„Tech-Deals haben ein hohes Skalierungspotenzial“

Interview mit Jan Pörschmann, Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH

Wir sprechen heute mit Jan Pörschmann über die Hintergründe und über wertsteigernde Tech-Deals für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Foto: © Murrstock_AdobeStock

Aus der bisherigen Tech-Practice der M&A-Beratung Proventis Partners wurde im November 2023 die atares GmbH. Das Team rund um die Proventis-Gründer Jan Pörschmann und Rainer Wieser an den Standorten München und Düsseldorf firmierte um und tritt seitdem mit neuem Namen, eigenständig und unabhängig von Proventis Partners, auf. Wir sprechen heute in Teil 1 unserer Beitragsserie mit Jan Pörschmann über die Hintergründe und über wertsteigernde Tech-Deals für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Unternehmeredition: Lieber Jan, was waren die Motive für die Umfirmierung? Was gab den Anstoß dafür, sich auf Tech-Driven Deals im MidCap-Sektor in Deutschland zu spezialisieren?

Jan Pörschmann: Für uns als Team haben drei Gründe für die Ausgründung gesprochen.  Zum Ersten die Beobachtung und Überzeugung, dass Technologie unser Leben zunehmend beeinflusst – nicht nur in privaten, sondern auch in beruflichen Kontexten. Technologie wird einen enormen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie zukünftig Leistungen erbracht, Unternehmen organisiert und Produkte funktionieren werden. Damit einher geht ein enormer Wandel, hin zu vollkommen neuen Geschäftsmodellen. Diese Change-Prozesse wollen wir themenzentriert begleiten.

Zum Zweiten arbeiten auch wir als Firma sehr technologieorientiert und entwickeln uns permanent zu einem Technologieunternehmen weiter. Wir haben in der Vergangenheit schon mit sehr viel Technologie gearbeitet und werden das in Zukunft noch intensivieren.

Dazu kommt, dass auch die Anzahl der Transaktionen in diesem Bereich darauf hinweist, dass Tech-M&A als alleinstehender Sektor in Zukunft eine große Rolle spielen wird. Allein wir im Münchner Team haben in den letzten Jahren fast nur noch Technologietransaktionen abgewickelt.

Kurzum kommen wir aus dem Tech-Umfeld und wollen uns hier zukünftig sehr stark engagieren. Parallel sehen wir am Markt auch eine gewisse Lücke klaffen, weil sich viele Player durch Konsolidierung aus dem Markt herausbewegt haben. Wo Marktbegleiter als Generalisten auftreten,  positionieren wir uns als Spezialist. Damit gehen wir ein Stück weit den Red Bull-Weg. Bei deren Launch war der Markt für Erfrischungsgetränke zwar dicht besiedelt, nicht aber die Nische  Energydrinks. So positionieren wir uns in der Tech-Nische und sehen hier viel Entfaltungspotenzial.

Ihr seid nicht die einzigen mit dieser Spezialisierung. Wie wollt Ihr Euch gegenüber der Konkurrenz behaupten?

Es gibt in Deutschland wenige Beratungsunternehmen mit reiner Tech-Spezialisierung. Andere Häuser wie Carlsquare begleiten zwar auch sehr viele Tech-Deals, wickeln jedoch auch andere Transaktionen, insbesondere im Consumer Bereich, ab. Wenn es also um die reinen Tech-Player geht, gehören wir mit 20 Mitarbeitenden zu den größten Companies, wenn wir nicht sogar die größten sind.

Letzten Endes geht es mir allerdings nicht um Unternehmensgröße, sondern um Qualität. Durch unsere Arbeitsweise sehen uns gewisse Player am Markt als bevorzugte Ansprechpartner. Im M&A-Bereich fallen Entscheidungen für einen Sparringpartner oft emotional. Unternehmen stellen sich die Frage, von wem sie sich in so einem Prozess beraten lassen. Hier geht es neben den Zahlen, Daten und Fakten häufig um psychologische Themen. Und da sehen wir gerade bei inhabergeführten Unternehmen den Bedarf, sich an die Hand nehmen zu lassen. Entscheider wünschen sich ein Vertrauensverhältnis und ganzheitliche Beratung. Es geht schließlich um sehr schwierige Fragen in einer Situation, die viele Unternehmer zum ersten Mal bewältigen müssen.

Bei welchen konkreten Fragen setzt Ihr als Beratende an? Und welche Maßnahmen ergreift Ihr zur Unterstützung?

Wir empfehlen Geschäftsführenden, in einer sehr frühen Phase darüber nachzudenken, wie sie ihr eigenes Unternehmen durch den Einsatz von M&A weiterentwickeln können. Lange, bevor der Unternehmensverkauf ins Spiel kommt. Dabei sehen wir unsere Rolle als strategischer Sparringpartner für den Unternehmer. Gemeinsam überlegen wir, wie dieser seine Firma strategisch besser positionieren kann, sei es durch Markterschließung, Know-how-Zukauf oder Technologieerschließung. All das sind Themen, die wir sehr gerne begleiten. Mit etlichen Unternehmern arbeiten wir seit vielen Jahren zusammen und unterstützen sie immer wieder bei Kaufprozessen. Natürlich ist der Verkauf vom absoluten Volumen her der größere Umsatzträger mit über 70% und der Zukauf tendenziell der kleinere Teil. Aber der Zukauf ist auf der anderen Seite das, was Unternehmen langfristig erfolgreich macht.

