Die Natur als Vermögenswert sehen

Klimaschutz und Profit sind zwei Seiten derselben Medaille

Text betont, warum Unternehmer die Natur als Vermögenswert betrachten sollten, insbesondere am Beispiel des deutschen Waldes.
Foto: ©Carles - AdobeStock

Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben bei vielen Unternehmern und Managern nicht den besten Ruf: lähmende Berichtspflichten, hohe Erwartungen der Öffentlichkeit und Ablenkung vom Kerngeschäft. Doch diese Sichtweise ist nur die halbe Wahrheit. Unternehmer und ihre Firmen sollten die Natur als Vermögenswert sehen – und sie entsprechend schützen, aber vor allem davon profitieren. 

Am einfachsten erklären lässt sich diese Sichtweise am Beispiel Wald. Rund 29% der Landfläche Deutschlands sind Waldflächen, beinahe die Hälfte dieser Wälder ist in Privatbesitz. Unternehmerfamilien, Adelshäuser, aber auch zahlreiche Privatpersonen sind Eigentümer dieser Flächen, vom wenige Hektar großen Flecken bis hin zu mehreren Tausend Hektar umfassenden Liegenschaften.

Viele werden jetzt zunächst an die immensen Schäden denken, die Extremwetter und Schädlingsbefall in den vergangenen Jahren hinterlassen haben. Richtig ist, dass viele Waldbesitzer vor der Aufgabe stehen, große Aufforstungsprojekte zu stemmen, um ihre Waldflächen klimaresilienter zu machen. Und angesichts teils hoher Schadenquoten – die Rede ist von bis zu 70% Schadholz in den Beständen manchen großen Eigentümers – ist die finanzielle Belastung so groß, dass Aufforstungsprojekte verzögert werden oder liegen bleiben.

Umso erstaunlicher ist es, dass viele Waldbesitzer in Deutschland die Potenziale ihrer Forstflächen nicht ausschöpfen. Dabei besteht die Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit von Aufforstungsprojekten deutlich zu verbessern und die kurzfristige finanzielle Belastung zu reduzieren. Den Schlüssel dazu bietet der Markt für sogenannte freiwillige CO2-Zertifikate. Diese Zertifikate können sowohl für Waldbesitzer als auch Unternehmer und Investoren äußerst wertvoll sein.

Landläufig bekannt ist vor allem der staatlich regulierte Emissionsrechtemarkt, an dem CO2-intensive Unternehmen wie Energieversorger oder auch einige Industrieunternehmen zur Teilnahme verpflichtet sind. Der Grundgedanke ist, dass eine vom Regulator definierte und über die Jahre sinkende Menge an Emissionsrechten von den Unternehmen gekauft und gehandelt wird, sodass unter dem Strich ein Anreiz entsteht, Emissionen zu senken.

Im anderen, dem freiwilligen Markt, werden die CO2-Zertifikate nicht vom Regulator generiert, sondern von privaten Initiatoren von Klimaschutzprojekten. Das können Urwaldprojekte im Amazonas sein, regenerative Landwirtschaft in Indien – oder eben die Wiederaufforstung von Flächen im Bayerischen Wald oder andernorts in Deutschland.

Klimaschutzprojekte generieren wertvolle CO2-Zertifikate

Das Prinzip ist einfach: Der Eigentümer des Projekts lässt dieses von einem der unabhängigen Auditor und Zertifizierer im Markt überprüfen und die Emissionsreduktion oder -einsparung berechnen. Im Anschluss werden Zertifikate über jeweils eine Tonne aus der Atmosphäre entferntes CO2 beziehungsweise vermiedener CO2-Emissionen ausgestellt. Und dieses Zertifikat kann der Projekteigentümer verkaufen – entweder im Direktgeschäft „over the counter“ oder über eine der wenigen Handelsplattformen in diesem Markt.

Für Zertifikate aus hochwertigen Aufforstungsprojekten im deutschsprachigen Raum werden aktuell Preise von rund 50 bis 60 EUR gezahlt. Gleiches gilt auch für Vorhaben, bei denen frühere Moorflächen, die heute landwirtschaftlich genutzt werden, wieder vernässt werden. Der Eigentümer des Projekts generiert damit zusätzliche Einnahmen, mit denen er die Wirtschaftlichkeit seines Projekts verbessert und damit mehr freie Mittel für weitere Projekte hat. Mehr Projekte bedeuten wiederum besseren Klimaschutz, sodass auch die Umwelt von diesen Geschäften profitiert.

Als Käufer treten an diesem freiwilligen CO2-Zertifikatemarkt sowohl Investoren als auch Unternehmen auf, die den CO2-Fußabdruck ihres Portfolios oder ihrer Wertschöpfungskette freiwillig reduzieren wollen. Außerdem sind CO2-Zertifikate auch als finanzielles Investment – also mit der Aussicht auf steigende Preise – zunehmend interessant, je weiter der Markt reift.

