Die Heuschrecke kommt aus der Mottenkiste

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Das Fazit einer Studie, die Mitte Januar von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht wurde, lautet: „Finanzinvestoren bürden Unternehmen große Belastungen auf und sorgen für ein höheres Insolvenzrisiko“. Mit diesen plakativen Aussagen wurde die Heuschrecke wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt. Die Unternehmeredition hat einige Manager von PE-Gesellschaften nach ihrer Meinung zur Studie und ihren Kernaussagen befragt.

Die erste Reaktion auf die Studie „Wie entwickeln sich Unternehmen mit Private-Equity-Eigentümern in Deutschland?“ kam vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK): „Die Studie befeuert überholte Vorurteile und zeichnet undifferenziert schwarz-weiß. In den letzten Jahren belegten Untersuchungen und eine Vielzahl von Erfolgsbeispielen die Vorteile von Beteiligungskapital. Dass Beteiligungskapital ein Wachstumsmotor der Wirtschaft ist, zeigte zuletzt eine Studie von Invest Europe. Private Equity-finanzierte Unternehmen in Europa beschäftigen 10,5 Millionen Mitarbeiter. Allein die Portfoliounternehmen der bei Invest Europe organisierten Beteiligungsgesellschaften schufen im Jahr 2018 mehr als 173.000 Arbeitsplätze, ein Wachstum von 5,5% und damit deutlich mehr als im europäischen Durchschnitt mit 1,1%“ so die Geschäftsführerin des Verbands Ulrike Hinrichs.

Die Studie bedient Klischees

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Dr. Sven Oleownik, Partner bei Gimv Deutschland: „Die vorliegende Untersuchung bedient Klischees. Ich kenne hunderte Studien, die zu genau dem gegenteiligen Ergebnis kommen“. Als Ergebnis habe sich immer gezeigt, dass Finanzinvestoren Arbeitsplätze schaffen und zudem für einen Wandel im Unternehmen sorgen. Dafür gibt es nach Oleowniks Einschätzung auch einen ganz einfachen Grund: Finanzinvestoren verdienten nur Geld, wenn auch das übernommene Unternehmen Geld verdient. „Wenn wir ein Unternehmen kaufen, dann bezahlen wir in erster Linie für das Geschäftsmodell. Unsere Aufgabe besteht dann darin, für einen Wertzuwachs zu sorgen – und zwar langfristig und nachhaltig. Denn sonst finden wir später keinen Käufer“, erläutert Oleownik.

Private Equity macht Unternehmen effizienter

Einen positiven Einfluss auf die Portfolio-Betriebe sieht auch Goetz Hertz-Eichenrode, Geschäftsführer der Hannover Finanz GmbH: „Wir machen die Unternehmen effizienter und ein wenig PE-Mentalität schadet nicht, um die Unternehmen auf den zunehmenden Wettbewerbsdruck vorzubereiten. Es ist im Zweifel besser, einen Stein zweimal umzudrehen.“  Es geht nach seiner Ansicht kontinuierlich um eine Weiterentwicklung des Unternehmens und eine Skalierung des Business. Dazu gehöre selbstverständlich auch ein gesundes Mitarbeiterwachstum. In Sachen Mitarbeiter sammelt Andreas Bösenberg, Geschäftsführer der Nord Holding Unternehmensbeteiligungen mbH ganz besondere Erfahrungen: „Wir tun uns gerade sehr schwer bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter. Das Wachstum vieler unserer Portfolios ist gebremst, denn der Arbeitsmarkt ist immer noch leergefegt. Eine stärkere Ausbildung von Fachkräften würde die Situation mittelfristig entspannen.“

Wachstum zählt für Finanzinvestoren

Und Wachstum ist für Bösenberg auch ein ganz wichtiges Stichwort, wenn es um Finanzinvestoren geht. Der in der Studie geäußerte Vorwurf, wonach Unternehmen durch den Einstieg von PE-Gesellschaften praktisch ausbluten würden, entbehre jedweder Grundlage. Auch sein Haus lebe davon, dass die Beteiligungsunternehmen wachsen, dass sie neue Märkte erschließen und ihr Geschäftsmodell erweitern. „Ich habe bei uns noch nie einen Businessplan gesehen, der primär aus Kostensenkungsmaßnahmen besteht. So etwas würde ich auch nicht kaufen. Wir investieren in Unternehmen mit einer Strategie für Expansion und helfen dann mit unserem Nord Toolkit und der Verbindung zu unserem Netzwerk. Und wenn der Investoreneinstieg einen Niedergang eines Betriebes bedeuten würde, dann könne es ja keinen Markt für Secondaries geben. Und gerade dieses Segment habe sich in der Vergangenheit sehr positiv entwickelt.

