„Digitale Kreditplattformen gewinnen an Bedeutung“

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Nach der erfolgreichen Premiere der Frankfurt Digital Finance Conference im vergangenen Jahr fand die zweite Ausgabe am 3. Februar als Hybrid-Veranstaltung statt. Im Vordergrund stand die Vernetzung der wichtigsten Akteure des europäischen Digital-Finance-Ökosystems. Wir sprachen im Nachgang mit Dr. Daniel Bartsch über seine Einschätzung der Perspektiven am digitalen Kreditmarkt. VON EVA RATHGEBER

Dr. Daniel Bartsch © creditshelf

Unternehmeredition: Am vergangenen Dienstag waren Sie auf der Frankfurt Digital Finance Konferenz in einer Breakout Session zum Thema „Digital Debt Capital“ vertreten. Wie lautet ihr Fazit?
Dr. Daniel Bartsch: Es war eine sehr gute Konferenz, auch wenn sie wegen der Corona-Pandemie dieses Mal virtuell stattfand. Wir haben in unserem Panel einen sehr offenen Dialog führen können, auch mit den Bankenvertretern. Wir waren uns einig, dass Digitalisierung auch im Firmenkundengeschäft eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird und dass sich digitale Plattformen zunehmend als Innovationstreiber auf dem Kreditmarkt etablieren werden.

Unternehmeredition: Wie arbeiten Sie denn mit den Banken zusammen?
Bartsch: Die Zusammenarbeit mit den Banken hat bereits eingesetzt und wird sich künftig noch weiter intensivieren. Für manche etablierte Banken, wie z.B. die Commerzbank, sind wir quasi eine verlängerte Werkbank und unterstützen auf der Kundenseite. Als Kreditplattform können wir besonders da helfen, wo Banken Engpässe haben, beispielsweise wenn das Kreditlimit ausgeschöpft ist oder wenn es um unzureichende Sicherheiten oder ein zu hohes Risiko geht. Mit anderen Banken, wie etwa der holländischen Amsterdam Trade Bank arbeiten wir auf der Fundingseite zusammen und erhöhen so die für unsere Kunden zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Was zählt ist, dass der Kunde eine Lösung bekommt und dass wir ihm gemeinsam den bestmöglichen Service bieten.

Unternehmeredition: Wie entwickelt sich der Markt für alternative Bankprodukte und inwieweit hat sich Covid-19 als Beschleuniger herausgestellt?
Bartsch: Wir hatten im letzten Jahr ein prozessiertes Anfragevolumen von über 1,5 Mrd. EUR, das ist damit gegenüber dem Vorjahr gestiegen (1,3 Mrd. EUR). In der Phase des Lockdowns, in der die Banken stark beeinträchtigt waren, ist bei uns ganz viel passiert. Im März/April kam es zu einer sehr hohen Anfragewelle. Da wurde ganz viel via E-Mail und über Onlinekanäle abgewickelt. Dass die Leute da nicht mit Akten in die Bankfiliale gehen wollten, ist glaube ich allen klar. Dabei hat sich gezeigt, dass es gut möglich ist, digitale Lösungen an den Kunden zu bringen. Die Leute haben gesehen, dass es Alternativen zu den klassischen Bankprodukten gibt. Ich glaube deshalb, dass sich das Digitalgeschäft in Zukunft noch mehr etablieren wird.

Unternehmeredition: Was genau wird zunehmend nachgefragt und von wem?
Bartsch: Wir bemerken derzeit eine starke Nachfrage nach Working Capital. Im Vordergrund steht ferner der Aufbau eines Liquiditätspuffers. Demgegenüber sehen wir gegenwärtig Zurückhaltung bei Investitionen. Wir gehen aber davon aus, dass das Engagement im Laufe des Jahres zurückkommen wird, wenn der Corona-Impfschutz erreicht und die Beschränkungen aufgehoben sein werden. Was darüber hinaus ziemlich stark nachgefragt wird, sind Wachstumsfinanzierungen von Seiten junger Unternehmen mit vorwiegend digitalen Geschäftsmodellen. Diese sind sehr stark Eigenkapital finanziert und gerade dabei, die ersten Anfänge in Richtung Bankenfinanzierung zu machen. Für solche Unternehmen sind wir häufig die ersten Ansprechpartner.

