Als die International School Augsburg (ISA) am 18. März letzten Jahres als erste Bildungseinrichtung Deutschlands an die Börse ging, war das öffentliche Interesse groß. Das Besondere: die ISA-Aktie entspricht den ESG-Kriterien für Kapitalanlagen; gleichzeitig bietet sie langfristiges Kurspotenzial, denn die Gewinne einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft werden nicht ausgeschüttet, sondern tragen unmittelbar zur Unternehmenswertsteigerung bei. Wir sprachen mit den Verantwortlichen um zu erfahren, wie Sie den IPO aus heutiger Sicht einschätzen.
Wenn es um die Vision hinter der ersten Bildungsaktie Deutschlands geht, schaltet der Direktor der ISA, Marcus Wagner, einen Gang höher: „Wenn wir die Qualität unseres Bildungssystems langfristig aufrechterhalten und entwickeln wollen, benötigen wir dringend private Investitionen in Bildung. Deutschland leidet diesbezüglich unter einem langjährigen Investitionsstau“, klagt er. Deutschland liege bei Investitionen in Bildung mit 3,6% des BIP sogar unter dem OECD-Durchschnitt von 4%. Das sei nicht hinnehmbar, findet der Schulleiter. „Dieses Gap müssen wir schließen.“ Ein Weg sei es, Bildung als werthaltige Kapitalanlage anzubieten. Und da sei die ISA nun als Pionier vorangeschritten.
Der Börsengang diente auch noch einem weiteren, konkreten Zweck: Die Einnahmen fließen in den Bau eines neuen Schulcampus, der für 35 Mio. EUR Bauvolumen am Bahnhof Gersthofen in nur etwa 40 Minuten von der Stadtmitte München entfernt − und damit in sehr viel zentralerer Lage als bisher − errichtet werden soll. Mit dessen Fertigstellung ist bis Ende 2026 zu rechnen.
Seit 2005 kümmert sich die International School Augsburg als englischsprachige Gesamtschule mit national und international anerkannten Abschlüssen und Akkreditierungen ganztags um international mobile Familien und deren 3-18-jährige Kinder. Mit ihren rund 90 Mitarbeitern und rund 350 eingeschriebenen Schülern ist sie ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaftsregion A³-Augsburg-München mit internationalen Unternehmen wie KUKA, Airbus, Faurecia, u.a. „Wir waren in den letzten 15 Jahren sehr erfolgreich, der Cashflow war von Anbeginn immer positiv“, sagt Wagner und betont: „Für ein Start-up-Unternehmen ist es selten, vom Start weg erfolgreich operieren zu können.“
IPO blieb bislang hinter den Erwartungen zurück
Der IPO, der im Qualitätssegment m:access der Börse München abgewickelt wurde, blieb jedoch bislang hinter den Erwartungen zurück. Geplant waren Einnahmen in Höhe von 8 Mio. EUR. Verkauft wurden jedoch nur 140.000 der 640.000 Aktien; eingeworben wurden damit 1,8 Mio. EUR. Auch die erwartete Kurssteigerung blieb bislang aus. Mit einem Emissionskurs von 12,50 € gestartet, bewegt sich der Aktienkurs aktuell zwischen 9 und 10 Euro. Zu den Investoren zählen Privatanleger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber kaum institutionelle Investoren.
„Der Kapitalmarkt und insbesondere institutionelle Investoren haben die Kernbotschaft unseres Börsengangs leider noch nicht richtig angenommen“, sagt Wagner. Die Aktie einer gemeinnützigen AG sei nichts für kurzfristigen Erfolg, der Kurs einer solchen Aktie steige über einen längeren Zeitraum. Da die Gewinne thesauriert würden, werde die Eigenkapitalbasis langfristig ausgebaut und erhöht zusammen mit den staatlichen Zuschüssen für den Schulneubau kontinuierlich den Unternehmenswert. „Der Kurs zündet derzeit noch nicht, weil diese Perspektive in der Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen wird“, erläutert der Schuldirektor.
Fehlende Dividende bei gemeinnützigen AGs
„Der Börsengang der ISA hat zu Beginn eine Wahnsinnsmedienresonanz erzielt“, wie Ralf Hellfritsch, Vorstand der BankM, betont. „Das hatten wir noch nie bei einem IPO in dieser Größenordnung!“ Als Partner mittelständischer Unternehmen für die Finanzierung am Kapitalmarkt hat die BankM den kompletten Börsengang für die ISA abgewickelt.
„Wir haben den Börsengang sehr breit aufgezogen und alles dafür getan, um eine große Reichweite zu erzeugen“, betont Hellfritsch, „haben einen Wertpapierprospekt und eine Researchstudie zum Unternehmen veröffentlicht, die Zeichnungsbox genutzt und zahlreiche institutionelle Investoren im Vorfeld angesprochen.“ Viele potenzielle Investoren seien zu Beginn begeistert gewesen, hätten aber in letzter Minute doch einen Rückzieher gemacht, bedauert der BankM-Vorstand und nennt auch den Grund: „Das Problem ist die fehlende Dividende. Das hat die institutionellen Investoren letztendlich doch abgeschreckt.“
„Wir sind eine gemeinnützige Aktiengesellschaft. Das bedeutet, wir dürfen keine Dividende ausschütten“, erläutert Marcus Wagner. „Wir konzentrieren uns deshalb auf langfristige Rendite, nicht auf kurzfristige Renditeversprechen. Durch Nichtabfluss der Dividende stehen uns mehr Mittel zur Investition ins Unternehmen zur Verfügung als normalen Aktiengesellschaften. Der Zugang zu Spenden ist ein weiteres Asset und durch die Abgabenordnung sind wir zu einer auf Effizienz gerichteten Unternehmensführung verpflichtet. Der Unternehmenswert baut auf Sachwerten auf und stellt so eine hohe Absicherung für Investoren dar. Das ist heutzutage sehr wichtig.“ Insgesamt verfügt die ISA heute bereits über ein Eigenkapital von 5,2 Mio. EUR und stille Reserven aus der eigenen Immobilie.
Bildungsaktie benötigt langen Atem
Trotz der unter den Erwartungen liegenden Performance will Wagner aber noch lange nicht die Flinte ins Korn werfen: „Es gibt bereits erfolgreiche Beispiele gemeinnütziger AGs, die von ihrem Börsengang profitieren konnten, wie zum Beispiel der Münchner und der Berliner Zoo“, so der Augsburger Schulleiter. Beide Zoos hätten über die letzten zehn Jahre eine solide Performance gezeigt und den Investoren satte Kurssteigerungen von rund 200 Prozent beschert. Eben hier zeige sich der Nutzen langfristiger Kapitalanlagen in gemeinnützige Einrichtungen.
In Zukunft könnte sich noch eine weitere Besonderheit des Börsengangs der ISA positiv auswirken: Seit der Umwandlung in die AG sind alle Absolventen der ISA bei ihrem Abschluss als Aktionäre und Miteigentümer ihrer Schule beteiligt worden. „Inzwischen haben die ersten Alumni, die in Studium und Beruf erfolgreich sind, ihr Depot mit ISA Bildungsaktien bereits aufgestockt“, berichtet Wagner.
Sobald die Vision von privater Investition in Bildung greift und die Nachfrage nach Bildungsaktien steigt, ist auch eine Kapitalerhöhung unter Ausgabe neuer Aktien denkbar. Dann könnte aus dem Börsengang der ISA doch noch eine echte Erfolgsgeschichte werden.
Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.