Carve-out: Katalysator für gesunde Unternehmensstrukturen

Die Kunst, komplexe Transaktionen zum Erfolg zu führen

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Die eigene Ausrichtung schärfen, finanzielle Stabilität sichern und Marktchancen nutzen – strategische Carve-outs machen es möglich. Wie sie funktionieren, welche Vorteile sie bieten und wie sie zum Erfolg werden, erläutert dieser Beitrag.

Ein Carve-out ist eine strategische Transaktion, bei der ein Unternehmen einen Geschäftsbereich ausgliedert und anschließend als eigenständige Einheit verkauft (Mergers & Acquisitions; M&A) oder an die Börse bringt. Es wird buchstäblich ein Teil aus dem bestehenden Unternehmen „herausgeschnitten“. Meist handelt es sich um eine Einheit, die noch nicht rechtlich eigenständig agiert und daher erst einmal „exit-ready“ gemacht werden muss.

Carve-outs sind zudem ein wirksames Instrument, Werte für das Unternehmen zu heben. Gerade in Zeiten wie diesen: Im Wandel befindliche Kundenbedürfnisse, technologischer Wandel, ESG, geopolitische Konflikte, steigende Energiekosten, Friktionen in der Lieferkette und steigende Kapitalkosten stellen enorme Risiken dar. Carve-outs machen die sich dadurch ergebenden Chancen greifbar, denn sie ermöglichen:

  1. strategische Neuausrichtung sowie
  2. finanzielle Prosperität oder Stabilität.

Die strategische Neuausrichtung zielt auf das Geschäft mit dem höchsten strategischen Wert und Wachstumspotenzial; wenig profitable Bereiche werden abgespalten. Durch diese Verschlankung kann ein Unternehmen wesentlich schneller auf Marktveränderungen reagieren, technologische Fortschritte einleiten und sich an den Wettbewerbsdruck anpassen.

Carve-outs machen gebundenes Kapital frei. Dieses kann in das organische Wachstum des Kerngeschäfts, Innovationsprojekte und Akquisitionen investiert werden. Durch Kaufpreis und erhöhte betriebliche Effizienz nach dem Verkauf hat das Unternehmen einen positiven, erfolgswirksamen Casheffekt und stärkt damit zusätzlich die Liquidität. Schulden können abgebaut werden. Die finanzielle Prosperität und Stabilität ist erreicht.

Der Markt honoriert in vielen Fällen die Neuausrichtung und den „Asset Strip“: Das führt oft zu einer gleichzeitigen Wertsteigerung von Mutter und herausgelöster Einheit.

Die Komplexität der Heraus- oder Ablösung von der Muttergesellschaft ist ein wesentliches Merkmal eines Carve-outs. Daher wird der Carve-out auch oft synonym mit der Prozessbeschreibung von M&A herangezogen.

Drei Faktoren machen Carve-outs so komplex:

  • Trennung der integrierten Operationen: Eng verwobene Prozesse, Systeme und Leistungsflüsse zwischen Mutter und ausgegliederter Einheit sind zu entkoppeln. Diese wird entweder autark aufgestellt oder unter ein neues Dach bei der Käufergesellschaft geführt. An der Börse muss sie eigenständig überlebensfähig sein.
  • Rechtliche und finanzielle Strukturierung: Transaktion, Desintegration und Transition bis zur Neuintegration zwischen allen Parteien sind rechtlich zu regeln, inklusive etwaiger Auflagen des Gesetzgebers (reguliertes Geschäft). Finanz- und Wertflüsse und die Transaktionsstrukturierung sind ebenfalls zu regeln.
  • Stakeholder Management: Effektive Information der relevanten Stakeholder zum jeweils richtigen Zeitpunkt ist essenziell, bei börsennotierten Unternehmen sogar gesetzlich verankert. Auswirkungen auf Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten sind zu berücksichtigen und diese zu gegebenem Zeitpunkt einzubinden, um einen reibungslosen Übergang und den Erfolg der Transaktion zu gewährleisten.

Stakeholder Management: Drei Tipps für erfolgreiche Kommunikation beim Carve-out

Im Carve-out-Prozess übernimmt die Kommunikation zwei zentrale Aufgaben: Missverständnisse vermeiden und Vertrauen schaffen. Sie beantwortet essenzielle Fragen der Mitarbeitenden, wie etwa: „Welches System nutze ich künftig? Wie sicher ist mein Job? Ab wann gelten die Veränderungen?“ Die Kommunikation richtet sich auch an externe Stakeholder wie Kunden, Partner und Lieferanten, die ebenfalls vielerlei Fragen haben, zum Beispiel: „Wen kontaktiere ich künftig? Was bedeutet das für Preise und Prozesse?“

Eine gut durchdachte Kommunikationsstrategie liefert Antworten, noch bevor die Fragen kommen, stärkt das Vertrauen der internen und externen Stakeholder und erhöht damit die Erfolgschancen des Projekts. Daraus ergibt sich:

Tipp eins: Planen Sie Ihre Kommunikation sorgfältig und setzen Sie diese von Beginn an regelmäßig um.

