Nachhaltige Unternehmenssanierung mit Hilfe des Insolvenzrechts

Am 1. März 2012 wurden die Optionen für die Sanierung von Unternehmen grundlegend erweitert. Anlässlich des zehnten Jahrestags der Insolvenzrechtsreform durch das ESUG ist Schultze & Braun mit einer Untersuchung der Frage nachgegangen, wie erfolgreich und nachhaltig Sanierungen im Rahmen von Regelinsolvenz, Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren sind.

Eine Krise kommt selten allein – die meisten Unternehmen werden diesen Satz angesichts der derzeitigen weltwirtschaftlichen Sondersituation wohl unterschreiben. Die schnelle Folge von Herausforderungen zeigt einmal mehr: Kein Unternehmen ist davor gefeit, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten.

Die gute Nachricht ist, dass das deutsche Insolvenzrecht Unternehmen vielfältige Möglichkeiten bietet, Krisen zu meistern und sich im Zuge einer Sanierung mit Hilfe des Insolvenzrechts neu aufzustellen – und das nicht erst seit der Reform durch das ESUG. Gleichwohl ist seit 2012 die Sanierung in eigener Regie, die sogenannte Eigenverwaltung, für die Verfahrensbeteiligten plan- und berechenbarer. Zudem wurde das Schutzschirmverfahren eingeführt. Unabhängig von der Verfahrensart gilt: Eine Insolvenz bedeutet nicht automatisch das Ende eines Unternehmens, sondern kann vielmehr die Chance auf einen nachhaltigen Neustart darstellen.

Das bestätigt eine Untersuchung von Schultze & Braun (Erkenntnisse, Datenbasis und Untersuchungsdesign auf www.nachhaltige-unternehmenssanierung.de), bei der die Nachhaltigkeit von Unternehmenssanierungen anhand von sogenannten Zweitinsolvenzen unter die Lupe genommen wurde – also Unternehmen, die nach einer ersten Sanierung erneut den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten.

Anlässlich des zehnten Jahrestages des ESUG wurde dabei der Zeitraum von März 2012 bis September 2021 untersucht. Im Untersuchungszeitraum wurden auf Basis von Daten von STP Business Information insgesamt 132 Zweitinsolvenzen identifiziert, von denen vor dem Hintergrund einer vorab festgelegten Definition 114 eingehender untersucht wurden.

Zweitinsolvenzen auf niedrigem Niveau

Die Kernerkenntnis der Untersuchung ist, dass sowohl Regelinsolvenzverfahren als auch die sogenannten ESUG-Verfahren – die Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren – für erfolgreiche und nachhaltige Sanierungen von Unternehmen stehen. Die Anzahl der identifizierten Zweitinsolvenzen bewegt sich in beiden Verfahrensarten auf einem niedrigen Niveau:

  • Bei 44 der 114 Zweitinsolvenzen ist die Erstsanierung in Eigenverwaltung oder Schutzschirmverfahren erfolgt – also als Sanierung in eigener Regie, bei der die Geschäftsführung das Heft des Handelns in der Hand behält. Bei insgesamt rund 2.200 ESUG-Verfahren seit März 2012 kann sich die Nachhaltigkeitsquote definitiv sehen lassen – auch wenn keine Daten dazu vorliegen, wie viele der Verfahren im ersten Anlauf zu einer Sanierungslösung geführt haben.
  • Das gilt aber auch für die Regelinsolvenzverfahren – also Sanierungen mit einem Insolvenzverwalter. Sie müssen den Vergleich nicht scheuen. 70 der 114 Zweitinsolvenzen bei mindestens 54.400 Regelinsolvenzen sprechen ebenfalls für eine hohe Nachhaltigkeitsquote bei den Erstsanierungen.

Es zeigt sich: Es ist wichtig, dass mit dem Blick auf die Nachhaltigkeit der Sanierung das passende Verfahren für jedes Unternehmen in jedem Einzelfall individuell geprüft und ausgewählt wird.

Erste fünf Jahre mit großer Bedeutung

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Untersuchung ist, dass sich relativ schnell zeigt, ob ein Unternehmen nachhaltig saniert wurde: Der überwiegende Anteil (114) der 132 identifizierten Zweitinsolvenzen ist innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Erstinsolvenz eingetreten.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in der Regel die Ursachen überwunden sind, die zur Erstinsolvenz geführt haben, wenn nach einer (Erst-)Sanierung mehr als fünf Jahre vergangen sind. Natürlich ist ein Blick in die wirtschaftliche Zukunft eines Unternehmens über mehrere Jahre nur bedingt möglich. Gleichwohl belegt die Untersuchung, welch große Bedeutung der Zeithorizont von fünf Jahren bei der Nachhaltigkeit der Sanierung eines Unternehmens hat.

Das unterstreicht auch eine weitere Erkenntnis der Untersuchung: Unternehmen, die innerhalb von fünf Jahren nach der Erstinsolvenz erneut einen Insolvenzantrag stellen müssen, werden über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg betrachtet fast 1,5-mal häufiger abgewickelt als saniert.

Tiefgreifende Einschnitte nicht scheuen

Es ist also immens wichtig, direkt bei der ersten Sanierung die Ursachen anzugehen, die zur Insolvenz geführt haben – gerade vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Coronapandemie. Im Zeitraum 1. März 2020 bis zum 1. September 2021 („während Corona“) gab es drei Mal so viele Zweitabwicklungen wie Zweitsanierungen. „Vor Corona“ lag das Verhältnis nur bei rund 1,3.

Bei einer Unternehmenssanierung lediglich die Passivseite der Bilanz zu reduzieren und dann operativ nach der Devise „weiter so wie bisher“ vorzugehen, mag kurzfristig zu einem Erfolg führen. Um jedoch eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmenssanierung zu erreichen, darf man sich nicht davor scheuen, auch tiefgreifende Einschnitte vorzunehmen. Denn: Von einer nachhaltigen Unternehmenssanierung profitieren am Ende alle.

Autorenprofil
Dr. Elske Fehl-Weileder

Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun. Zu Ihren Spezialgebieten gehören die Insolvenzverwaltung, die Begleitung von Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren sowie die Erstellung und Umsetzung von Insolvenz- und Restrukturierungsplänen.

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