Goetz Hertz-Eichenrode zeigte sich im Gespräch mit der Unternehmeredition auch optimistisch, dass sich nach der Corona-Pandemie zeigen wird, dass viele Unternehmen mit Finanzinvestoren besser durch die Krise gekommen sind aufgrund der partnerschaftlichen Zusammenarbeit.

Standing von Private Equity bessert sich weiter

„Bemerkenswert ist, dass der M&A-Markt vom Sommer an wieder zu seiner alten Dynamik zurückgekehrt ist. Wir erwarten, dass das für die von der Pandemie nicht betroffenen Unternehmen auch 2021 so bleiben wird. Dies belegt die Attraktivität Deutschlands für die Private Equity-Branche“, erklärte DBAG-Vorstand Torsten Grede bei der Vorlage der jährlichen Analyse des deutschen Marktes für Management Buy-Outs (MBO). Er habe in den vergangenen Jahren zudem eine zunehmende Offenheit von Familienunternehmen festgestellt, bei Finanzierungslösungen mit Private Equity-Gesellschaften zusammenzuarbeiten. Betrug der Anteil von Familienunternehmern und Gründern am deutschen MBO-Markt zwischen 2004 und 2015 noch lediglich 11%, so steigerte sich der Anteil in den vergangenen vier Jahren auf 50%. „Wir stellen fest, dass sich gerade jüngere Unternehmer und die Vertreter von zukunftsträchtigen Branchen viel offener zeigen für eine Zusammenarbeit. Da hat unsere Branche ein paar Punkte gut gemacht“, fährt Grede fort.

Längere Haltefristen sinnvoll?

Ein Kritikpunkt der Hans-Böckler-Studie ist unter anderem, dass die Fondslaufzeiten der Investoren zu einem Verkauf der Beteiligungsunternehmen zwingen, obwohl es nicht immer opportun ist.  Goetz Hertz-Eichenrode und Sven Oleownik sind hier in der komfortablen Rolle, dass ihre Unternehmen die Finanzierungen überwiegend nicht über zeitlich befristete Fonds realisieren. „Grundsätzlich ist es ein guter Gedanke, wenn über längere oder variablere Laufzeiten nachgedacht wird. Hier gibt es schon einige Modelle wie ´buy and hold´ oder ´extension periods´ als Beispiele “, erklärt Oleownik dazu. Die PE-Szene habe sich insgesamt in den vergangenen Jahren geändert und auch diversifiziert. Insofern sei es auch schwierig, von „den Finanzinvestoren“ zu sprechen, wenn damit unter anderem Venture Capital-, Sanierungs- und Management-Buy-out-Fonds gemeint sind. Diese Gruppen investierten in vollkommen unterschiedliche Unternehmen und verfolgten unterschiedliche Strategien.

Finanzinvestoren bringen Know-how

„PE hat auch immense Erfahrung in Strategieentwicklung und der Bewältigung von Unternehmensproblemen und kann eine echt globale Perspektive in die Unternehmensentwicklung einbringen. Dies ist auch etwas was vielen deutschen Unternehmen in bestimmten Branchen fehlt und in einer globalisierenden Welt oft von entscheidender Bedeutung ist“, so Marc Thiery, Managing Partner und Mitgründer der DPE Deutsche Private Equity. Angesichts der Anforderungen der Digitalisierung, der sich viele Unternehmen gegenüber sehen sei auch das Know-how eines Finanzinvestors sehr wichtig. Kapital von Finanzinvestoren könne nach seiner Ansicht auch der entscheidende Turbo sein, um das Wachstum zu beschleunigen: „Viele Familienunternehmer haben nicht das Kapital oder die Risikobereitschaft mit dem Markt zu wachsen oder das Potential der Firma voll auszuschöpfen. Der deutsche, mittelständische Unternehmer ist konservativer und auch risikoscheuer als seine internationalen Wettbewerber, insbesondere im Vergleich zu China und den USA. Viele Unternehmen mit marktführenden Produkten und Technologien werden einfach abgehängt, weil sie im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern nicht genug investieren und nicht aggressiv genug expandieren. Auch hier würde ich sagen, dass PE mit der angesprochenen breiten Perspektive einen großen Unterschied machen kann.“

