„Die Nachfrage im Tech-Sektor ist ungebrochen hoch“

Interview mit Jan Pörschmann, Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH

Im zweiten Teil reden wir mit Jan Pörschmann darüber, wie Transaktionen den Technologiestandort Deutschland zum Wachsen bringen.
Foto: © Funtap_AdobeStock

Im zweiten Teil des ausführlichen Interviews mit Jan Pörschmann reden wir darüber, wie Transaktionen den Technologiestandort Deutschland zum Wachsen bringen. Außerdem verrät uns der atares-Gründer, was Unternehmenszukäufe und das Winzerhandwerk gemein haben und wohin die Reise des M&A-Markts 2024 geht.

Unternehmeredition: Lieber Jan, vor zwei Wochen sprachen wir darüber, wie sich durch Transaktionen wertschöpfende Unternehmensstrukturen in Deutschland aufbauen lassen. Nun stelle ich mir weiterführend die Frage, wie es uns dabei gelingen kann, ein Gegengewicht zu den Tech-Konzernen aus China und den USA zu schaffen. Was denkst du darüber?   

Jan Pörschmann: Wir haben hierzulande herausragende Technologieunternehmen, die weiterhin ihre Firmenzentrale in Deutschland halten und auch hier entwickeln. Parallel gibt es zunehmend Kapitalgeber, die willens sind, auch die nächsten Wachstumsschritte zu begleiten. Ich mache das Geschäft jetzt seit über 20 Jahren. In den Anfangsphasen lag das große Problem in Deutschland darin, dass Unternehmen hier Technologien entwickelten, die ein Produkt und einen Markt erfolgreich bedient haben, auf dem Weg in die Internationalisierung jedoch keine Anschlussfinanzierung bekamen. Das hat sich in den letzten zehn Jahren fundamental verändert.

Wenn wir uns die Wachstumsstufen im Bereich der Fonds anschauen, dann wächst Growth Equity im  absoluten Wachstum am schnellsten. Der Markt hat verstanden, dass eine große Lücke zwischen kleinen Technologieunternehmen auf der einen Seite und den großen Märkten auf der anderen Seite existiert. Und deswegen ist Growth Capital mittlerweile der Wachstumsmotor, der uns zur Verfügung steht. Dazu entstehen immer mehr bedeutende deutsche Family Offices wie beispielsweise Strüngmann, die eine BionTech groß gemacht und mit mehreren 100 Millionen EUR finanziert haben.

Wir haben auch verstanden, dass in der Kombination aus Technologieunternehmen und Start-up-Kultur, hinsichtlich der Ablauforganisation und Effizienz, im Konzern eine Menge Potenzial liegt. Ich denke da konkret an eine tolle Transaktion vor etwa anderthalb Jahren, als hier in München das Robotik-Startup-Unternehmen Magazino vom Intralogistikpionier Jungheinrich übernommen wurde, um die eigenen Logistiklösungen mit autonomen Robotik-Lösungen zu erweitern. Magazino blieb dabei mit seinem Team autark. Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie etablierte Unternehmen zu jungen, kreativen Mitarbeitenden kommen können.

Das klingt nach einem echten Role Model.

Ja, das sind gute Beispiele. In der Logistikindustrie setzt Deutschland immer noch die Maßstäbe. Die Stempel „Invented in Germany“ und „Made in Germany“ für Technologie, die hier entwickelt wurden, haben immer noch einen satten Klang.

Wir sind die Nummer drei bei der Anzahl der Nobelpreisträger im Technologieumfeld weltweit. Bei der Forschung steht Deutschland stark auf dem Feld mit großen Forschungsinstitutionen wie Fraunhofer, Helmholtz und Max Planck. Auch unsere Universitäten genießen Weltruf in diesem Bereich. Gleichzeitig haben wir ein Problem mit der Übersetzung von Technologie in die Anwendung. Dieser Herausforderung können wir begegnen, indem wir die richtigen Partner als Begleitung finden, die Technologieunternehmen helfen, den nächsten Schritt zum Weltmarktführer zu schaffen. Das können Konzerne sein, eine Unternehmerfamilie oder ein Private-Equity-Investor mit Wachstumskapital.

Ihr fokussiert euch aber trotzdem auf M&A-Beratung und nicht generell auf Wachstumsberatung in diesem Bereich?

Genau. Unser Geschäft ist nicht Strategieberatung. Nichtsdestotrotz ist für mich M&A das vornehmste Werkzeug des Strategiekastens, den ein Unternehmer in der Hand hat, um eine Strategie schnell zu realisieren. Allerdings fehlt es hier immer noch am Wissen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich mit jungen Unternehmern spreche. Der Zukauf von Unternehmen scheint für sie oftmals noch komplettes Neuland zu sein. Wenn ich persönlich heute neu starten würde, würde ich mir ein Unternehmen gleich kaufen.