Unternehmeredition: Worin liegen die Vorteile Ihres Geschäftsmodells?
Bartsch: Wir arrangieren Kredite an gesunde mittelständische Unternehmen mit mindestens drei Jahren Unternehmenshistorie und einem Jahresumsatz von mindestens 2,5 Mio. EUR und nur selten mehr als 100 Mio. EUR. Die Unternehmen erhalten über uns bankunabhängig schnell und transparent Liquidität. Im Gegensatz zum klassischen Bankkredit müssen die Firmen auf unserer Plattform keine Sicherheiten stellen. Unser gesamter Kreditprozess läuft über unsere digitale Finanzierungsplattform. Im Zentrum steht eine datengestützte Risikoanalyse, die es uns ermöglicht, die Finanzinformationen mittelständischer Unternehmen schnell und tiefgründig zu analysieren. Innerhalb von 48 Stunden erfährt der Antragsteller, ob wir seine Kreditanfrage finanzieren können. Nach einer positiven Analyse erhält er unmittelbar ein Kreditangebot. Anschließend wird sein Kredit verschiedenen Investoren zum Kauf angeboten – so erhält der Kreditnehmer immer das für ihn günstigste Angebot.

Unternehmeredition: Gibt es in ihrer bisherigen Firmengeschichte Transaktions-Highlights mit Wow-Faktor?
Bartsch: Wir haben da einige interessante Beispiele aus dem Bereich Growth Finance. Beispielsweise haben wir Wachstumsfinanzierungen für die Fintechs Friendsurance, Gridscale und Chronext bereitgestellt. Friendsurance bringt die Digitalisierung im Versicherungsgeschäft voran, Gridscale entwickelt intuitiv nutzbare und flexible Cloud-Technologien und Chronext bietet als Onlinehändler Luxusuhren an. Diese Unternehmen sind alle auf signifikanten Wachstumspfaden unterwegs. Durch uns erhielten sie einen fehlenden Baustein in ihrem jeweiligen Finanzierungsmix.

Unternehmeredition: Wo geht Ihrer Meinung nach der Markt hin und welche Herausforderungen gilt es in den nächsten Monaten zu stemmen?
Bartsch: Wenn jetzt nach der Krise der Aufschwung kommt und Wachstumsfinanzierungen wieder in großem Umfang nachgefragt werden, dann sehe ich eine Riesenchance für alternative Finanzierungen. Im letzten Jahr hat ja die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW den Markt gemacht. Aber die Banken müssen irgendwann wieder selbst ins Risiko gehen und ich glaube, dass sie sich damit schwer tun werden. Denn die Bilanzen der Unternehmen sehen durch Corona schlechter aus und die Banken haben gleichzeitig wegen Corona Verluste durch Abschreibungen gemacht. Alternativen werden deshalb nachhaltig wichtiger und relevanter. Wir gehen davon aus, dass bis 2025 10% des gesamten Kreditvolumens durch digitale Kanäle abgewickelt werden wird. Aktuell sind es 1-1,5%.

Unternehmeredition: Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.


Zur Person

Dr. Daniel Bartsch ist Gründungspartner und Vorstand der creditshelf Aktiengesellschaft.

 

 

 

 


Kurzprofil creditshelf Aktiengesellschaft

Gründung: 2014
Hauptsitz: Frankfurt
Geschäftsmodell: Digitale Kreditplattform für Mittelstandskredite bis 5 Mio. EUR; Kreditgeber sind Banken, institutionelle Anleger wie z.B. Family Offices, alternative Investmentfonds oder Unternehmen mit kurzfristigen Liquiditätsüberschüssen
Branchenfokus: Alle Branchen bis auf erneuerbare Energien, Schiffe, Automobilhandel und -reparatur
Mitarbeiter: 70
Umsätze: 4,6 Mio. EUR (2019)
Seit 2018: Notiert im „Prime Standard“ der Deutschen Börse

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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