Mittelständler entdecken Genussrechte

In Zeiten der Nullzinsen reiben sich investitionsfreudige Unternehmer die Hände, und Anleger beißen ins Gras. Um ihre Finanzierung ausgeglichen zu gestalten, setzen einige Mittelständler jedoch trotz der billigen Verführung auf teures Mezzanine-Kapital: Genussrechte. 

Volatiles Geschäft: Da die Rohstoffpreise ständig schwanken, musste Seeberger ein flexibles System der Genussrechte entwickeln (© Seeberger GmbH)
Volatiles Geschäft: Da die Rohstoffpreise ständig schwanken, musste Seeberger ein flexibles System der Genussrechte entwickeln. (© Seeberger GmbH)

Die Firma Seeberger GmbH aus Ulm ist für ihre Nüsse und Trockenfrüchte bekannt. Das breite Angebot trifft auf rege Nachfrage. „Wir profitieren natürlich vom Trend des gesunden und bewussten Snackens“, sagt Geschäftsführer Clemens Keller. Er übernahm das schwäbische Traditionsunternehmen, das einst die erste größere Kaffeerösterei Ulms betrieb – der Kaffee gehört bei über 6.000 Abnehmern aus dem Gastronomie- und Hotelleriegewerbe untrennbar zum Unternehmen –, vor wenigen Jahren von seinem Onkel Julius Rohm. Dieser führte vor mehr als 30 Jahren eine Mitarbeiterbeteiligung in Form von Genussrechten ein, die noch heute besteht. Mittlerweile liegen zwölf Prozent des Unternehmensbesitzes in Händen der knapp 600 Mitarbeiter.

Eine besondere Form der Genussrechte

Clemens Keller/Seeberger GmbH (© privat)
Beteiligt Mitarbeiter am Erfolg: Clemens Keller von Seeberger aus Ulm. (© privat)

„Wir leisten am Jahresende eine Sonderzahlung in Abhängigkeit vom Unternehmensgewinn“, erklärt Clemens Keller. Das erforder

e jede Menge Transparenz, da gerade der Markt um Nüsse, Früchte und Kaffee starken Schwankungen ausgesetzt sei und die Mitarbeiter wissen wollen, aus welchen Gründen die Ausschüttungen im einem Jahr die Höhe eines vollen Monatsgehalts erreichen und mal deutlich geringer ausfallen. „Deshalb haben wir eine Formel entwickelt, die auf der Umsatzrendite basiert und über die Auszahlung und Verzinsung errechnet werden.“ Immer zum Ende des Geschäftsjahres werden die Mitarbeiter über die Entwicklungen und ihre Beteiligung informiert. Ein Teil der Sonderausschüttung wird fest über sechs Jahre in Genussrechte angelegt, beim Restbetrag kann der Mitarbeiter selbst entscheiden, ob dieser den Anlagebetrag erweitern oder ausgezahlt werden soll.

Der Zins lag dabei in den vergangenen Jahren zwischen drei und vier Prozent. Nach Ablauf der Anlagezeit haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, das Geld weiter im Unternehmen zu lassen. „Wir freuen uns natürlich über diesen Vertrauensbeweis“, sagt Keller. Denn für den Fall, dass die Geschäfte einmal weniger gut laufen, sieht der Genussrechtsvertrag auch eine negative Verzinsung vor. „Die Verlustbeteiligung ist nur symbolischer Natur, trotzdem festgeschriebener Bestandteil.“ Im Fall eines verlustbringenden Geschäftsjahres werden die Mitarbeiter mit einem halben Prozent ihres Genussrechtguthabens beteiligt. Im nächsten gewinnbringenden Jahr solle das aber wieder ausgeglichen werden. Zur Anwendung kam die Verlustbeteiligung aufgrund der gut laufenden Geschäfte bisher allerdings noch nicht. Auch der Totalausfall, der bei einer Insolvenz des Unternehmens drohen würde, ist im Moment nicht in Sicht.

Genussrechte sind also nicht für jeden Unternehmer eine Alternative, und auch die Naturaldividende ist nur in bestimmten Fällen geeignet. Wenn die Umstände jedoch passen, stellen sie eine gute Möglichkeit dar, um die Finanzierung eines Unternehmens ausgeglichen zu gestalten. Bei anhaltender Nullzins-Politik sollte es obendrein einfach sein, Investoren die Anlagemöglichkeit – egal in welcher Ausführung – schmackhaft zu machen.

Autorenprofil

Korbinian Vielmeier verstärkt im Sommer 2015 als Praktikant das Team der Unternehmeredition. Er studierte Business Administration and Economics sowie Medien und Kommunikation in Passau, bevor er sich im Herbst auf zu seinem Masterstudiengang macht.

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