Erbschaftsteuer zum Abwinken

Minimalinvasiv. Zügig. So wollte das BMF auf das  Urteil aus Karlsruhe zur Erbschaftsteuer reagieren. Stattdessen Stillstand. Und immer wildere Vorschläge. Die letzten fünf Monate der gerichtlichen Übergangsfrist werden den Mittelstand enervieren: Abwarten oder handeln?

Das linke Parteienspektrum hat diese terminologische Steilvorlage bereitwillig aufgenommen und debattiert im Parlament nun eifrig über die „Gerechtigkeitssteuer“, die es dem „mit dem goldenen Löffel im Mund[e]“ Geborenen (Andreae) ermögliche, seinen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Und um zum Verwursten zurückzukehren: Ganz links außen macht man sogar die Flüchtlingsproblematik zum Vehikel erbschaftsteuerlicher Meinungsbildung. „Es muss doch […] möglich sein, hier etwas abzuholen, um die Armut in der Gesellschaft zu überwinden“ (Bartsch). Daneben erscheinen die etwa vom Wissenschaftlichen Beirat des BMF und sogar dem Bundesverband der Steuerberater propagierten Flatax-Modelle geradezu handzahm. Zwischen sechs und 15 Prozent wird hier so ziemlich alles gehandelt – freilich bei Streichung aller Privilegien. Am anderen Ende der Skala reiben sich schließlich die Wirtschaftsliberalen die Hände ob der entstandenen Fliehkräfte: Möge es dem Gesetzgeber misslingen, sich zu einigen – dann läuft die Erbschaftsteuer zum 1. Juli aus. Wie 2008 in Österreich.

Totgesagte leben länger

Dem Vernehmen nach will Berlin nur noch die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg abwarten. Das ist kaum mehr als eine strategische Seitwärtsbewegung. Denn selbst bei rein schwarz-roten Landesregierungen fehlte der GroKo noch eine Stimme im Bundesrat. Ohne die Grünen wird es also nicht gehen. Eines dürfte damit zugleich ausgeschlossen sein: Österreichische Verhältnisse. Die SPD pocht auf der koalitionsvertraglich vereinbarten Beibehaltung der Steuer. Und auch die Grünen lassen sich wohl eher die eine oder andere Sonnenblume ausreißen, bevor sie der Erbschaftsteuer das Grab schaufeln. Damit wird es in Anbetracht der steigenden Zahl der Fürsprecher entweder auf eine Flattax hinauslaufen, die sich rein gesetzestechnisch auch noch sehr kurzfristig realisieren ließe (für den eigenkapitalstarken, aber wegen seiner bekannten Reinvestitionsfreudigkeit regelmäßig nicht gerade liquide Mittelstand hängt dann alles vom Steuersatz und effektiven Stundungsmöglichkeiten ab). Oder Schäubles Zeitspiel geht auf – und SPD und Grüne winken den Regierungsentwurf noch kurz vor Toresschluss halbwegs gesichtswahrend mit kosmetischen Änderungen durch – um linksspektral betrachtet Schlimmeres zu verhindern. Auch eine „Regel der Klugheit“. Ob das in Anbetracht einiger sogar von der Finanzverwaltung ungewöhnlich deutlich kritisierten Regelungen klug für die deutsche Wirtschaft ist, werden unsere Erben zu beurteilen haben – oder Karlsruhe. Je nachdem, wer zuerst zum Zuge kommt. Da kann man in Anbetracht der noch geltenden Rechtslage nur laut rufen: Carpe diem!


Zur Person

Dr. Michael Kühn (© Ritterhaus Rechtsanwälte Partnerschaft mbH)
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Dr. Michael Kühn begleitet bei Rittershaus Rechtsanwälte seit zehn Jahren Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen bei allen Aspekten der Nachfolge. Neben der Prozess- und Beratungstätigkeit beschreitet Rittershaus mit einem mediationsanalogen Ansatz auch einen neuen Weg, der Unternehmerfamilien in die Lage versetzt, eigenverantwortlich nachhaltige und ganzheitlich individuelle Lösungen für ihren Generationswechsel zu erarbeiten. www.rittershaus.net

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Dr. Michael Kühn begleitet bei RITTERSHAUS Rechtsanwälte seit zehn Jahren Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen bei allen Aspekten der Nachfolge. Neben der Prozess- und Beratungstätigkeit beschreitet RITTERSHAUS mit einem mediationsanalogen Ansatz auch einen neuen Weg, der Unternehmerfamilien in die Lage versetzt, eigenverantwortlich nachhaltige und ganzheitlich individuelle Lösungen für ihren Generationswechsel zu erarbeiten.

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