„Wir rechnen 2024 mit vielen günstigen Einstiegszeitpunkten“

Interview mit Stephan Bannier, Head of DACH Sales, Generali Investment Partners

Bannier gibt Einblicke in die Aktienmarktentwicklung, Immobilienbewertungen und stellt innovative Fonds vor.
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Für Aktienmärkte sind unsichere Rahmenbedingungen kein optimales Umfeld. Leitzinsängste und latente Krisenherde sind permanente Belastungsfaktoren. Wir sprachen mit Stephan Bannier, Head of DACH Sales bei Generali Investment Partners.

Unternehmeredition: Herr Bannier, vor einem Jahr sprachen wir über die Aktienmarktentwicklung in Krisenzeiten. Was ist seitdem passiert und wie beurteilen Sie die Situation heute?

Stephan Bannier: Wenn man 2022 nochmal Revue passieren lässt, dann zeigte sich hier ein gewisser Bruch. Wir hatten davor gut 30 Jahre lang sinkende Zinsen mit kleinen Unterbrechungen. Aber an sich waren die Zinsen selbst für zehnjährige Anleihen bis in den Minusbereich runtergegangen. Und dann hat Anfang des Jahres der russische Angriffskrieg die Weltordnung komplett auf den Kopf gestellt. Und so was wirkt wie ein Katalysator. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Rahmenbedingungen geprägt von Fehlallokationen über die Notenbanken, die den Zins bewusst auf einem viel zu niedrigen Niveau gehalten haben, indem sie ungebremst Staatsanleihen aufkauften. So konnte es nicht mehr weitergehen und die angesprochene Krise hat eruptionsartig für Änderungen gesorgt. Da zeitgleich die globalen Lieferketten unterbrochen waren, vor allem von China aus, weil das Land mit seiner äußerst strengen Coronapolitik beschäftigt war, gab es dann die gesehenen Erdbeben am Kapitalmarkt. Die beschriebene Kombination hat dann auch zu dem Phänomen geführt, dass sowohl Aktien als auch Anleihen in kurzer Zeit kräftig verloren haben. Die Anleger reagierten nervös und verkauften alles, was irgendwie verkaufbar ist. Normalerweise kauft man in solchen Situationen dann gerne Staatsanleihen. Nur wenn zeitgleich durch Inflationsdruck die Zinsen steigen, macht es keinen Sinn, solche Anleihen zu kaufen − ein perfekter Sturm.

Wie beurteilen Sie denn die Entwicklung seit Beginn dieses Jahres?

Wir schauen immer nur in den Rückspiegel und wenn die Straße dort gerade war, gehen wir davon aus, dass die nächsten 100 Meter wahrscheinlich auch gerade sein werden. Das ist normalerweise keine so schlechte Herangehensweise. Man verpasst damit aber ganz sicher die nächste Abzweigung. Und genau so war es dann auch Anfang dieses Jahres, als in relativ kurzer Zeit auch die Aktienmärkte sehr schnell wieder, ich will nicht sagen zur Normalität, aber zu einer gewissen Stärke zurückgekehrt sind. Wer im Januar dabei war und eine gewisse Rationalität an den Tag gelegt hat, sich gewisse Risiken angeschaut und diese neutral bewertet hat und zu dem Schluss kam, dass er auch Aktien im Portfolio haben muss, konnte profitieren. Wer das nicht getan hat, der hat in diesem Jahr nicht viel Spaß gehabt. Denn seit dieser anfänglichen Bewegung ist mehr oder weniger nichts passiert. Das ist ein bisschen verwunderlich, da im Nahen Osten ein weiterer Krisenherd hinzugekommen ist.

Nun gab es nicht nur bei Aktien und Anleihen Verwerfungen. Den Immobiliensektor hat es auch ordentlich gebeutelt. Wie erleben Sie denn die Bewertungsniveaus aktuell?

Hier klaffen Riesenlücken, gerade im Logistik- oder auch im Industriebereich, wo wir in einigen Segmenten wenige bis gar keine Transaktionen sehen, weil die Verkäufer immer noch an ihre Preise von vorher glauben und mehr haben möchten. Die Käufer haben auf einmal ganz andere Refinanzierungskosten ob der gestiegenen Zinsen und halten die Preise deshalb für zu hoch. Diese Diskrepanz wird uns noch eine ganze Weile begleiten, sollten die Zinsniveaus nicht sinken.

