Versicherungsteuer: Vom Exoten zur Steuer mit hohem Risikopotential

Auch für mittelständische Unternehmen gewinnt die Versicherungsteuer an Bedeutung

Die Versicherungsteuer ist immer häufiger Gegenstand von Betriebsprüfungen in der Finanzdienstleistungsbranche. In zahlreichen Fällen betritt dabei das für die Versicherungsteuer zuständige Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in seiner Argumentation steuerrechtliches Neuland. Diese Herangehensweise birgt auch für Unternehmen, die keinen Bezug zum klassischen Versicherungsgeschäft haben, unter Umständen hohes Risikopotential.

Als Verkehrsteuer zielt die Versicherungsteuer darauf ab, den Geldumsatz, also die Bezahlung des Versicherungsbeitrags an den Versicherer, zu besteuern. Damit ist das Versicherungsverhältnis nicht selbst Gegenstand der Steuer, sondern lediglich Voraussetzung für den steuerpflichtigen Bezahlvorgang. Sofern keine Steuerbefreiung eingreift, unterliegt das Versicherungsentgelt einem Regelsteuersatz von 19%. Die Versicherungsteuer hat dabei erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für Unternehmen, da sie anders als bei der Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann und somit einen bleibenden Kostenfaktor darstellt.

Geschuldet und letztlich wirtschaftlich getragen wird die Versicherungsteuer vom Versicherungsnehmer. Die Pflicht, die Steuerbeträge an die Finanzverwaltung zu entrichten, trifft jedoch regelmäßig den Versicherer. Unternehmen außerhalb der Versicherungsbranche hatten in der Vergangenheit folglich mit der Versicherungsteuer wenig Berührungspunkte und mussten sich damit mehrheitlich nicht auseinandersetzen. Mit Blick auf ihren relativ geringen Anteil am gesamten Steueraufkommen des Staates von rund 2% (Stand: Jahr 2020) erscheint die Versicherungsteuer als „Exotensteuer“.

Steigende Relevanz für Unternehmen

Diese Sachlage dürfte sich zwischenzeitlich geändert haben. Das seit dem 1. Juli 2020 für die Erhebung und Prüfung der Versicherungsteuer zuständige BZSt ist zunehmend bestrebt, auch Geschäftsmodelle und Dienstleistungen, die keinen direkten Bezug zum klassischen Versicherungsgeschäft aufweisen, der Versicherungsteuerpflicht zu unterwerfen. Gerade für Finanzdienstleistungsunternehmen, deren Geschäftskonzept häufig auch die Absicherung von finanziellen oder sonstigen wirtschaftlichen Risiken umfasst, entwickelt sich die Versicherungsteuer damit zu einer Steuer mit hohem Risikopotential. Daneben steigt deren Bedeutung auch für mittelständische Unternehmensgruppen.

Fragestellungen aus der Betriebsprüfungspraxis

Um eine Versicherungsteuerpflicht insbesondere von Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche zu begründen, stellt die Finanzverwaltung in ihrer aktuellen Betriebsprüfungspraxis verschiedene Besteuerungsmerkmale in Frage beziehungsweise legt diese weiter aus.

Dabei wird zum einen angezweifelt, ob eine Gefahrengemeinschaft, wie bislang von der Rechtsprechung angenommen, zwingendes Merkmal für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses ist. Demnach soll bereits eine Vereinbarung zur Übernahme fremder Risiken mit nur einem einzigen Vertragspartner − bei Finanzdienstleistungsunternehmen zwecks konzerninterner Verteilung von Risiken nicht selten anzutreffen − ein steuerpflichtiges Versicherungsverhältnis begründen. Diese Ansicht widerspricht jedoch dem Prinzip des personenübergreifenden Risikoausgleichs auf Ebene des Versicherers. Für die Begründung eines Versicherungsverhältnisses ist es ebenfalls nicht hinreichend, wenn der vermeintliche Versicherer zwar das Risiko nur eines Vertragspartners übernimmt, dieses Risiko aber aus einer Vielzahl objektiver Einzelrisiken besteht. Aus der einschlägigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich insofern ableiten, dass die bloße Zusammenfassung von mehreren, aus einer Vielzahl von Verträgen resultierenden objektiven Risiken eines einzigen Risikoträgers nicht für die Begründung einer Gefahrengemeinschaft genügt.

