleichsweise jung – aber es ist bereits ihre zweite Übernahme eines mittelständischen Familienunternehmens. Mit ihrer Painit Gruppe sind sie kontinuierlich auf der Suche nach weiteren möglichen Investments.

Nicht aus dem Bauch entscheiden

Leonard Nolte und Marcel Nölle, Foto: Schneckenflügel
Marcel Nölle und Leonard Nolte, Foto: Schneckenflügel

Bei der C.E. Schneckenflügel GmbH haben beide Geschäftsführer inzwischen alle Prozesse intensiv analysiert, um genau zu verstehen, wie das Unternehmen im Detail funktioniert. „Prozesse der Qualitätsoptimierung sind in jedem Unternehmen wichtig. Auf diese Weise können wir dann entsprechende Entscheidungen treffen. Wichtig ist für uns zudem, dass wir das Unternehmen mit vielen und aktuellen Zahlen lenken können. Wir möchten nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf der Basis von detaillierten Analysen die richtigen Entscheidungen treffen“, so Nolte. Für diese Auswertungen werden auch Methoden der künstlichen Intelligenz verwendet. Die Firma stellt die Blätter für Förderschnecken in der Größe von wenigen Zentimetern bis zu drei Metern her. Dabei sind weit mehr als 90% der ausgelieferten Teile individuelle Anfertigungen aufgrund der speziellen Anforderungen der Auftraggeber. Mehr als 150 Werkstoffe liegen auf Lager und dank der optimierten Fertigung kann eine Lieferung innerhalb von ein bis drei Wochen erfolgen. „Schnell – präzise – günstig“: Das war noch das Firmenmotto des Gründers Eiting, aber auch die beiden jungen Nachfolger stellen sich diesem Anspruch. „Genaues Arbeiten ist bei uns sehr wichtig. Unsere Blätter sind Teil einer großen Anlage – da muss alles passen“, sagt Geschäftsführer Nolte.

Expansion fest eingeplant

In der nahen Zukunft soll es bei C.E. Schneckenflügel unter anderem um die weitere Digitalisierung der Produktion gehen. Auch neue Methoden des Zuschnitts der Materialien sind in Planung, damit immer weniger Ausschussmaterial anfällt. Bei den Vertriebsstrukturen sind ebenfalls neue Schritte geplant – begleitet von einer weiterführenden Expansion. „Zusätzliche Eigenmittel im Rahmen dieser Nachfolge waren ein wichtiger Baustein für die Finanzierungsstruktur bei der C.E. Schneckenflügel GmbH. Es freut uns, dass wir gemeinsam mit der Commerzbank Oldenburg als Hausbank so den Wechsel sinnvoll und nachhaltig begleiten konnten“, sagt Michael Retzki, Leiter Beteiligungsmanagement der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen mbH.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelWeltbild D2C Group übernimmt Schuhmarke Groundies
Nächster ArtikelAlbert Weber übernimmt insolvente Ritter Leichtmetallguss