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Vier Schritte zum reibungslosen Chef-Wechsel

Es kommt zwangsläufig der Tag, an dem der Chef die Führung abgeben muss – eine Situation mit hohem Konfliktpotenzial. Deshalb braucht es für die erfolgreiche Führungsübergabe einen Fahrplan. 

Er liebt sein Unternehmen, er hat es von seinem Vater in jungen Jahren nach dessen plötzlichem Tod geerbt. Und er hat es groß gemacht – über 40 Jahre. Jetzt aber rät ihm sein Arzt, dringend kürzer zu treten. Und auch er selbst merkt: „Ich muss die Arbeit abgeben – an meine älteste Tochter zum Beispiel.“ An diesen Punkt im Leben kommen alle Geschäftsführer eines Familienunternehmens zwangsläufig. Das ist immer eine Zäsur für alle Beteiligten – und birgt leider auch immenses Konfliktpotenzial. Deshalb der Rat, vor allem das Schöne an diesem Übergang zu betonen. Immerhin garantiert eine erfolgreiche Führungsnachfolge, dass das Lebenswerk weitergeführt wird – und der Junior erbt neben der persönlichen Entfaltungsmöglichkeit auch eine finanzielle Absicherung. Dennoch will der Führungsübergang gut vorbereitet sein, denn es geht um viel Verantwortung – gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Fremdkapitalgebern. Dabei gibt es vier wesentliche Prozesse zu berücksichtigen.

Wer will und wer kann die Führung übernehmen?

Spätestens wenn der amtierende Geschäftsführer feststellt, dass er mittelfristig kürzer treten wird, sollten in einem ersten Prozess einige wesentliche Fragen beantwortet werden: Welche Personen kommen für eine Nachfolge überhaupt in Frage? Dabei gilt es vor allem zu klären: Hat der- oder diejenige überhaupt Interesse an diesem Job? Vor einigen Jahren noch war diese Frage überflüssig. Heute allerdings spielen individuelle Entscheidungen eine größere Rolle.

Findet sich ein Familienmitglied, das die Führung übernehmen will, ist bereits viel erreicht. Dann muss geklärt werden, ob der Junior auch die entsprechenden Kompetenzen mitbringt. Dazu gehören neben der betriebswirtschaftlichen Ausbildung der Machtwille, aber auch Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Konfliktlösungspotenzial. Er muss andere motivieren und strategisch denken können. Und er braucht Bindungsfähigkeit, muss soziale Beziehungen in der Familie initiieren und aufrechterhalten können.Es kommt zwangsläufig der Tag, an dem der Chef die Führung abgeben muss – eine Situation mit hohem Konfliktpotenzial. Deshalb braucht es für die erfolgreiche Führungsübergabe einen Fahrplan. 

Erworben werden diese Kenntnisse etwa durch die theoretische Ausbildung, beispielsweise beim BWL-Studium – anschließend ergänzt durch praktische Erfahrung in anderen bzw. dem eigenen Unternehmen. Dazu gehören Praktika in den verschiedenen Abteilungen während der Ausbildung sowie eine mehrjährige Position im mittleren Management. Damit der Junior später dann sattelfest ist und Führungs- und Ergebnisverantwortung übernehmen kann, hilft die Erarbeitung und kontinuierliche Weiterentwicklung eines Leadership-Development-Plans.

Hilfe von Dritten annehmen

Im zweiten Prozess müssen sich Senior und Junior auf einen Zeitraum des Führungsübergangs einigen. Außerdem muss die Länge der Übergabe festgelegt werden. Wollen beide einen flexiblen Übergang in Stufen? Oder lieber eine vollständige Übergabe zu einem konkreten Zeitpunkt? Das hängt ab vom Alter von Senior und Junior, von den Fähigkeiten und den individuellen Bedürfnissen. Dabei muss Kommunikation stets einen hohen Stellenwert erhalten. Vertrauen ist sehr wichtig, wenn der Übergang konfliktfrei verlaufen soll. Und dieses entsteht, wenn die gegenseitigen Bedürfnisse klar sind. Der Junior will die Macht ergreifen, unabhängig sein, sich durchsetzen und beweisen. Der Senior andererseits sucht Sicherheit und möchte weiterhin informiert bleiben.

