Junge Familienmitglieder in der Unternehmensnachfolge

Gründe für eine frühzeitige Einbindung und Optionen zur Einschränkung dieser Rechte

Welche Gründe sprechen für eine frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder in das Unternehmen? Und wie lassen sich diese Rechte einschränken?
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Unternehmenserbin Verena Bahlsen rief im Sommer 2019 mit ihrer Äußerung, NS-Zwangsarbeiter seien im Unternehmen „gut behandelt“ worden, ein gewaltiges mediales Echo ­hervor. Werner Michael Bahlsen, Vater der Keksfabrikantin und damals gerade frisch aus der Position des Vorstandsvorsitzenden ausgeschiedenen, sah sich im Januar 2020 genötigt, öffentlich zu erklären, keines seiner Kinder werde die Unternehmensleitung übernehmen. Zeigt der Fall Bahlsen die Risiken einer frühzeitigen Einbindung junger Familienmitglieder? Welche Gründe sprechen dafür? Und welche Möglichkeiten bestehen, zum Wohle des Unternehmens die Rechte der jungen Gesellschafter einzuschränken?

Eine Vielzahl von Gründen spricht für eine frühzeitige Einbindung junger Fami­lienmitglieder: Die Rolle als Gesellschaf­ter wertet das junge ­Familienmitglied auf. Durch die gesellschaftsrechtliche Beteiligung entsteht in aller Regel ein frühzeitiges Interesse am Familienunter­nehmen. Die Junioren werden schon in jun­gen Jahren mit den strategischen Heraus­forderungen der Unternehmensleitung, den rechtlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrags, den steuerlichen Rahmen­bedingungen sowie den betriebs­wirt­schaft­lichen Rea­litäten vertraut gemacht. Nicht selten führt dies dazu, dass sich bei einzel­nen Junioren ein intrinsisches Inte­resse ent­wickelt, eines Tages die Unterneh­mens­leitung zu über­nehmen. Hand aufs Herz: Ist das nicht das erklärte Ziel vieler Unternehmer­familien – neben der Weitergabe der Unternehmensanteile den eigenen Sohn oder die eigene Tochter an der Unternehmensspitze zu sehen?

Frühzeitige Einbindung aus steuerlicher Sicht interessant

Eine langfristig angelegte Nachfolge­planung eröffnet Gestaltungsspielräume. Bekanntlich werden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Vermögensübertragungen zwischen zwei Personen inner­halb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammengerechnet. Daher lassen sich bei einer gestaffelten Anteilsübertragung die steuerlichen Frei­be­träge von 400.000 EUR pro Kind mehrfach nutzen. Im Bereich des begüns­tigten Betriebsvermögens (§§ 13a, 13b ErbStG) lässt sich durch eine solche Maßnahme selbst bei Unternehmen mit einer zu hohen Ver­waltungs­vermö­gens­quote oder bei Exis­tenz schädlicher junger Finanzmittel oder jungen Verwal­tungsvermögens die Steuerbelastung gegebenenfalls auf null reduzieren. Bei großen Unternehmensvermögen über 26 Mio. EUR lässt sich auf diese Weise die Anwendung der spe­ziell vom Gesetzgeber für Großerwerbe eingeführten Sondervorschriften des so­ge­nann­ten Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG) beziehungsweise der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) zugunsten des Steuerpflichtigen ausschalten. Kurz­um: Je jünger die Familien­mitglieder bei der ersten Anteilsübertragung sind, desto größer ist der steuer­gestal­te­ri­sche Spielraum.

Beschränkung der Gesellschaftsrechte

Um Gefahren vorzubeugen, die aus der individuellen Familienunternehmens­situ­ation resultieren, empfiehlt es sich in der Praxis, die Rechte des jungen Fa­mi­liengesellschafters in verschiedenen Dimensionen zu beschränken. Im weitest­gehenden Fall wird der Junior gesell­schafts­rechtlich noch gar nicht am Unternehmen, sondern zum Beispiel im Wege einer Unterbeteiligung lediglich am Gesellschaftsanteil der Eltern beteiligt. Es erfolgt lediglich eine wirtschaftliche Gleichstellung des Unterbeteiligten mit einem Gesellschafter. Die „Gesellschaftsrechte“ des Juniors erstrecken sich einzig auf das Innenverhältnis zum Vater oder zur Mutter.

