Wirtschaftsprognosen: Wechselnde Signale von den Instituten

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Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften liegt im Juni leicht unter dem Niveau der Vormonate. Das zeigt die aktuelle Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Mit dieser vergleichsweise guten Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend auf dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Frühindikatoren des IWH ließen für die kommenden beiden Monate keine starken Veränderungen bei den Insolvenzzahlen erwarten.  Die Zahl der betroffenen Jobs liege leicht unter dem Niveau der Vormonate und in etwa auf dem durchschnittlichen Niveau des Jahres 2021. „Das Insolvenzgeschehen zeigt sich trotz Energiekrise, Lieferkettenproblemen und dem schrittweisen Auslaufen der Corona-Hilfen noch immer erfreulich robust. Doch die Zumutungen für die Unternehmen werden in den nächsten Monaten nochmals deutlich steigen“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung.

VDMA sieht leichten Auftragsrückgang

Die Schwäche der Weltkonjunktur hinterlässt auch im Maschinen- und Anlagenbau ihre Spuren. Im Juni sanken die Auftragseingänge im Maschinen- und Anlagenbau laut VDMA um 9% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Aus dem Inland kamen 11 Prozent weniger Aufträge, Kunden aus dem Ausland bestellten 8 Prozent weniger. Im ersten Halbjahr verzeichnet der VDMA aber immer noch ein leichtes Plus, das vor allem durch Aufträge aus dem Ausland getragen wurde. “Nachdem sich die Stimmungsindikatoren in den zurückliegenden Monaten deutlich eingetrübt haben, ist das Minus im Juni wenig überraschend. „Noch immer wollen viele Kunden in neue Maschinen und Anlagen investieren, auch wenn die Zurückhaltung steigt“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers. Nach wie vor belasten die Störungen in den globalen Lieferketten das Geschäft, hinzu kommen Auftragsstornierungen infolge des Kriegs in der Ukraine.

Produktion leicht gestiegen

Die Produktion im Produzierenden Gewerbe in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Juni 2022 gegenüber dem Vormonat leicht. Im Vergleich zum Juni 2021 fiel der Wert 0,5% niedriger aus. Die Industrieproduktion nahm gegenüber dem Vormonat um 0,7% zu. Eine positive Entwicklung ist dabei laut Destatis über alle Hauptgruppen hinweg zu verzeichnen: Die Produktion von Investitionsgütern stieg um 1,0% und die Produktion von Konsumgütern um 1,1 %. Sogar in den energieintensiven Sektoren steigt die Produktion. Einen Rückgang gab es hingegen in der Bauwirtschaft. Laut Destatis ist die Produktion nach wie vor durch die hohe Knappheit an Vorprodukten beeinträchtigt. Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltender Verwerfungen durch die Corona-Krise führen nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge. Laut dem ifo Institut für Wirtschaftsforschung gaben 74,1 % der befragten Industrieunternehmen im Juni 2022 an, von Engpässen und Problemen bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen betroffen zu sein.

Große Rezessionssorgen im Mittelstand

Das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer stürzt im Juli ab. Die ohnehin schon sehr pessimistischen Geschäftserwartungen seien weiter eingebrochen, aber auch die Lageurteile würden deutlich nachgeben.  Vor allem die Furcht vor einem anhaltenden Gaslieferstopp würden nach Aussage der KfW-Experten die Geschäftserwartungen der Unternehmen stark absinken lassen. KfW-ifo-MittelstandbarometerDer Stimmungsabsturz im Juli betrifft laut KfW-Analyse die mittelständischen Unternehmen in allen Branchen – auch im Dienstleistungsbereich. Schlusslicht bei der Lagebeurteilung sei der Einzelhandel. Angesichts der drohenden zusätzlichen Kaufkraftverluste wegen massiv steigender Heizkosten seien die Zukunftserwartungen aber so schlecht wie nie zuvor seit Beginn der Umfragen für das Mittelstandsbarometer. Bei den Großunternehmen sei die Stimmung noch schlechter als im Mittelstand. Der einzige Hoffnungsanker seien derzeit die noch sehr hohen Auftragsbestände im Verarbeitenden Gewerbe und die laut einigen Indikatoren etwas nachlassenden globalen Lieferengpässe. Mit einer sich eintrübenden Weltkonjunktur wächst laut KfW jedoch die Gefahr von Stornierungen.

