Auf der Suche nach neuen Wegen

Viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen scheuen immer noch den Gang an den Kapitalmarkt. Das überrascht nicht, denn sie müssen dabei so manche Hürde nehmen. Nun soll das neue Börsensegment “Scale” für Aktien und Anleihen Abhilfe schaffen. Die Frage ist aber, ob das gelingen kann.

Ungerechte Besteuerung

„Das ist ein enormer Aufwand, der sich nur für Banken mit viel Wertpapiergeschäft lohnt“, erklärt Franz-Josef Leven, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts in Frankfurt. Kleinere Kreditinstitute bieten im Aktiengeschäft oft keine Beratung mehr an.

Damit fehlen jedoch viele Privatanleger, die ohne Beratung oft keine Aktien kaufen. Daher müssen Unternehmen, die ein IPO wagen möchten, bei ihren Roadshows häufig wenige interessierte, institutionelle Investoren ansprechen. Und die diktieren dann schnell den Ausgabepreis. Darüber hinaus verlangen sie Liquidität am Markt. Doch um diese zu bieten, ist eine gewisse Größe der Aktienemission notwendig. Damit ist vielen Mittelständlern der Gang aufs Parkett verstellt. „Und letztendlich sind die Kosten für ein IPO mit fünf bis zehn Prozent des Emissionsvolumens auch nicht gerade gering“, gibt Nespethal zu bedenken.


“Die Kosten für ein IPO mit fünf bis zehn Prozent des Emissionsvolumens sind nicht gerade gering.”

Uwe Nespethal, Partner Blättchen Financial Advisory


Er sieht allerdings noch weitere Gründe dafür, dass sich deutsche Mittelständler und Familienunternehmen bei Börsengängen in Zurückhaltung üben. „Das Leben in der Nicht-Public-Welt ist natürlich deutlich bequemer“, erklärt er. Denn: Wer einmal börsennotiert ist, muss strengen Publizitätspflichten nachkommen, die Vorstandsvergütung offenlegen, Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen und dergleichen mehr. „Seit die Marktmissbrauchsverordnung am 3. Juli 2016 in Kraft getreten ist, müssen sogar Unternehmen, deren Papiere im Freiverkehr notiert sind, bei Ereignissen, die den Kurs beeinflussen können, Ad-hoc-Meldungen herausgeben“, sagt Franz-Josef Leven vom deutschen Aktieninstitut. Noch eine Pflicht, die der Gesetzgeber im Sinne des Anlegerschutzes ersonnen hat.

Keine Lobby

„Meine These ist, dass sich mehr Unternehmen aufs Parkett trauen würden, wenn man die Regulierungsvorschriften entschlacken würde“, vermutet Uwe Nespethal. Doch um eine Deregulierung anzustoßen, fehle ganz einfach die Lobby. „Niemand traut sich, eine Lockerung der Vorschriften zu fordern, weil man damit natürlich verlangen würde, den Anlegerschutz auszuhöhlen“, sagt er. In den USA habe der sogenannte Jobs Act, mit dem der ehemalige Präsident Barack Obama 2012 für Unternehmen regulatorische Erleichterungen schuf und Berichtspflichten abbaute, allerdings Wirkung gezeigt. „Zwischen 2001 und 2011 gab es in den USA durchschnittlich 120 bis 150 Börsengänge pro Jahr“, sagt Nespethal. Seit 2012 sind es jährlich im Schnitt über 200.

In der Europäischen Union hingegen dürfen Unternehmen nicht mit Erleichterungen rechnen. Hier schickt sich der Gesetzgeber in Brüssel mit der neuen Finanzmarktrichtlinie Mifid II stattdessen an, die regulatorischen Vorschriften weiter zu verschärfen. Da trifft es sich gut, dass Private-Equity-Gesellschaften und Family Offices den deutschen Mittelstand geradezu umwerben. Aufgrund des Niedrigzinsumfelds suchen sie nach guten Anlagezielen. Private-Equity-Häuser bleiben mittlerweile deutlich länger investiert als noch vor einigen Jahren.

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