Soll die nächste Generation hingegen am Unternehmen direkt beteiligt, aber lediglich der Einfluss der Junioren in der Gesellschafterversammlung beschränkt werden, um allzu selbstbewusste Nachfolger vor Fehlentscheidungen zu schüt­zen, bieten sich Stimmbindungsverträge oder Sonderrechte der Senioren („Golden Shares“, Mehrfachstimmrechte et cetera) an. Ist das nicht gewünscht oder durchsetzbar, beispielsweise wenn bereits mehrere Gesellschafterstämme bestehen, lässt sich gegebenenfalls das Quorum zentraler Gesellschafterbeschlüsse so wählen, dass keine Blockademöglichkei­ten für die Junioren bestehen.

Beschränkung der Gewinn- oder Entnahmerechte

Der Gewinnanteil oder die Entnahme der Junioren lässt sich über den Umfang der verschenkten Gesellschaftsanteile einfach steuern. Wird aus steuerlichen Gründen die Übertragung eines größeren Anteils empfohlen, beispielsweise von 25,1% der Gesellschaftsanteile statt der beabsichtigten 5%, und bestehen bei einer solchen Beteili­gung Sorgen vor den Auswirkungen einer zu umfangreichen Gewinnaus­schüttung, lässt sich der Gewinnanteil der Junioren über disquotale Gewinnverteilungsrechte, individuelle Nießbrauchsregelungen oder spezielle The­sau­rie­rungs­regelungen begrenzen. Um zu verhindern, dass junge Familiengesellschafter ihre Gesellschaftsanteile veräußern, sollten letztere vinkuliert oder ihre Fun­gibilität gesellschaftsvertraglich (zum Beispiel durch Zustimmungsvorbehalte) eingeschränkt werden. Auch die Möglichkeit einer Kündigung der Gesellschaft sollte zeitlich und der Höhe nach maßvoll beschränkt werden, um zu verhindern, dass der „störrische“ Junior auf diese Weise versucht, die Ver­mö­gens­substanz seines Gesellschaftsanteils zu liquidieren.

FAZIT

Aus dem Fall Bahlsen lassen sich keine tragfähigen Argumente ableiten, die gegen eine frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder sprechen. Der Fall ist kaum verallgemeinerungsfähig. Obgleich die Aussage eine gewisse Geschichtsvergessenheit der Unternehmenserbin dokumentiert, lässt dies selbst für die Zukunft des Unternehmens keine Rückschlüsse darauf zu, wie Frau Bahlsen ­ihre Verantwortung als Gesellschafterin der Unternehmensgruppe wahrnehmen wird. Der Umstand, dass kein Kind von Werner Michael Bahlsen in die Unternehmensleitung einziehen wird, macht die Nachfolgeplanung der Familie auch zu keinem Misserfolg. Es mag gute Gründe dafür geben, dass die Familie sich für ein exter­nes Management entschieden hat.

Die frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder als Gesellschafter ga­rantiert keine erfolgreiche Unternehmens­nachfolge. Bei richtiger Umsetzung über­wiegen nach unserer Erfahrung eindeutig die Vorteile. Die junge Generation wird ans Unternehmen herangeführt. Es entsteht eine emotionale Bindung zum Unter­nehmen. Die Familie hat die Gelegenheit, über einen längeren Zeitraum zu beobachten, wie sich das Familienmitglied in seiner Rolle als Gesellschafter bewegt. Daraus können Rückschlüsse für weitere Nachfolgemaßnahmen gezogen werden. Gesellschaftsrechtliche Schutzmaßnahmen gewährleisten eine Kontrolle der Senioren und ein Hineinwachsen der Junioren in die Rolle des Gesellschafters. Aus steuerplanerischer Sicht ist die frühzeitige Einbindung junger Familienmitglieder gerade für Unter­nehmen mit hoher Verwaltungsvermögensquote, große Familienunternehmen oder Familiengesellschaften, denen die Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen nicht zur Verfügung stehen, attraktiv.

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition 1/2021 erschienen.

Autorenprofil
Dr. Nils Wighardt

Dr. Nils Christian Wighardt betreut bei McDermott Will & Emery Mandanten in allen Aspekten des ­Erb-, Gesellschafts- und Steuerrechts. Als Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuer­recht berät Dr. Wighardt ­Unternehmer, Familienunternehmen, Family Offices, Stiftungen, Gesellschafter, Eigentümer und Mit­glieder von Führungsgremien, aber auch einzelne Familien­mitglieder.

 

Autorenprofil
Jonathan Storz

Jonathan Storzist Mitglied der Praxisgruppe Steuerrecht bei McDermott Will & Emery und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang ins­besondere mit Fragen des nationalen und internationalen Ertrag- sowie Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts.

 

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