Kommen wir nochmal zurück zu den liquideren Märkten, sehen Sie dort angemessene Bewertungen?

Wenn ich mal nur die beiden Hauptanlageklassen Aktien und globale Staatsanleihen nehme und nebeneinanderlege, dann sind für mich die Staatsanleihen trotz des Zinsanstieges absolut überbewertet. Wir hatten schon immer Zinsen unterhalb des Inflationsniveaus. Inzwischen sind sie zu einem massiven Problem geworden. Wir haben einen inflationären Druck, und der wird uns auch noch eine Weile begleiten. Der Prozentsatz der Inflation ist deutlich höher als das, was wir mit Bundesanleihen auf Sicht der nächsten zehn Jahre verdienen können. Und diese Diskrepanz zwischen diesen beiden Zinssätzen ist größer als das, was wir teilweise in der Vergangenheit gesehen haben, als die Bundesanleihe bei null oder sogar negativen Renditen notierte. Mit anderen Worten, der reale Verlust der Anleger ist größer als in der Vergangenheit, er fühlt sich wegen der gestiegenen Nominalzinsen nur nicht so schlimm an.

Sie haben gerade zwei neue Fonds unter den Namen „Prosperity“ and „Serenity“ als Kombinationsprodukt gelauncht. Was steckt hinter dem Konzept?

Die Idee entstand im Austausch mit den Kollegen von unserem Pensionsfonds, sprich unserer Altersvorsorge, die sehr viel mit mittelständischen Unternehmern zu tun haben. Letztere haben immer wieder das Problem, dass die Pensionsverpflichtung auf die Unternehmung drückt. Man möchte sie gerne von der Bilanz nehmen, sei es aus Gründen der Unternehmensnachfolge, aus Verkaufsgründen oder wegen einer Restrukturierung. Oder man möchte seine eigene Altersvorsorge sichern und aus dem Unternehmen herauslösen. Die täglichen Herausforderungen eines Unternehmers liegen indes ganz woanders und sind im letzten Jahr nicht kleiner geworden. Refinanzierungskosten, wo bekomme ich Rohstoffe und wo die richtigen Mitarbeiter her und wie gehe ich mit der Regulierung um? Das allein ist schon ein Full-Time-Job und jetzt kommt noch jemand daher und fragt, ob man gerne mehr Small Caps möchte oder einen Momentum Tilt im Qualitybereich bevorzugt? Ganz ehrlich, das möchte man einem Unternehmer nicht zumuten. Für sie ist es am besten, wenn ihnen die Vermögensanlage nicht zu viel Aufwand bereitet. Und genau hier setzt unser Fondskonstrukt an. Es zielt darauf ab, mit wenigen Entscheidungsgrößen, aber so individuell wie möglich, für jede einzelne Unternehmerpersönlichkeit etwas zu bauen, das die Grundprämisse enthält, so breit wie möglich zu diversifizieren und Risikoquellen zu streuen, auch wenn nicht alles zur selben Zeit aufgehen wird.

Mit der Auswahl eines einzigen Fonds entscheidet man sich einmal für eine ganz bestimmte Strategie und Risikostruktur. Mit den beiden neuen Fondsbausteinen, die beide nach dem gleichen Ansatz gemanagt werden, hat nun jeder Investor die Möglichkeit, sein ganz eigenes Rendite- und Risikoprofil zusammenzustellen.  Der eine Baustein Serenity, was übersetzt so viel wie Gelassenheit heißt,  verfolgt eine äußerst konservative Assetallokation mit ausgewählten Aktien, Anleihen und alternativen Anlagen, die möglichst nicht zeitgleich Probleme bereiten, so dass man die Diversifikation möglichst schwankungsarm umsetzen kann. Doch nicht jeder Unternehmer will Risiken – und die sich damit ergebenden Renditen – ausschließen, sondern möchte bei den teils sehr langfristigen Pensionsverpflichtungen auch entsprechende hohe Erträge für die zur Seite gelegten Gelder erhalten. Dafür haben wir den zweiten Fondsbaustein Prosperity, was man am besten mit Wohlstand übersetzen kann, aufgelegt, bei dem es um eine hohe Ertragserwartung mit entsprechend hohen Schwankungen einhergeht.