In der Weinsprache heißt es so schön: Man nimmt eine alte Rebe, pfropft etwas Neues darauf und macht einen fantastischen Wein daraus. Da hast du nämlich eine Wurzelstruktur, die schon funktioniert. Und dann pflanzt du eine neue Technologie obendrauf, mit der du das Unternehmen entwickeln kannst. Auch da sehe ich viel Chancen.

Trotzdem scheinen viele genau davor zurückzuschrecken und gerade umgekehrt Sorge zu haben, dass das zu viel Stress und Aufwand bedeutet.

Genau, der Aufwand muss aber gar nicht so groß sein. Das ist wie beim Sport: Je häufiger ich eine Schlagbewegung beim Tennis mache, desto mehr internalisiere ich sie und kann sie dann auch automatisch anwenden. Ich empfehle, lieber kleine Schritte und diese häufig zu gehen, als einmal gleich den großen Sprung zu wagen. Dann ist das Risiko natürlich ein ganz anderes.

Hier also die Empfehlung, mit kleineren Kooperationen immer mal wieder ein bisschen zu üben.

Kleinere Kooperationen mit kleineren Beträgen. Ich empfehle, beispielsweise 5% vom eigenen Forschungsgeld, das man für Personal ausgibt, als Beteiligungskapital einzusetzen. Schon wächst ein  Budget mit vielleicht ein paar Hunderttausend Euro im Jahr. Hiermit lässt sich das eine oder andere spannende Startup-Investment tätigen, das sich im Idealfall rechnet oder zumindest Technologie-Know-how einbringt.

Foto: © buraratn_AdobeStock

Wo geht denn generell der Zug hin? Wo siehst du aktuell die größten Fortschritte in der Technologieentwicklung?

In der letzten Zeit tut sich sehr viel im Bereich Softwareentwicklung durch sprachmodellgestützte Softwarecodes. Dadurch erschafft sich die Branche neue Möglichkeiten der automatisierten Software-Entwicklung und erbringt eher eine Designleistung. Das reine Coding, das früher in Offshoring-Zentren in Osteuropa oder Indien erfolgte, kann man heute sogar schon internalisieren und Software selbst prüfen lassen. Das ist ein Riesenthema, das auf die Entwicklung von Technologie einzahlen wird und völlig neue Möglichkeiten bietet.

Sprechen wir hier schon von KI?

Vorsicht mit dem Begriff der KI, denn dieser wird heute sehr schnell sehr breit ausgelegt. Die  dahinterliegenden Modelle sind häufig Sprachmodelle, die es ermöglichen, aus ihnen Wissen zu schöpfen. Ich muss aber immer noch architektonisch genau festlegen, was der Algorithmus können muss und die Designleistung dafür noch selbst erbringen. Was ich aber schon sehe ist, dass genau solche Automatisierungsthemen sowohl in der Entwicklung als auch in der Erbringung von Dienstleistungen in den sogenannten Bots, die sich auch in den Chatbots wiederfinden, eine zunehmende Rolle spielen und dass diese Systeme immer besser werden.

Es kommt also Automatisierung in unsere Dienstleistungswelt hinein. Wir dürfen nicht vergessen, dass über 75% der Deutschen im Dienstleistungssektor tätig sind. Und wir haben ein Riesenproblem mit Fachkräften. Ich persönlich glaube, dass Robotik und Automatisierung hier ganz neue Möglichkeiten bieten werden.

Deine These ist also, dass der Fachkräftemangel abgemildert werden kann, wenn man es schafft, die Technik gezielt einzusetzen.

Ja, und zwar an zwei Ecken: Erstens, indem Teile von wenig wertstiftenden Aufgaben, die Menschen keinen Spaß machen, durch Computer übernommen werden. Und zweitens durch Qualifizierung, indem Menschen befähigt werden, leichte Tätigkeiten zu erbringen und ihre Produkte durch Copilot-Funktionen wie sie Microsoft anbietet, qualitätsgesichert und veredelt wieder in den Markt einzubringen. Ich bin überzeugt, dass die Kombination von Mensch und Maschine völlig neue Leistungsspektren ermöglicht und damit Arbeitsgänge effizienter und schlanker macht. Das löst zumindest einen Teil des Fachkräfteproblems.

Wo siehst du denn euren USP und was sind eure nächsten Schritte?

Als Tech getriebene Company geben wir fast 5% unseres Umsatzes für Daten und Tools aus. Damit tätigen wir ein erhebliches Investment, um auf unserem eigenen Shopfloor immer die bestmöglichen Werkzeuge einzusetzen. Und wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter und investieren das in unseren eigenen Dealfloor, über den wir Transaktionsprozesse zugänglich machen. Mit dem Tool möchten wir die Art und Weise verändern, wie M&A-Kommunikationsprozesse laufen.

Inwieweit verbessert sich dadurch die Kommunikation?