Lage deutscher Autohersteller leicht schlechter

Die Geschäftslage der deutschen Autohersteller hat sich im Juli verschlechtert. „Die Möglichkeiten der Pkw-Hersteller steigende Materialkosten an den Verbraucher weiterzugeben, scheinen eine Grenze erreicht zu haben“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Die Preiserwartungen seien  deswegen deutlich gefallen. Der Auftragsbestand der Autobauer habe abgenommen und die Produktion wurde zurückgefahren. „Sorgen um eine mögliche Gasverknappung und die weiterhin pandemiegeschwächte chinesische Wirtschaft als wichtiger Auslandsmarkt beeinträchtigen die künftigen Geschäfte der Autobauer“, sagt Falck.

S&P bleibt pessimistisch

Angesichts explodierender Energiepreise und wachsender Löhne und Gehälter sehen sich die Anbieter von Dienstleistungen in Deutschland nach einer aktuellen Befragung der Wirtschaftsforscher von S&P mit einem weiteren kräftigen Anstieg ihrer Ausgaben konfrontiert. Preissteigerungen konnten nur teilweise weitergegeben werden. Laut jüngsten S&P-Auswertungen gibt es vermehrt Anzeichen für eine Nachfrageschwäche. So nahmen die Neuaufträge im Servicesektor zum zweiten Mal in Folge ab. Viele Befragte führten dies darauf zurück, dass Unsicherheiten und die hohe Inflation potentielle Kunden fernhielten.

Die Exportaufträge gingen zu Beginn des dritten Quartals ebenfalls stärker zurück. Das Produktionsniveau ging ebenfalls weiter zurück und erstmals seit Mitte 2020 schrumpfte die Einkaufsmenge der Hersteller. Der geringere Bedarf an Rohstoffen und Vormaterialien habe sich auch im nachlassenden Druck auf die Lieferketten sowie in einer weiteren Abschwächung der Kosteninflation widergespiegelt. Laut Umfrageteilnehmern gebe es eine ganze Reihe an Faktoren, die die Nachfrage bremsen – von zunehmender Unsicherheit und einem damit verbundenen Rückgang der Investitionen über explodierende Preise bis hin zu hohen Lagerbeständen bei den Kunden und anhaltenden Störungen in den Lieferketten.

Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global Market Intelligence, kommentiert die aktuellen Umfrageergebnisse: “Hatten sie in der ersten Jahreshälfte noch dank Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen ordentlich Aufwind genossen, so ist den Dienstleistern nunmehr angesichts galoppierender Energie- und Lebensmittelpreise und sektorübergreifend deutlich pessimistischer Geschäftsaussichten vollends die Puste ausgegangen. Nachdem das Wirtschaftswachstum in Deutschland im zweiten Quartal bereits stagnierte, verheißen die aktuellen PMI-Daten auch für das kommende nichts Gutes. Tatsächlich rutschte die Geschäftstätigkeit sowohl bei den Serviceanbietern als auch in der Industrie im Juli in die Kontraktionszone und die zukunftsgerichteten Indizes senden ernstzunehmende Warnsignale für die nächsten Monate.“

Fachkräftemangel steigt auf Allzeithoch

Der Fachkräftemangel erreicht in Deutschland nach einer Erhebung des ifo-Instituts einen neuen Höchststand. Im Juli seien 49,7% der Unternehmen beeinträchtigt gewesen. „Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden“, sagt Stefan Sauer, Arbeitsmarktexperte am ifo Institut. „Mittel- und langfristig dürfte dieses Problem noch schwerwiegender werden.“ Mit einem Anteil von 54,2% zeigten sich die Dienstleister am stärksten von knappen Fachkräften betroffen. Im Verarbeitenden Gewerbe klagten 44,5% der Umfrageteilnehmer über fehlendes Fachpersonal.

 

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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