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Noch kein Grund zur Beunruhigung

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.

Anfang dieses Jahres sah die Welt für die Private-Equity-Branche in Deutschland noch rosig aus. Sie hatte 2015 mit 15,7 Mrd. Euro so viel Kapital in Beteiligungen gesteckt wie seit 2007 nicht mehr und damit das schon gut gelaufene Vorjahr mit seinem Transaktionswert von 10,2 Mrd. deutlich übertroffen. Die hohe Bewertung des Aktienmarktes, anhaltend hoher Anlagedruck und günstige Finanzierungsmöglichkeiten waren die maßgeblichen Faktoren, die für ein Investment sprachen. Hinzu kam die Attraktivität Deutschlands in Hinsicht auf seine Infrastruktur, seine gut ausgebildeten Fachkräfte und die damit einhergehenden günstigen Aussichten für Wachstum und Expansion der Unternehmen.

Es verwunderte daher nicht, dass viele Kenner der Szene Anfang 2016 eine Fortsetzung der Aufwärtsentwicklung erwarteten. Seither hat sich an den Rahmenbedingungen nicht viel geändert – der Schwächeanfall an der Börse war von recht kurzer Dauer, der DAX strebt schon seit einiger Zeit wieder nach oben. Tatsächlich aber hat sich nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft EY die Konjunktur im Private-Equity-Geschäft seither abgeschwächt. In ihrer jüngsten Studie über den Transaktionsmarkt für Private Equity im ersten Halbjahr hat sie ermittelt, dass die Zahl der Transaktionen im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr von 77 auf 64 gesunken ist. Deutlicher noch fällt der Rückgang beim Volumen aus. Wertmäßig wurden von Januar bis Juni Deals über lediglich fünf Mrd. Euro beschlossen. Das entspricht einem Rückgang von immerhin 41 Prozent.

Scharfe Konkurrenz durch Corporates

„Der Transaktionsmarkt läuft gut, aber die Finanzinvestoren kommen seltener zum Zuge, weil die Konkurrenz der Industrieunternehmen so stark ist“, kommentiert der für das Transaktionsgeschäft zuständige EY-Partner Alexander Kron den Rückgang. Einerseits sei das Interesse von Finanzinvestoren an deutschen Unternehmen unverändert hoch, andererseits seien Industrieunternehmen aber häufiger bereit, die geforderten hohen Kaufpreise zu bezahlen.

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.


„Private-Equity-Investoren können die aktuelle Preisspirale nicht immer mitgehen, wenn sie ihre Renditeziele nicht aus den Augen verlieren wollen“

Wolfgang Taudte, Partner Ernst & Young


Immer öfter kommen diese Corporates dieser Tage aus China. Jüngere Beispiele sind die Übernahme des Augsburger Roboterspezialisten Kuka durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea oder die Rettung des Traditionsunternehmens Metz durch den chinesischen Elektronikkonzern Skyworth. Vor allem getrieben durch die milliardenschwere Kuka-Übernahme stieg das Volumen der Investitionen chinesischer Unternehmen im ersten Halbjahr nach EY-Berechnungen auf 10,8 Mrd. US-Dollar. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 beliefen sich die Investitionen auf 526 Mio. US-Dollar. Mit insgesamt 37 getätigten Akquisitionen in der ersten Hälfte 2016 bleibt Deutschland das bevorzugte Investitionsziel chinesischer Unternehmen. Sie versprechen sich von ihren Zukäufen einen breiteren Marktzugang zur kräftigsten Volkswirtschaft in Europa. Dafür sind sie offenbar bereit, Preise zu zahlen, die anderen Investoren als astronomisch gelten. Das Angebot für Kuka sah beispielsweise einen Aufschlag von 35 Prozent auf den Aktienkurs vor.

„Private-Equity-Investoren können die aktuelle Preisspirale nicht immer mitgehen, wenn sie ihre Renditeziele nicht aus den Augen verlieren wollen“, sagt EY-Partner Wolfgang Taudte. Deshalb hätten sie naturgemäß keinen so langen Atem. Die hohen Preise kommen in Deutschland aber nicht nur dadurch zustande, dass die Chinesen sich ihren jeweiligen Markteintritt ohne langes Zögern viel kosten lassen. Ein weiterer Grund ist der schon lange anhaltende große Mangel an geeigneten Unternehmen, die zum Verkauf stehen. Die Nachfrage nach Übernahmen übersteigt demnach das Angebot. Beim Verkaufspreis haben also die Verkäufer das Sagen.