Und jetzt könnte sich der Unternehmer sagen, ich nehme entweder das eine oder das andere Extrem. Das wäre uns zu kurz gegriffen. Es gibt diese beiden Bausteine, die nach derselben Idee, aber mit jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung gemanagt werden. Und aus diesen kann sich jeder nach seinen Bedürfnissen wie mit einem Schieberegler eine passgenaue Mischung erstellen. Ich vergleiche das gerne mit einer Apfelsaftschorle. Wenn ich Mineralwasser trinke, weiß ich, was ich habe. Da gibt es null Säure, null Zucker, aber auch keinen Geschmack. Oder ich trinke Apfelsaftkonzentrat. Da habe ich alles in Extremform. Weder das eine, noch das andere bereitet viel Vergnügen und die meisten finden sich irgendwo dazwischen. Übertragen auf den Kapitalmarkt bedeutet das, wie viel Rendite strebe ich für meine Altersversorgung an und wie viele schlaflose Nächte bin ich bereit zu ertragen? Mit den beiden Bausteinen kann ich jedem Investor eine Kombination bieten, die exakt zu den individuellen Wünschen hinsichtlich der erwarteten Rendite passt.

Wie funktioniert das denn konkret? Wache ich morgens auf und sage, heute möchte ich mehr Serenity und morgen mehr Prosperity?

Also theoretisch ja, weil beide Produkte täglich handelbar sind. Allerdings ist das ein rein unwahrscheinlicher Fall, weil die meisten mit einer gewissen Zusammenstellung sehr zufrieden sind, und die wird man auch sehr lange durchführen. Aber da die Wertentwicklung der beiden Fonds sehr unterschiedlich ist, lohnt es sich vielleicht einmal im Jahr drauf zu schauen und sich zu fragen, ob einem die Mischung so noch passt oder ob sich die Prämissen verändert haben. Aber die eigentliche Idee ist auch hier, den Prozess so effizient wie möglich zu gestalten. Die Grundidee ist die breite Streuung und das ist mit beiden Bausteinen gewährleistet, der eine riskanter, der andere weniger riskant. Und die Umsetzung ist einfach, weil ich immer nur zwei Bausteine anfassen muss. Ich muss also nicht ein Einzeldepot mit verschiedensten Bausteinen, Einzeltitel, Aktien usw. hin und her handeln, sondern ich kann das Ganze sehr schlank mit zwei Positionen steuern.

Aus welchen Bausteinen setzen sich die beiden Fonds denn zusammen?

Beide Fonds haben dieselbe Anlagephilosophie und Herangehensweise, aber ihre Struktur unterscheidet sich. Wir haben in beiden klassisch die entwickelten Aktienmärkte dieser Welt mit ETFs und Futures und wir haben Staatsanleihen in verschiedenen Regionen, aber auch Rohstoff-, Immobilien- und Infrastrukturinvestments sowie Hedgefonds oder auch mal Listed Private Equity. Und darüber hinaus generieren wir noch Zusatzerträge über Derivate, Konstrukte und Optionen. Die Frage ist, wie man die einzelnen Bausteine jeweils so kombiniert, dass man in dem einen Fall nicht zu viel riskiert und in dem anderen Fall zwar riskiert, aber sicherstellt, möglichst viel Ertrag dafür zu bekommen. Mit anderen Worten, im einen steht das Risiko mehr im Vordergrund, im anderen steht der Ertrag im Vordergrund. Und die Portfoliomanager wählen unterschiedliche Komponenten in unterschiedlichen Gewichtungen aus.

Also vom Prinzip her klassische Diversifikation.

Richtig. Wie bereits gesagt, sind diese beiden Produkte für sich nichts Außergewöhnliches. Es geht uns aber auch nicht darum, etwas neu zu erfinden, was kein anderer macht. Denn wenn das kein anderer macht, hat das Gründe. Ich möchte etwas haben, was erprobt funktioniert. Die beiden Bausteine, die wir haben, bilden eine Gesamtlösung für unsere Unternehmer, die ihre Altersvorsorge strukturieren wollen und die Idee der Diversifikation verstehen, sich aber nicht täglich darum kümmern wollen, und die wegen ihrer geringen Größe vielleicht keinen Vermögensverwalter haben, aber sich eine ähnliche Herangehensweise wünschen und die gleiche Individualisierbarkeit zu ihren persönlichen Präferenzen haben wollen. Und genau dafür haben wir eine Lösung geschaffen.