Reibungslose Unternehmensnachfolge ermöglichen

Auf eine besonders wichtige Rolle von Finanzinvestoren in der Wirtschaft macht Michael Feldt, Vorstand der Adcuram Group AG im Gespräch aufmerksam: „Private Equity finanziert dort, wo sonst niemand den Mut oder die nötige Kraft hat. Das aktuelle Beispiel von Biontech und Curevac verdeutlicht anschaulich die Bedeutung von couragierten Investoren. Eine klassische Bankfinanzierung hätte niemals zu einem solchen Ergebnis geführt“. Aber nicht nur bei Unicorns in der Venture Capital-Finanzierung spielten die Investoren eine entscheidende Rolle, denn auch in vielen Situationen einer Nachfolge-Suche in einem mittelständischen Unternehmen biete Private Equity oftmals die einzige praktikable Lösung. Bei vielen dieser Fälle seien die erforderlichen Summen so hoch, dass die verfügbaren Mittel von Unternehmern nicht ausreichen und die meisten Banken auch durch die verschärften Eigenkapitalvorschriften als Partner ausscheiden. „Am Ende ist es so, dass niemand anders als Private Equity Wachstumsstories finanziert“, gibt sich Feldt selbstbewusst.

Im Wachstum der Unternehmen steckt Arbeit

„Kein Unternehmen ist bei der Übernahme gleich ein Home-Run“, meint Bösenberg von der Nord Holding. Hinter jeder erfolgreichen Entwicklung eines Unternehmens stecke harte Arbeit im Team. Bestimmende Faktoren für den Erfolg sieht er in erster Linie in den klassischen Parametern wie Cash-Flow und EBITDA. Bei der Studie der Hans-Böckler-Stiftung seien aber genau diese Parameter nicht berücksichtigt worden. Als einen weiteren wichtigen Faktor für die Beurteilung der Entwicklung eines Unternehmens wertet DPE-Manager Thiery die Entwicklung des F&E-Budget. Wer in der Zukunft erfolgreich sein wolle, müsse gerade den Forschungs- und Entwicklungsbereich stärken. Mit Blick auf die Allgemeinheit verweist er zudem darauf, das prosperierende Unternehmen immerhin auch Steuern zahlen.

Private Equity hat viele Facetten

„Man kann die Private Equity-Branche nicht einfach so über einen Kamm scheren, wie es offensichtlich in der Studie der Hans-Böckler-Stiftung geschehen ist“, meint Gimv-Chef Oleownik. Die Management-Ansätze und die jeweiligen Ziel-Unternehmen seien vollkommen unterschiedlich. Hier sieht er die Notwendigkeit für eine differenzierte Betrachtung. Eine Reduzierung von Private Equity auf den einfachen Slogan „Kauf durch Fremdverschuldung“ findet auch Hertz-Eichenrode von Hannover Finanz zu oberflächlich. Die Modelle für die Finanzierung von Beteiligungen und Komplettübernahmen seien inzwischen deutlich zahlreicher. Um auch in der Zukunft noch besser argumentieren zu können, plant die DPE nach Ankündigung von Mitbegründer Thiery die Erstellung einer eigenen Studie mit wissenschaftlicher Begleitung. Der Fokus soll dabei auf dem Nachweis liegen, dass Finanzinvestoren einen wichtigen Beitrag bei der Schaffung von Wertzuwächsen in den Betrieben leisten.

Hinter Private Equity steht auch der „kleine Mann“

Auf einen zusätzlichen Aspekt in der gesellschaftlichen Beurteilung von Private Equity macht Adcuram-Vorstand Feldt aufmerksam: „Das Geld der Private Equity-Gesellschaften kommt zu einem nicht unerheblichen Teil von Kapitalsammelstellen – am Ende sind werden also Gelder aus Rentenfonds oder von Lebensversicherungen sinnvoll investiert.“ Es gehe also nicht nur um Geldvermehrung von exklusiven Family-Offices. Viele Studien der vergangenen Jahre hätten belegt, dass Private Equity als Anlageklasse hervorragend performt. Insofern sei es nur logisch, wenn sich weiter Investoren dafür interessieren.

BVK beginnt 2021 mit einer Deutschlandtour

Der BVK hat 2021 eine Buskampagne mit dem Titel „Die Chancenmacher“ gestartet. Dabei werden bundesweit BVK-Mitglieder und führende Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Politik besucht, um Gespräche zu führen. Weiterhin geplant sind Roadshows von Politikern zu BVK-Mitgliedern und Ihren Portfoliounternehmen.  „Ziel ist es, unserer Branche ein Gesicht zu geben und ihre Bedeutung für Innovation und Fortschritt herauszustreichen“, erklärt dazu Ulrike Hinrichs, Geschäftsführerin des BVK.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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