Zusammenspiel von Umsatz- und Versicherungsteuer

Ein weiteres aktuelles Diskussionsthema ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Umsatz- und Versicherungsteuer. Liegt nach umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten eine umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung mit unselbstständiger Nebenleistung vor, folgt das Versicherungsteuergesetz dieser steuerlichen Einordnung. Dementsprechend kann eine Leistung, wenn sie für sich betrachtet die Merkmale einer Versicherung aufweist, als eine nicht als „Versicherung“ zu beurteilende Leistung zu behandeln sein, wenn die eigentliche Versicherungsleistung lediglich unselbständiger Bestandteil eines ganzen Leistungsbündels ist. Vor diesem Hintergrund neigt die Finanzverwaltung in Betriebsprüfungen derzeit dazu, das Vorliegen eines Leistungsbündels zu verneinen.

So wird beispielsweise die Auffassung vertreten, eine mit einer Zahlungsdienstleistung verbundene Forderungsabsicherung sei als von dieser unabhängig zu betrachten und als Versicherungsverhältnis der Versicherungsteuer zu unterwerfen. Fragwürdig ist diese Vorgehensweise insbesondere in Fällen, in denen die Forderungsabsicherung nicht als eigenständige Leistung angeboten wird, sondern ausschließlich im Bündel mit der jeweiligen Zahlungsabwicklung und für den Fall, dass erst die Forderungsübernahme eine optimale Inanspruchnahme der Zahlungsdienstleistung gewährleistet.

Originäre und übernommene Risiken

Für die Frage, ob ein Versicherungsverhältnis begründet wird, ist ferner stets zwischen originären Risiken des Versicherers und übernommenen Risiken des Vertragspartners zu unterscheiden. Das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses setzt einen Risikotransfer voraus, das heißt die Übernahme eines zunächst in der Person des Versicherungsnehmers vorhandenen Risikos durch den Versicherer. Trifft den Versicherer bereits eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht (beispielsweise in Form eines Schadensregresses), handelt es sich hingegen um sein eigenes Risiko, sodass ein Risikotransfer und damit ein Versicherungsverhältnis ausgeschlossen ist. In aktuellen Betriebsprüfungen greift das BZSt auch diese ökonomische Grundidee an.

FAZIT

Betritt das BZSt in versicherungsteuerlichen Außenprüfungen insbesondere bei Finanzdienstleistungsunternehmen rechtliches „Neuland“ und behauptet im konkreten Fall ein Versicherungsverhältnis, sollten betroffene Unternehmen dies kritisch hinterfragen. In zahlreichen Fallkonstellationen kann dieser Auffassung mit Argumenten aus der einschlägigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der versicherungsteuerrechtlichen Dogmatik entgegengetreten werden. Im Zweifel ist die Fragestellung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

Autorenprofil
Dr. Sven Christian Gläser

Dr. Sven Christian Gläser ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart. Er berät mittelständische Unternehmen und Unternehmensgruppen in Fragen der steuerlichen Compliance wie auch bei Gestaltungsthemen. Zudem begleitet er seine Mandanten in Betriebsprüfungen sowie in Rechtsbehelfs- und Klageverfahren. Er ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Pforzheim für steuerliches Verfahrensrecht und als Referent in fachlichen Veranstaltungen u.a. des DAI sowie als Autor zahlreicher Fachpublikationen insbesondere zum Außensteuerrecht gefragt.

 

 

Autorenprofil
Dr. Christian Steffens

Dr. Christian Steffens ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Director bei Ebner Stolz in Stuttgart. Er berät mittelständische Unternehmen und Unternehmensgruppen bei nationalen und internationalen Umstrukturierungen. Zudem befasst sich Herr Dr. Steffens mit handels- und steuerbilanziellen Zweifelsfragen. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Fachpublikationen und Mitglied im Center of Competence Kapitalgesellschaften und Umwandlungen bei Ebner Stolz.

 

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