Auf der Suche nach neuen Wegen

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Die Gründe dafür, dass gerade Mittelständler hierzulande einen Börsengang scheuen, sind vielfältig: Strengere Regulierungsvorschriften machen IPOs teuer und bringen für börsennotierte Unternehmen immer weitere Pflichten mit sich. Deutsche Privatanleger setzen trotz des dauerhaften Niedrigzinsniveaus gern auf sicher verzinste Geldanlagen, zudem benachteiligt der Fiskus Dividenden im Vergleich zu Zinserträgen. Banken bieten günstige Kredite. Private-Equity-Gesellschaften und Family Offices unter Anlagedruck kommen Mittelständlern mit Eigenkapital entgegen und bleiben deutlich länger investiert.

Zweifel an Scale

Nun will die Deutsche Börse in Frankfurt mit dem neu geschaffenen Segment Scale kleinen und mittleren Unternehmen den Weg zum IPO ebnen. Während manche Zweifler bereits die Wiedergeburt des Neuen Marktes ausrufen, bemängeln andere Kritiker die hohen Qualitätskriterien, die Mittelständler für eine Aufnahme in das junge Börsensegment erfüllen müssen. Auch den Markt der in Verruf geratenen Mittelstandsanleihen soll Scale neu beleben. Experten sind sich allerdings nicht sicher, ob dies gelingen kann.

„2016 war grundsätzlich kein gutes Jahr für IPOs“, sagt Uwe Nespethal von der Beratungsgesellschaft Blättchen Financial Advisory in Leonberg. Die Entwicklungen in China schickten die Börsen zu Jahresbeginn weltweit auf Talfahrt, der Brexit und die US-Wahlen sorgten für massive Unsicherheiten. „Man muss aber auch sehen, dass sich der nationale Markt für Börsengänge eigentlich immer dann gut entwickelt, wenn die Konjunktur eines Landes im Aufschwung ist“, erklärt der Experte. Daher sei es auf den ersten Blick unverständlich, dass die Zahl der Neuemissionen in Deutschland stark rückläufig ist. Für diese extreme Zurückhaltung müsse es strukturelle Gründe geben, erklärt der Experte.

Eine wichtige Ursache erkennt er im Anlegerschutz, den der europäische Gesetzgeber seit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 immer weiter verschärft hat. „Es fängt ja schon mit dem Produktinformationsblatt an, das Banken ihren Kunden aushändigen müssen, wenn sie diese über ein Anlageprodukt beraten“, sagt Nespethal. Um das zweiseitige Infoblatt, kurz PIB genannt, zu erstellen, müssen die Institute beim Emittenten alle notwenigen Informationen einholen, diese auf Plausibilität prüfen, Vertriebskosten einfließen lassen, eine Risikoklasse ermitteln und vieles mehr.

1
2
3
4
5
Vorheriger Artikel“Uns muss nicht angst und bange werden”
Nächster ArtikelAuf der Suche nach neuen Wegen