TTIP für die deutsche Wirtschaft?

Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter der US-Regierung und der Europäischen Kommission über das Freihandelsabkommen TTIP. Ob alles gut wird, ist noch umstritten: Bei den Themen Verbraucher- und Investorenschutz prallen Welten aufeinander.

Gentechnik und Chlorhühnchen

Eine besondere Sorge hegen Skeptiker, dass gemeinsame Regeln sich am jeweils niedrigsten Standard orientieren könnten. Viel zitiertes Beispiel ist die Hühnerzucht, bei der das Federvieh in den USA zur Abtötung von Keimen mit Chlor behandelt wird. Das ist in Europa ebenso verboten wie die Massenaufzucht von Rindern mit hormonhaltigen Nahrungsmitteln. Die EU versichert allerdings, sie werde ihre hohen Standards weder bei Chlorhühnchen noch bei Fracking oder Genfood zur Verhandlung stellen. Doch Skeptiker wittern schon Ungemach, wenn TTIP amerikanische Unternehmen von der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte auch am europäischen Markt ausnehmen würde. Denn deutsche Unternehmen, die zur Kennzeichnung verpflichtet sind, hätten dann einen Wettbewerbsnachteil und die Verbraucher keine Orientierung mehr darüber, welche Produkte denn nun gentechnikfrei sind. Ebenso wächst die Sorge, dass Gentechnik-Konzerne vom deutschen Staat künftig Schadensersatz dafür fordern könnten, weil sie ihr Saatgut hier nicht anbauen dürfen. Nicole Stocker, Geschäftsführerin der mit ihren Bauernbroten aus ökologischer Herstellung erfolgreichen Hofpfisterei in München, fürchtet das Schlimmste. „Deutsche Politiker kommen den Lobbyisten global agierender Agrarkonzerne immer weiter entgegen, obwohl 80 Prozent der Deutschen Gentechnik in der Landwirtschaft strikt ablehnen“, sagt die Unternehmerin.

Schiedsgerichte für den Investorenschutz

Umstritten ist auch die Ausgestaltung der in TTIP angestrebten Investorenschutzklausel. Sie soll Unternehmen, die sich durch den Staat um Erträge ihrer Investitionen gebracht sehen, die Klage vor unabhängigen Schiedsgerichten ermöglichen. Gute Gründe kann es dafür allemal geben. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall etwa hatte kurz vor der Atomenergiewende der Bundesregierung noch ein AKW erneuert und klagt nun aufgrund einer Investitionsschutzklausel in der Energiecharta vor einem Schiedsgericht mehrere Milliarden Euro ein. Was viele jedoch stört, ist die mangelnde Transparenz solcher Schiedsverfahren. Als Richter nämlich sind beim TTIP private Anwälte vorgesehen, auf die sich beide Seiten einigen. Dass die nationale Gerichtsbarkeit außen vor bleibt, muss aus Sicht der Unternehmen jedoch nicht von Nachteil sein. „Im Ausland wäre uns als Deutschen ein Schiedsgericht oft lieber“, sagt Bernd Supe-Dienes vom Werkzeughersteller Dienes Werke für Maschinenteile. Er verweist zudem darauf, dass TTIP eine Art Blaupause für künftige Handelsabkommen werden könnte. „Bei Ländern, die zum Beispiel kein Rechtsstaat sind, wird man auf Schiedsgerichte zurückgreifen wollen“, sagt der Unternehmer.

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