Produktion, Auftragseingang und Beschäftigung in Deutschland verzeichnen nach einer aktuellen Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts IHS Markit allesamt stärkere Zuwachsraten. Die Lieferketten stünden zwar nach wie vor unter Druck, aber immerhin sehen die Experten eine leichte Entspannung. Mit dieser erfreulichen Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.
Das Ergebnis der aktuellen IHS-Umfrage ist auch, dass sich die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist wieder merklich aufgehellt haben. Der IHS Markit Einkaufsmanagerindex stieg im Januar erstmals nach einer sechsmonatigen Pause wieder an. Das Produktionswachstum habe im ersten Monat des Jahres wieder an Dynamik gewonnen, nachdem es sich den Großteil des zweiten Halbjahres 2021 verlangsamt hatte. Auch die Neuaufträge der Hersteller seien kräftig angestiegen. Wie einige Umfrageteilnehmer berichteten, wurden die Auftragseingänge auch dadurch angekurbelt, dass Kunden ihre Bestellungen vorzogen, um sich gegen zukünftige Verzögerungen und eventuelle Preiserhöhungen abzusichern.
2022 beginnt vielversprechend
„Das Jahr 2022 begann für die deutsche Industrie vielversprechend, nachdem der Einkaufsmanagerindex nach einer zähen und durchwachsenen zweiten Hälfte des vergangenen Jahres einen lang erwarteten Aufschwung signalisierte. So gab es im Januar gleich an mehreren Fronten ermutigende Entwicklungen. Unter anderem gingen die Materialengpässe weiter zurück und die Inflationsrate der Einkaufspreise schwächte sich auf ein Neunmonatstief ab. Die Situation in den Lieferketten verbessert sich allerdings nur langsam und der Kostendruck bleibt im historischen Vergleich nach wie vor hoch, was nicht zuletzt am jüngsten Anstieg der Energiepreise lag“, erklärt Phil Smith, Associate Director bei IHS Markit.
Wieder mehr Optimismus im Mittelstand
Allein die Hoffnung auf bessere Geschäfte im Frühjahr und Sommer lässt im Januar das mittelständische Geschäftsklima nach oben schnellen. Das ist eines der Ergebnisse des aktuellen Mittelstandsbarometers der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Der Wert liege nur noch knapp unter dem langfristigen Durchschnitt. Es steige derzeit die Hoffnung auf ein Ende des pandemischen Zustands. Mit Blick auf die übliche saisonale Abschwächung ab dem Frühjahr würden die mittelständischen Unternehmen wieder etwas positiver nach vorne blicken. Auch bei den befragten Großunternehmen ermittelte die KfW eine Verbesserung der Stimmung. Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Dienstleistern sei die Stimmung unter den Großunternehmen derzeit wesentlich besser als im Mittelstand.
Unternehmen wollen Preise erhöhen
Die Preiserwartungen der Unternehmen in Deutschland für die nächsten drei Monate stiegen laut einer aktuellen Befragung des ifo Instituts im Januar auf 46 Punkte. Damit wurde ein neuer Höchststand erreicht. „Die Unternehmen geben die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren an ihre Kunden weiter. Das wird bis auf die Verbraucherpreise durchschlagen“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo Konjunkturprognosen. „Die monatlichen Inflationsraten werden daher noch eine Zeitlang über vier Prozent liegen. Für das Jahr 2022 haben wir deshalb unsere Inflationsprognose auf vier Prozent angehoben. Im Dezember waren wir noch von einem Anstieg der Lebenshaltungskosten um 3,3 Prozent ausgegangen“, ergänzt Wollmershäuser.
Dienstleistungssektor wächst
Auch im deutschen Service- und Dienstleistungssektor wurden zum Jahresauftakt wieder Zuwächse verbucht. Nach Erhebungen von IHS Markit verbesserte sich die Nachfrage, wodurch auch der Stellenaufbau weiter an Fahrt aufnahm. Alles in allem hätte die hohe Binnennachfrage für leichte Zugewinne beim Auftragseingang der Serviceanbieter gesorgt. Der Kostendruck habe im Januar erneut merklich zugenommen und die Inflationsrate erreichte annähernd das Rekordhoch vom November 2021. Als Ursache nannten die Befragten die gestiegenen Ausgaben für Energie, Treibstoffe und Materialien sowie höhere Löhne und Gehälter.