Das klingt für mich nach einer idealen Einsatzmöglichkeit für KI. Gestalten Sie die Betreuung mit einem Algorithmus?

Also es ist eine Mischung. Wir wollten eine gewisse Stabilität haben und eine gewisse Nachvollziehbarkeit. Deswegen haben wir in den Fondsbausteinen einen quantitativen, regelbasierten Ansatz gewählt, wenngleich der Computer ein Hilfsmittel und nicht der Fondsmanager ist. Das Fondsmanagement geschieht aus Paris heraus. Und bei gewissen Anlageallokationsentscheidungen fließt unsere Marktmeinung mit hinein und da verlässt man dann den strengen, regelbasierten Bereich. Es ist jedoch nicht so, dass da morgens jemand in Paris aufsteht und sagt, heute müssen wir Aktien kaufen. Das ist es nicht, sondern es handelt sich um quantitative Research mit einer gewissen menschlichen Komponente.

Wie entwickelt sich Ihr Auftritt am deutschen Markt und welche Pläne verfolgen Sie hier?

Wir haben 2022 natürlich eine Phase erwischt, in der es ein bisschen Gegenwind durch die Märkte gab. Man sieht das auch an den Absatzzahlen. Deswegen freut es mich umso mehr, dass wir definitiv Zuflüsse haben. Das kann kaum ein Asset Manager sagen. Allerdings läuft es in der Dachregion, für die ich Gesamtverantwortung habe, sowieso sehr gut. Das Geschäft hat sich gut entwickelt. Wir haben im letzten Jahr unser Schweizer Büro mit zwei Personen eröffnet. Auch dort haben wir sehr guten Anklang, im institutionellen wie auch im Bankenbereich. Wir haben auch mit den großen Vermögensverwaltungseinheiten sehr guten Erfolg. Das liegt an unserer sehr breiten Palette, weil wir ja durch den Zukauf oder die Gründung von neuen Investmentboutiquen, die auch Bereiche wie Immobilien und Infrastruktur abdecken, Kapazitäten haben, die sehr breit sind. Wir haben Liquid Alternatives aber auch ganz klassisch Eurostaatsanleihen im Programm. Da sind wir mit dem Versicherer im Hintergrund sehr gut positioniert und das kommt uns im aktuellen Umfeld entgegen. Wir wollen auch gerade eine weitere Person für das deutsche Büro einstellen. Insofern sind wir insgesamt auf Spur.

Glauben Sie, dass 2024 ein besseres Jahr für Anleger wird?

Ich formuliere es mal so: Ich bin absolut sicher, dass man auch 2024 sehr interessante Anlagemöglichkeiten finden wird. Das ist die Natur des Kapitalmarkts und solange der funktioniert, wird es auch so bleiben. Es werden sich immer wieder Chancen bieten, meistens an Stellen, wo man sie vorher nicht erwartet hat. Denn wenn wir volatile Zeiten haben, mit anderen Worten viel Unsicherheit, gibt es automatisch große Schwankungen. Und diese Unsicherheit wird uns sicherlich noch eine ganze Weile begleiten. Wer rational an die Sache geht, wird einen günstigeren Markt und einen günstigeren Einstiegszeitpunkt mögen. Und ich glaube, dass wir im Laufe des Jahres 2024 noch sehr viele günstige Einstiegszeitpunkte sehen werden.

Herr Bannier, wir danken Ihnen für diese interessanten Einblicke!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUR PERSON

Stephan Bannier
Foto: © Generali Investments Partners

Stephan Bannier, CFA, ist Head of DACH Sales bei Generali Investments Partners und in dieser Funktion seit Anfang 2021 für den Ausbau der Vertriebskapazitäten auf dem deutschen, österreichischen und schweizerischen Markt verantwortlich. Generali Investments Partners greift auf ein breites Spektrum unabhängig agierender Investmentgesellschaften innerhalb des Konzerns zurück.

www.generali-investments.de

 

 

 

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen. Zum E-Paper geht es hier. 

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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