Wie komme ich unter den Schutzschirm?

Bereits in der Vergangenheit gab es Unsicherheit bezüglich Inhalt und Voraussetzungen der Sanierungsbescheinigung für das Schutzschirmverfahren. Mit Veröffentlichung des IDW S 9 sind einige der kontrovers diskutierten Fragestellungen konkretisiert worden. Ob das Schutzschirmverfahren aber die beste Lösung ist, kommt auf die konkrete Unternehmenssituation an.

Einschätzung der Sanierungsfähigkeit

Teil der Sanierungsbescheinigung ist auch eine Einschätzung der Sanierungsfähigkeit. Aus ihr muss hervorgehen, dass „… die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist“. Eine konkrete Definition, wann eine Sanierung offensichtlich aussichtslos ist, liefert der Gesetzestext nicht. Der verwendete Begriff „offensichtlich“ deutet darauf hin, dass der Gutachter keine umfassende Beurteilung zu diesem Punkt vornehmen muss. Dadurch liegen die Anforderungen an eine solche Aussage deutlich niedriger als die im IDW S 6 niedergelegten Anforderungen zur Sanierungsfähigkeit einer Unternehmung. Inhaltlich muss die Aussage durch ein Grobkonzept belegt sein. Dieses soll unter anderem eine Analyse der Krisenursachen, eine Beschreibung des Zukunftsbildes der Unternehmung sowie eine Aufzählung der angestrebten Maßnahmen, inklusive Eintrittswahrscheinlichkeit und finanzielle Wirkung, enthalten.

Kritische Würdigung

Unternehmensvertreter, deren Unternehmen von drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung betroffen sind, erachten ein Schutzschirmverfahren häufig als optimalen Ausweg aus der Krise. Denn dieses scheint erhöhte Freiheitsgrade für die handelnden Akteure und eine erhöhte Akzeptanz durch die Stakeholder zu versprechen.

Die Voraussetzungen zur Beantragung eines Schutzschirmverfahrens sind jedoch hoch. Vor allem die Aussage zur Insolvenzreife setzt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Zahlenwerk der Unternehmung voraus. Darüber hinaus kann der Weg in ein Schutzschirmverfahren zeitaufwendig sein, falls etwa der Gutachter zunächst mit dem Insolvenzgericht abgestimmt werden muss. Auch ist die Erstellung der geforderten Bescheinigung für Gutachter mit nicht zu vernachlässigenden Haftungsrisiken verbunden, die bei der Erstellung unter Zeitdruck entsprechend finanziell zu kompensieren sind. Auch der Vorteil des Schutzschirmverfahrens, das der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen kann, kommt gegebenenfalls nicht zum Tragen, falls Lieferanten aus Risikoaversion auf die Abrechnung per Vorkasse bestehen.

Fazit

Aus diesen Gründen ist auch weiterhin damit zu rechnen, dass das Schutzschirmverfahren den deutlich geringeren Anteil an den Eigenverwaltungsverfahren ausmachen wird. Ein überwiegender Anteil der Unternehmensvertreter wird sich wohl für das zeitschonendere, unkompliziertere und mit weniger Rechtsunsicherheiten behaftete vorläufige Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO entscheiden.


Zu den Personen

Dr. Rainer Doll/Philipp Kretschmar (© WTS Consulting GmbH)
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Dr. Rainer Doll (rainer.doll@wts.de) ist Partner, Christoph Kretschmar (christoph.kretschmar@wts.de) ist Manager bei der WTS Consulting GmbH. WTS berät als multidisziplinär aufgestelltes Beratungsunternehmen Konzerne, mittelständische Unternehmen und Investoren im Rahmen von Restrukturierungs- und Transaktionsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene. www.wts.de

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Dr. Rainer Doll (rainer.doll@wts.de) ist Partner, Christoph Kretschmar (christoph.kretschmar@wts.de) ist Manager bei der WTS Consulting GmbH. WTS berät als multidisziplinär aufgestelltes Beratungsunternehmen Konzerne, mittelständische Unternehmen und Investoren im Rahmen von Restrukturierungs- und Transaktionsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene.

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