Was sind die Besonderheiten bei Tech-Unternehmen?

Tech skaliert. Und das ist der Riesenunterschied zu anderen Segmenten, die tendenziell eher organisch wachsen und deren Geschäftsmodelle auf Synergiepotenziale ausgerichtet sind. Im Technologiebereich hängt die Entscheidung häufig vom Skalierungspotenzial ab. Also mit welchem Partner kann ich mein Unternehmen schneller größer machen? Ein sehr schönes Beispiel dafür ist die im letzten Jahr abgeschlossene Transaktion mit der Firma Mecomo in München. Giesecke+Devrient (G+D), ein internationaler Konzern für Sicherheitstechnologie, hat den Spezialisten für Telematik-Lösungen nicht-stromversorgter Logistikobjekte erworben. Bei Mecomo geht es um Technologien mit Lebenszyklen von deutlich über zehn Jahren. Das sind also keine Wegwerfprodukte. Das heißt, ich muss über zehn Jahre sicher sein, dass der Dienstleister, der mir die Technologie liefert, sie auch betreuen, warten und weiterentwickeln kann. Indem wir G+D reingebracht haben, die mit ihrer internationalen Ausrichtung Mecomo helfen können, deren Technologie Know-how international zu skalieren, konnten wir diese Sicherheit bereitstellen. Das sind schöne Fälle, bei denen es nicht darum geht, das Bankkonto des Verkäufers zu füllen, sondern einen strategischen Partner zu finden, der für das Unternehmen auch eine langfristige Perspektive liefert.

Foto: © mozZz_AdobeStock

Hier noch ein weiteres Beispiel für eine wertschaffende Transaktion: H&H, ein Finanzdienstleister für Kommunen, also wahrlich keine sexy Industrie. Aber das Unternehmen bildet eine unwahrscheinlich wichtige Thematik ab, wenn wir den Blick darauf lenken, wie viel Nachholbedarf wir in Deutschland bei der Digitalisierung haben. Alleine wie häufig wir noch zu Behörden laufen und persönlich vorstellig werden müssen, um irgendwelche Prozessschritte zu erledigen. Auf dieses Thema hat jetzt die internationale Gruppe Visma, hinter der wiederum ein großer Private-Equity-Fonds steht, gesetzt. Sie verfolgt das  Ziel, hier einen der führenden Digitalisierungspartner für deutsche Kommunen, Behörden sowie Regierungsapparate aufzubauen. Visma hat ein Riesenportfolio von Softwareunternehmen international zusammengekauft und lässt diese im Kern bestehen. Die Gruppe hat aber das ganze Know-how in einer zentralen Struktur gebündelt, wie man aus dem Lizenzgeschäft in ein Cloudgeschäft oder in ein SaaS-Geschäft wechselt. Und dieses Know-how hat eine H&H nicht und kann jetzt darauf zurückgreifen, um im Rahmen des Visma-Verbundes das Geschäftsmodell komplett zu modernisieren. Damit kann der Dienstleister seine Skalierung verbessern und parallel auch noch das Portfolio von Visma in anderen Bereichen mit verkaufen und die Cross-Selling-Möglichkeiten nutzen.

Im Ergebnis entstehen also immer größere Tech-Konzerne. Müssen wir im Zuge dieser Entwicklung einen Abverkauf des deutschen Tafelsilbers fürchten?

Wir wünschen uns auf diesem Weg tolle deutsche Techkonzerne aufzubauen und damit ein Gegengewicht im internationalen Kräfteverhältnis auch mit China und den USA zu schaffen. Deshalb suchen wir nicht nach dem Bieter, der den maximalen Kaufpreis zahlt, danach die Technologie ausschlachtet und im Zweifel sogar noch Arbeitsplätze in Deutschland freisetzt. Wir versuchen stattdessen, wann immer es geht, wertschöpfende Lösungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu finden. 

Lieber Jan, wir danken dir für dieses interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Das war Teil 1 unserer Beitragsserie mit Jan Pörschmann über wertsteigernde Tech-Deals für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Teil 2 folgt in zwei Wochen. Im zweiten Teil reden wir darüber, wie Transaktionen den Technologiestandort Deutschland zum Wachsen bringen. Außerdem verrät uns der atares-Gründer, was Unternehmenszukäufe und das Winzerhandwerk gemein haben und wohin die Reise des M&A-Markts 2024 geht.   


ZUR PERSON

Foto: © atares GmbH

Jan Pörschmann ist Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH in München und auf Asset-light-Transaktionen in den Bereichen IT und Services spezialisiert. Seit 2023 ist er zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Mergers & Acquisitions gem. e.V. und Initiator mehrerer Mittelstandsaktivitäten desselben. Dazu gehört insbesondere die Veranstaltung „Shift & Change – Der BM&A Mittelstandstag“.

https://atares.team

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger ArtikelBookwire übernimmt Bookrepublic
Nächster ArtikelBeste Vermögensverwaltungen 2024 bei Firstfive Gala geehrt