Einschränkend ist bei der Betrachtung des chinesischen Engagements in Deutschland zu berücksichtigen, dass nicht immer eine Konkurrenzsituation zwischen einem industriellen und einem Finanzinvestor vorliegt. Nicht bei jeder chinesischen Übernahme muss daher notwendigerweise ein Private-Equity-Unternehmen den Kürzeren gezogen haben.

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.

Rekord bei Verkäufen an Industrieunternehmen

Auf der Käuferseite der Exits von Private-Equity-Unternehmen standen noch nie so viele Industrieunternehmen wie im ersten Halbjahr 2016, berichten die Berater bei EY. Sie haben 35 gezählt, einen mehr als im Vergleichshalbjahr des Vorjahres. Der Wert dieser Transaktionen hat sich in diesem Zeitraum sogar mehr als verdreifacht: von 2,4 auf acht Mrd. Euro. Das ist EY zufolge der höchste jemals in Deutschland erzielte Wert. Gleichzeitig gingen sowohl Zahl als auch Wert der Veräußerungen an andere Finanzinvestoren zurück. Die Zahl dieser sogenannten Secondaries sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 15 auf zwölf, ihr Wert von 6,2 auf 1,2 Mrd. Euro.

Diese Darstellung steht allerdings im Kontrast zu einer aktuellen Erfassung der Private-Equity-Transaktionen durch den Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Danach waren es im ersten Halbjahr 2016 bei den größten Deals vor allem Finanzinvestoren, die Unternehmen an andere Finanzinvestoren weitergereicht haben. Solche unterschiedlichen Ergebnisse können vorkommen, weil die Datenbasis unübersichtlich ist. Gerade bei Transaktionen außerhalb eines Börsenumfelds ist in der Regel niemand verpflichtet, Transaktionen und deren Wert öffentlich zu machen.

Keine große Sorge vor dem Brexit

Die Aussicht auf einen Austritt Großbritanniens aus der EU hat den Private-Equity-Markt in Deutschland bislang kaum irritiert. Offensichtliche Nachteile können Marktbeobachter hierzulande durch den Brexit derzeit noch nicht erkennen. „In Deutschland sehen wir keine dramatischen Bremsspuren auf dem Finanzierungsmarkt“, sagt Rainer Langel, Deutschlandchef der Macquarie Bank. Das australische Institut legt in Deutschland neben der Unternehmensberatung einen Fokus auf das Infrastrukturfondsgeschäft und hat bislang rund zehn Mrd. Euro investiert.

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.


„In Großbritannien ist das ein komplett anderes Spiel als in Deutschland. Da ist nichts mehr wie vor dem Brexit.”

Rainer Langel, Deutschlandchef der Macquarie Bank


Im Immobiliensektor zeichnen sich sogar positive Effekte ab. Von einem möglichen Zuzug britischer Finanzinstitute nach Frankfurt verspricht sich die Branche einen zusätzlichen Aufschwung. Auch bei Private-Equity-Geschäften wäre den Experten zufolge zwar grundsätzlich eine Zunahme der Attraktivität deutscher Unternehmen denkbar. Hier ist allerdings das Preisniveau schon seit geraumer Zeit sehr hoch. Britische Private-Equity-Gesellschaften kommen heute schon angesichts der Knappheit der angebotenen Firmen selten genug zum Zuge.

Im Gegensatz zum deutschen Markt sieht Macquarie-Vertreter Langel die Zukunft des britischen Markts mit Skepsis: „In Großbritannien ist das ein komplett anderes Spiel als in Deutschland. Da ist nichts mehr wie vor dem Brexit. Da steht man jetzt vor ganz anderen Risiken, Währungsrisiken beispielsweise.“ Alle Finanzierungen, die vor dem Brexit in der Vorbereitung waren, müssten jetzt noch einmal an die Gremien zurück, um zu verifizieren, ob die Banken noch bereit seien, die Finanzierung sicherzustellen.

Macquarie bietet derzeit eine ganze Reihe von heimischen Unternehmen zum Verkauf an. Keines davon ist in größerem Umfang geschäftlich in Großbritannien engagiert. Damit sind diese Unternehmen nicht stark vom angestrebten Austritt betroffen. Anders sieht das möglicherweise aus, wenn ein Unternehmen einen Großteil seines Umsatzes auf der Insel erwirtschaftet. „Wenn ein Unternehmen die Hälfte oder mehr seines Geschäfts mit Großbritannien macht, dann hat es vermutlich heute dieselben Schwierigkeiten wie ein im Vereinten Königreich ansässiges“, meint Langel. Solche Firmen seien in Deutschland aber eher eine Seltenheit.