Materialmangel etwas entschärft
Der Materialmangel in der deutschen Industrie hat sich im Januar laut einer Befragung des ifo-Instituts etwas entspannt. 67,3% der Firmen berichteten demnach über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Im Dezember waren es noch 81,9% „Trotz dieser Entwicklung bleiben viele Sorgenfalten bei den Unternehmen. Es ist noch nicht abzusehen, ob dies eine Trendwende ist“, sagt der Leiter der ifo Umfragen, Klaus Wohlrabe. Weiterhin angespannt sei die Situation bei den Herstellern von elektrischen Ausrüstungen sowie im Maschinenbau und bei der Automobilindustrie. „Die leichte Entspannung gibt Unternehmen die Chance, ihre hohen Auftragsbestände abzuarbeiten und ihre Produktion zu steigern“, ergänzt Wohlrabe.
Lage am Arbeitsmarkt entspannt sich
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Januar nicht so stark gestiegen, wie es eigentlich üblich wäre. Diese Entwicklung ist angesichts aktuellen Omikron-Coronawelle besonders erstaunlich. “Der Arbeitsmarkt ist gut in das Jahr 2022 gestartet. Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im Januar zwar gestiegen, aber bei Weitem nicht so stark wie sonst üblich.”, sagte der Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA), Daniel Terzenbach. 2,462 Millionen Menschen waren im Januar arbeitslos gemeldet. Das sind 133.000 mehr als im Dezember 2021. Die Arbeitslosenquote stieg von Dezember 2021 auf Januar 2022 um 0,3 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent und liegt damit 0,9 Prozentpunkte niedriger als im Januar 2021.
Kurzarbeit steigt wieder an
Die Zahl der Kurzarbeitenden in Deutschland ist nach einer Erhebung des Münchener ifo-Instituts kräftig gestiegen. Im Januar zog sie an auf 900.000 Menschen, von 780.000 im Vormonat. „Die stark steigenden Coronaansteckungen trieben die Kurzarbeit im Gastgewerbe, im Einzelhandel und bei den sonstigen Dienstleistungen nach oben. Ein Lichtblick kam dagegen aus der Industrie: Die Kurzarbeit sank, weil wieder mehr Vorprodukte verfügbar waren“, sagt ifo-Experte Stefan Sauer. Vor Corona hatte die Zahl der Kurzarbeitenden im Februar 2020 bei 134.000 gelegen, im März war sie sie auf 2,6 Millionen gesprungen und im April 2020 hatte sie den Rekordwert von sechs Millionen erreicht.
Unternehmen zahlen pünktlicher
Im zweiten Halbjahr 2021 verzeichneten Lieferanten und Kreditgeber im B-to-B-Geschäft einen durchschnittlichen Zahlungsverzug von 9,97 Tagen. Im ersten Halbjahr hatte dieser Wert noch bei 10,23 Tagen gelegen. Dies hat der Verband der Vereine der Creditreform e.V. (Creditreform) ermittelt. Angesichts der erheblichen Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und neuer Coronavarianten hatten viele Gläubiger das Forderungsmanagement zuletzt gestrafft und Zahlungsziele gekürzt. „Wir sehen klar ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis bei den Kreditgebern“, kommentiert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, die aktuelle Entwicklung. Die Coronakrise habe weiterhin massive Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten der deutschen Unternehmen. Lieferanten hätten ihre Geschäftsrisiken entsprechend neu bewerten müssen. „Die Zahlungsziele in Deutschland sind derzeit so kurz wie seit Jahren nicht mehr. Viele Kreditgeber wollen so den Zahlungseingang beschleunigen und selbst schneller wieder an Liquidität kommen“, sagt die Leiterin des Fachbereichs Debitorenregister, Janine Stappen. Vor allem den Unternehmen aus dem Einzelhandel, aber auch für Logistikfirmen sowie unternehmensnahe Dienstleister wurden die Zahlungsziele zuletzt gekürzt.
Maschinenbauer mit starkem Jahresabschluss
Den Maschinen- und Anlagenbauern ist im vergangenen Jahr eine außerordentlich starke Aufholjagd gelungen. Insgesamt verbuchten sie nach Angaben des branchenverbands VDMA einen Auftragszuwachs von real 32% im Vergleich zum Vorjahr. “In der Folge sind die Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Auftragsbestand von 10,9 Monaten ins laufende Jahr gestartet. Das gibt Sicherheit, auch wenn die bestehenden Lieferengpässe noch eine ganze Weile andauern und die Abarbeitung der Aufträge erschweren werden”, resümierte VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.