Carve-outs sind, wie wir gesehen haben, komplex, und die Erfolgschancen liegen laut Erhebungen bei unter 50%. Es ist fast sicher, dass der Prozess nicht exakt wie geplant verläuft, was zu neuen Unsicherheiten und Missverständnissen führen kann. Mit der richtigen Kommunikation behalten Stakeholder dennoch Vertrauen in das Projekt.

Tipp zwei: Kommunizieren Sie offen und zeitnah, besonders bei Abweichungen vom Plan.

Antworten auf die folgenden Fragen sind die Grundlage für eine erfolgreiche Carve-out-Kommunikation:

  • Wer verantwortet die Kommunikation?
  • Wer plant und setzt die Kommunikation um?
  • Haben diese Personen die nötigen Kapazitäten?
  • Wer sind alle relevanten Stakeholder?
  • Was benötigen die Stakeholder?
  • Wie wird der Erfolg der Kommunikation gemessen?

Besonders die Erfolgsmessung ist von Anfang an relevant. Reichen E-Mails aus oder sind persönliche Gespräche oder Townhalls nötig? Die Erfolgsmessung zeigt, ob die Kommunikation die gewünschten Ergebnisse liefert oder weiter an die Bedürfnisse der Stakeholder angepasst werden muss.

Tipp drei: Überprüfen Sie die Kommunikationsergebnisse regelmäßig und passen Sie die Strategie bei Bedarf an.

Carve-out in der Praxis: Neuausrichtung durch Verkauf

Das folgende Beispiel für das Ziel „strategische Neuausrichtung“ zeigt exemplarisch den Ablauf und die Erfolgsfaktoren eines Carve-outs. Entscheidend war die Vorbereitung und Auslotung der Optionen, „Strategic Business Review“ („SBR“) genannt. Die Führungscrew des auszugliedernden Bereichs schon in der Anbahnung abzuholen trug ebenfalls zum Erfolg bei. Der SBR fokussiert – wie in der Grafik ersichtlich – die Analyse von fünf Bereichen, die zusammengefasst im finanziellen Impact kumuliert werden. So wird für die relevanten Stakeholder transparent dargelegt, welche Handlungsoption – in diesem Fall der Carve-out und Verkauf des Unternehmensbereichs – die vielversprechendste ist.

Im vorliegenden Fall waren die Themenbereiche „Markt & Wettbewerb“ sowie „Kunden“ recht klar definiert und faktenbasiert zu bearbeiten. Die Bereiche „Operations“ und „Organisation“ hingegen waren aufgrund sich ändernder Marktbedingungen etwas vielschichtiger zu betrachten. Eine stringente, faire Herleitung der Beurteilungsbasis holte nicht nur die Stakeholder ab: Die umfassende und sorgfältige Vorbereitung durch den SBR schaffte die Basis für einen effizienten, zielgerichteten M&A-Prozess.

Gerade die interne Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden und Entscheidungsträgern konnte offen und ehrlich erfolgen. So konnten der Belegschaft klar die Chancen, die im Carve-out liegen, aufgezeigt und der Übergang erfolgreich gestaltet werden.

Heute kann sich der Kernbereich des Konzerns – befreit von einer viel Management Attention bindenden Division – auf die zukunftsträchtigen Bereiche fokussieren, während sich der herausgelöste Teil in seiner neuen „KMU-Struktur“ in der Nische entwickeln kann. Der Carve-out hat einen klaren Beitrag zur strategischen Neuausrichtung geleistet.

FAZIT

Ein Carve-out ermöglicht Unternehmen, sich neu auszurichten, finanzielle Stabilität zu sichern und Marktchancen zu nutzen, indem sie nicht-strategische Bereiche abspalten. So komplex er ist – mit sorgfältiger Vorbereitung auf allen Ebenen wird der Carve-out zum Erfolg.


👉 Dieser Beitrag erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024 (ET: 20. September 2024).

Autorenprofil
Andre Waßmann

Andre Waßmann ist Mitglied der Geschäftsleitung und Head of M&A | Corporate Finance bei Helbling Business Advisors. Zudem ist er Managing Partner bei Corporate Finance International (CFI) dem M&A-Netzwerkpartner, zu dessen Gründungsmitgliedern Helbling Business Advisors zählt. Er hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung als M&A-, Corporate-Finance- und Strategie-Berater für mittelständische Kunden aus der Industrie sowie Banken, Versicherungen und Kapitalmärkte.

Autorenprofil
Susanne Koerber-Wilhelm

Susanne Koerber-Wilhelm ist Inhaberin von sukowi consulting und berät mittelständische Unternehmen zur Kommunikation rund um M&A, Unternehmensnachfolgen, Krisen et cetera.

Autorenprofil
Malte Jantz

Malte Jantz ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Helbling Business Advisors und leitet das Corporate-Finance-Team in der Schweiz. Durch seine 20 Jahre Berufserfahrung verfügt er über eine breite Expertise im Bereich M&A und Corporate Finance sowie umfassende Kenntnisse der Industrie, mit speziellem Fokus auf die Spezialitätenchemie, Bau- und Bauzulieferindustrie sowie Maschinenbau und Metall- und Plastikverarbeitung.