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.

Finanzmärkte hassen Unsicherheit, wie sie jetzt mit dem Brexit entstanden ist. Wie lange diese Unsicherheit insgesamt noch anhalten wird, ist ungewiss. Immerhin hat sich das britische Pfund nach seinem Absturz unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlausgangs Ende Juni schon wieder etwas erholt. Auch am Aktienmarkt halten sich die Kurse von Unternehmen ohne nennenswerten Kontakt zu Großbritannien wieder recht gut. Das Thema Brexit scheinen die meisten dieser Unternehmen bereits verdaut zu haben. „Wir sehen bei den Unternehmen, die wir im Moment verkaufen, noch keine Anpassungen im Preis, sofern die Unternehmen kein großes Exposure in UK haben. Es hat in keinem der Fälle, die wir betreuen, eine Preisanpassung nach unten gegeben“, sagt Langel.

Uneinheitliche Stimmung bei Private Equity

Während die Berater bei EY ungeachtet der rückläufigen Zahlen im Transaktionsmarkt noch keinen Grund zur Sorge sehen und das Beratungsunternehmen PWC im Frühjahr noch mit einer Marktbelebung der Private-Equity-Branche gerechnet hat, zeichnet das aktuelle „German Private Equity Barometer“ der KfW für das erste Quartal 2016 ein düstereres Bild der Lage. Das Geschäftsklima habe sich zu Beginn des Jahres stark abgekühlt, heißt es dort. Der Geschäftsklimaindex fiel um 14,3 Zähler auf 45,4 Punkte. Die dafür befragten Beteiligungskapitalgeber bewerteten sowohl ihre aktuelle Lage als auch ihre Aussichten pessimistischer als bei der vorigen Befragung. „Das Ergebnis hat uns überrascht, weil wir keine fundamentalen Gründe dafür sehen“, sagt Attila Dahmann, Leiter Marktinformation und Forschung beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Die Bewertungen der Unternehmen seien nach wie vor hoch. Auch sei das Fundraising für die Private-Equity-Gesellschaften immer noch unproblematisch. Die gedrückte Stimmung, die im Geschäftsklimaindex zum Ausdruck kommt, erkläre das ebenso wenig wie das geringere Transaktionsvolumen.

Nach einem Rekordjahr ist das Transaktionsvolumen im Private-Equity-Markt in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurückgegangen. Die Branche sieht es noch gelassen. Der Brexit bereitet bislang wenig Sorgen.


“Es ist wahrscheinlich, dass der Zyklus durch Preisübertreibungen sein Ende findet.“

Rainer Langel, Deutschlandchef der Macquarie Bank


Auch Alexander Kron von EY erwartet, dass die Rahmenbedingungen für einen starken Transaktionsmarkt vorerst positiv bleiben, trotz der durch das Brexit-Votum entstandenen Unsicherheit. „Die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die eingetrübten Konjunkturaussichten könnten zwar zu einem kleinen Dämpfer auf dem M&A-Markt führen. Die Auswirkungen dürften sich in Grenzen halten, da die Zinsen niedrig bleiben werden und enorm viel Liquidität im Markt ist, die nach renditeträchtigen Anlagen sucht“, ist er überzeugt.

Auch Langel von Macquarie Bank ist für 2016 noch optimistisch. „Ich wäre überrascht, wenn wir am Jahresende tatsächlich so deutlich unter 2015 landen würden, wie es nach dem ersten Halbjahr den Anschein hat. Auf das Gesamtjahr 2016 prognostiziert, bin ich immer noch der Meinung, dass wir im Rahmen des letzten Jahres liegen werden“, bleibt er optimistisch. Grund für diese Einschätzung ist das gegenwärtige Umfeld. Private-Equity-Firmen bekommen Geld zu historisch niedrigen Zinsen und hätten daher eine sehr hohe Liquidität.

Sorge vor Blasenbildung

Sicher ist aber auch, dass die Hausse am Markt nicht ewig anhalten wird: „Es ist für mich sehr fraglich, ob sich das heutige Bewertungsniveau über die kommenden zwei Jahre so fortschreiben lässt“, gibt Langel zu bedenken. Mittelfristig werden weder das billige Geld noch rentable Anlagen verhindern können, dass die Konjunktur eintrübt. Beim heutigen Preisniveau droht außerdem eine Blasenbildung, die folgerichtig platzen könnte: „Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlich, dass der Zyklus durch Preisübertreibungen sein Ende findet. Für die nächsten 24 Monate mache ich mir Sorgen.“

 

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