Um alle Herausforderungen optimal zu meistern, hilft es außerdem, die Rolle eines Dritten zu definieren, der den Führungswechsel unterstützt. Hierzu eignet sich zum Beispiel ein Nachfolgecoach oder der Beirat des Familienunternehmens. Sie können vor allem helfen, die neuen Pflichten des Juniors zu definieren – aber auch seine Rechte in Form eines Anstellungsvertrages festzulegen. Außerdem kann ein unabhängiger Dritter die gegenseitigen Erwartungen an beide schriftlich festhalten. Etwa dass der Junior zusagt, den Unternehmensfortbestand zu sichern und den Senior finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug kann der Senior noch einmal festhalten, dass er wirklich die Führung abgeben will. Denn der Senior sollte dem Junior das Vertrauen schenken, auf Macht in Form von Kontrolle zumindest ein Stück weit zu verzichten. Dafür ist häufig wichtig, dass der Junior regelmäßig den Senior informiert. Gemeinsame Nachfolge-Jour-Fixe können helfen.Es kommt zwangsläufig der Tag, an dem der Chef die Führung abgeben muss – eine Situation mit hohem Konfliktpotenzial. Deshalb braucht es für die erfolgreiche Führungsübergabe einen Fahrplan. 

Feiern ist wichtig

Der darauf folgende dritte Prozess wird oft unterschätzt – was fatal sein kann. Denn wenn die Führungsübergabe final beschlossen und geplant ist, muss sie prominent kommuniziert werden – über unterschiedlichste Kanäle. Zum einen ist die Einbeziehung der Mitarbeiter ein wesentlicher Schritt hin zur Akzeptanz des neuen Chefs. Vorab müssen allerdings alle Gremien und Beiräte sowie alle Familienmitglieder mit im Boot sein. Damit sich niemand übergangen fühlt.

Dann kann die Neuigkeit über interne und externe Kanäle, wie die Firmenzeitung oder auch eine Pressemitteilung publiziert werden. Manche wählen auch eine Feierlichkeit, um sich zu verabschieden bzw. den Nachfolger bekannt zu geben. Das betont den freudigen Charakter des Übergangs als Zeichen für Kontinuität. Diesem Zweck dienen ebenfalls Symbole der Inthronisierung, wie etwa der Parkplatz Nummer eins oder die Kopfposition am Besprechungstisch.

Erfolgreich loslassen

Der vierte und letzte Prozess ist vor allem dem Senior gewidmet, der sich von einem kurz getakteten Arbeitsleben mit viel Verantwortung, Macht und Geld zurückzieht. Dieser Schnitt bedeutet also eine große Veränderung, deren persönliche Implikationen durchaus beachtet werden müssen. Damit der Senior erfolgreich „loslassen“ kann, hilft es, vorab Pläne für das Leben „nach dem Familienunternehmen“ zu schmieden – und sich die Vorzüge klar zu machen. Dazu gehören vor allem mehr Ruhe, mehr Zeit für sich selbst und für die Familie außerhalb des Unternehmens. Aber auch neue Projekte wie die beratende und finanzielle Unterstützung von Studenten bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen oder aber einfach mehrere Monate Wandern in Nepal.

Natürlich geben diese vier Prozesse keine Garantie, dass es gut geht. Senior und Junior sind immer Menschen mit eigenen –vielleicht konkurrierenden – Persönlichkeiten. Umso wichtiger, dass alle sich an den Führungswechsel-Fahrplan halten und, um es mit einem Sprichwort zu sagen: Die Fische auf den Tisch legen, bevor sie anfangen, unterm Tisch zu stinken.


Zur Person

Dr. Alexander Koeberle-Schmid, Wirtschaftsmediator und Nachfolgecoach, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, berät seit mehreren Jahren Unternehmer und Gesellschafter zu Familienverfassungen, Nachfolgegestaltungen, Beiratskonzeptionen und Governancestrukturen. Er ist Mitherausgeber des Buchs „Führung von Familienunternehmen“. www.kpmg.com

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