In diese Plattform fließen alle Informationen rund um die Transaktion ein. Es können beispielsweise Angebote und die Beitrittserklärung zur NDA abgegeben werden. Das gesamte Dokumenten- und Vertragsmanagement kommt bei uns auf den Dealfloor und wird dort in einem Showroom präsentiert. Dieser Weg bietet Möglichkeiten, von Anfang an auch die Menschen und die dahinterstehenden Strategien kennenzulernen. Und das sagt mehr aus als ein PDF, das der Berater baut.

Für wann ist der Launch des Dealfloors geplant?

Wir haben das Tool mit einem amerikanischen Partner zusammen entwickelt und stehen nun kurz vor der Marktveröffentlichung. Die Grundlogik an sich ist schon fertig. Aktuell geht es noch um Fragen wie Datensicherheit, Verschlüsselungsprozesse, Safe Harbour Policy etc. Wo also werden die Daten gehostet und so weiter. Und diesen Sicherheitsfaktor finalisieren wir jetzt noch, denn er ist natürlich gerade in unserer Branche von eminenter Bedeutung.

Generell werden die M&A-Prozesse zunehmend digitaler. Wie wichtig ist die Digitalisierung in diesem Bereich?

Die gesamte Branche arbeitet aktuell immer noch mit einfachen Standardwerkzeugen wie Excel, Word und PowerPoint. Vielleicht hat der eine oder andere schon ein paar schicke Plugins installiert. Aber kaum ein Berater verfügt über einen automatisierten Vertragsgenerator oder ein automatisiertes Analyseinstrument, um ganzheitlich Unternehmensdaten auszuwerten. Ein Instrument also, über das qualitative und quantitative Daten zusammengedacht werden können.

Davon sind wir noch weit entfernt. Aber ich weiß, dass viele daran arbeiten. Grand Thornton versucht gerade das Thema Quality-of-Earnings-Analysen komplett zu automatisieren und dort federführend etwas zu entwickeln. Es gerät viel in Bewegung, wenn man die Datensilos, die wir heute haben, zukünftig aufbricht und in ein gemeinsames System überführt. Auch die DATEV arbeitet an solchen Modellen.

Wie wird sich der M&A-Markt 2024 entwickeln, mit welchen größeren Deals rechnet ihr?

Das ist die Gretchenfrage, vor der jeder Investmentbanker aktuell steht. Als Berufsoptimisten haben wir natürlich alle eine Antwort parat, warum das Jahr 2024 gut laufen wird. Ich schätze, wir sehen eine Seitwärtsbewegung in der Masse und erleben in den einzelnen Sektoren unterschiedliche Bewegungen. Im produzierenden, energieintensiven und lohnintensiven Gewerbe wird es tendenziell eher schwierig, weil die Refinanzierung teuer wird. Die Preisperspektiven klaffen immer weiter auseinander, weil Unsicherheit über die Zukunft herrscht.

Alles, was eher im Asset Light Bereich ist, und im Technologiebereich ist das wiederum die Mehrzahl der Transaktionen, also um die 30% , erfreut sich hingegen ungebrochener Nachfrage.

Warum steht der Dax, wo er steht? Weil die großen Unternehmen weiterhin hochprofitabel fahren und entsprechend investieren können. Ob Meta, Amazon oder Microsoft, überall laufen gerade große Konsolidierungswellen. Andererseits: Wir haben fundamentale Wahlen, die dieses Jahr weltweit anstehen. Ob das die Europawahl ist oder die US-Wahlen − das sind natürlich alles Themen, die viel Unsicherheit erzeugen und mit ihnen ist die Planbarkeit gering.

Ich kann hier zum Abschluss ein Fazit ziehen: Im Tech-Sektor ist die Nachfrage ungebrochen hoch und das manifestiert sich auch in jedem Gespräch, das wir mit Verkäufern führen. Von der Marktseite muss niemand hier eine Eintrübung erwarten. Im Industriebereich ist es herausfordernder. Die Investmentgrade Assets laufen weiter gut. Aber wenn irgendwo ein Diamant nur irgendwo eine kleine Macke hat, dann sind die Preisabschläge erheblich.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

👉 Den ersten Teil der Serie lesen Sie hier nach: https://www.unternehmeredition.de/tech-deals-haben-ein-hohes-skalierungspotenzial/


ZUR PERSON

Foto: © atares GmbH

Jan Pörschmann ist Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH in München und auf Asset-light-Transaktionen in den Bereichen IT und Services spezialisiert. Seit 2023 ist er zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Mergers & Acquisitions gem. e.V. und Initiator mehrerer Mittelstandsaktivitäten desselben. Dazu gehört insbesondere die Veranstaltung „Shift & Change – Der BM&A Mittelstandstag“.
https://atares.team
linkedin.com/in/janpoerschmann

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger Artikel“Finanzinvestoren standen 2023 wegen hoher Zinsen auf der Bremse”
Nächster ArtikelKonjunktur auf niedrigem Niveau