Die Krux liegt allerdings in der Qualität der Klimaschutzprojekte, die den CO2-Zertifikaten zugrunde liegen. In der Vergangenheit haben einige Investoren und Unternehmen solche Zertifikate in bester Absicht erworben und damit vermeintlich einen positiven Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Später stellte sich heraus, dass sie die Pflanzung von Monokulturen in früheren Regenwaldgebieten mitfinanziert oder Gaskochstellen in Afrika ermöglicht haben, die mangels Gasversorgung nie benutzt werden konnten. Das Investment in CO2-Zertifikate von zweifelhafter Qualität kann also für Anleger und Investoren schnell zu einem großen Reputationsrisiko werden.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass es im Markt zu einer erbarmungslosen Auslese kommt. Käufer werden auf lange Sicht nur noch Zertifikate aus Projekten erwerben, deren Nutzen für das Klima unzweifelhaft ist und deren Qualität nach höchsten Standards bewertet und bestätigt wird. Hierbei geht es nicht nur um die CO2-Senkleistung, sondern vermehrt auch um Biodiversität, natürliche Ressourcen wie Wasser und positive soziale Aspekte.

Hier kommt wieder der deutsche Wald ins Spiel. Aufforstungs- oder Umforstungsprojekte leisten erwiesenermaßen einen Beitrag zum Klimaschutz, zumal wenn sie gemäß strikten Standards umgesetzt und dokumentiert werden. Solche Standards geben unter anderem vor, wie lange der Holzeinschlag in den zertifizierten Projekten unterbleiben muss, damit die gepflanzten Bäume ihren Klimanutzen voll entfalten können.

Deutscher Wald als Paradebeispiel für gewinnbringenden Naturschutz

Ein weiterer Vorteil heimischer Projekte besteht darin, dass die Unternehmen oder Anleger, die die Zertifikate erwerben, die Flächen bei Interesse sogar selbst besichtigen können. Ungeachtet dessen ist es aus Gründen der Effizienz empfehlenswert, nur Zertifikate zu erwerben, die einer wissenschaftlich basierten und datengetriebenen Qualitätskontrolle standhalten können, etwa mithilfe von Sattelitendaten, Remote Sensing und einer künstlichen Intelligenz – denn nur eine wasserdichte Qualitätskontrolle schützt die Käufer der Zertifikate vor Greenwashing und gibt den Projektinitiatoren damit überzeugende Argumente an die Hand.

Wer am nächsten Sonntag einen Spaziergang durch ein nahegelegenes Waldstück macht, der sollte sich bewusst machen: Wald ist nicht nur Naherholungsgebiet, Habitat für zahlreiche Tiere und natürlicher Klimaschützer – er ist auch ein Vermögenswert, der

  • von seinem Eigentümer effizient bewirtschaftet werden will,
  • eine sinnvolle Möglichkeit für Unternehmen bietet, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, wenn dies mit Veränderungen im Kerngeschäft nicht sinnvoll möglich ist, und
  • ein attraktives langfristiges Investment für Anleger darstellt, die finanzielle Ziele mit Nachhaltigkeit verknüpfen wollen.

Und der Wald ist dabei nur das naheliegendste Beispiel. Die Ozeane, Seen und Flüsse, Landwirtschaft und Moore wären weitere.

FAZIT

Ein wesentliches Instrument, um die Natur als Vermögenswert zu erschließen, ist der CO2-Zertifikatemarkt. Es gibt weitere Möglichkeiten, und es steht zu hoffen, dass sich noch mehr Instrumente am Markt entwickeln werden. Entscheidend ist die Veränderung der Perspektive: Die Natur ist nichts, was man nur aus edlen Motiven schützen sollte – vielmehr ist sie der wohl wichtigste Vermögenswert, den es auf der Welt gibt und auf den jeder Unternehmer in der einen oder anderen Form letztlich angewiesen ist. Diesen Wert zu schützen und ihn zugleich ideal zu bewirtschaften wird damit zu einer unternehmerischen Kernaufgabe.

Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe 4/2023 der Unternehmeredition mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen. Zum E-Paper geht es hier.

Autorenprofil
Ebrahim Attarzadeh
Ebrahim Attarzadeh

Ebrahim Attarzadeh ist Gründer und CEO des Greentechunternehmens Callirius und nimmt verschiedene Mandate als Aufsichtsrat wahr. Geboren im Iran und aufgewachsen im Sauerland, begann seine Karriere bei der Deutschen Bank. Später wurde er CEO der mittelständischen Investmentbank MainFirst und blieb auf diesem Posten auch nach Übernahme durch die US-Bank Stifel.

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