Die Kugel und die Nelke

Eine rote Nelke und eine Schachtel Hallorenkugeln: Nicht nur zum Frauentag war das eines der populärsten Geschenke in der DDR. Doch nach der Wende brachen andere Zeiten an.

Zu DDR-Zeiten war die kleine Halloren Kugel hochbegehrt, als sogenannte „Bückware“ wurde sie unter der Hand hinter dem Tresen ausgegeben. Aufgrund der Versorgungsknappheit war Naschwerk rar. Genau wie Rosen, deshalb wurden Hallorenkugeln meist mit roten

Nelken verschenkt. Als die Mauer fiel, konnte sich der ausgezehrte Ostmarkt an Westprodukten sattessen. Milka und Ferrero hielten Einzug und überschwemmten den Markt. Doch was gut für Schleckermäuler war, war Gift für die heimische Industrie. Arbeitsplätze gingen verloren, ganze Branchen brachen in sich zusammen. Auch Halloren stand kurz vor dem Aus. Ein Turnaround musste her. Der gelang schließlich, auch weil viele den unverwechselbaren Geschmack nicht missen wollten. Aus Solidarität kehrte die Bevölkerung relativ schnell zu ihren DDR-Klassikern zurück. Und so hat das Original bis heute überlebt.

Dennoch waren dafür einige Anstrengungen nötig. Bereits 1990 war Halloren beinahe insolvent, es dauerte weitere zwei Jahre, bis ein Käufer gefunden wurde. Paul Morzynski, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus Hannover, übernahm den Betrieb für 200.000 DM von der Treuhand. Gleichzeitig verpflichtete er sich zu weitreichenden Investitionen. Er steckte 25 Mio. DM in den Hauptstandort in Halle und stellte eine der modernsten Schokoladenfabriken Europas auf die Beine. Doch der Erfolg wollte nicht so wirklich kommen.

Klaus Lellé, Vorstandsvorsitzender der Halloren Schokoladenfabrik AGErst als Klaus Lellé ins Unternehmen kam, ging es voran. Der gebürtige Pfälzer hatte die Kraft der Marke Halloren erkannt. Er kannte sich gut aus in den neuen Bundesländern, seit Mitte der 90er Jahre war er Geschäftsführender Gesellschafter der Teigwarenfabrik Riesa – ihrer Zeit die größte der DDR. Als die Gesellschafter von Halloren 1997 an ihn herantraten, musste er nicht lange überlegen: „Aus Halloren konnte man nicht nur, da musste man auch etwas machen“, erzählt der 54-Jährige heute. Er verkaufte seine Anteile an Riesa und stieg als Geschäftsführender Gesellschafter ein. „Ein Traumjob“, ist er bis heute überzeugt.

Lellé besann sich auf Halloren als DDR-Kultmarke und ließ andere historische Produkte aufleben. Auch die Mitarbeiter zogen alle an einem Strang. Da für klassische Werbung schlichtweg kein Geld da war, gab es aufwändige Promotion-Aktionen. Schon kurz nach der Wende hatten sie kurzerhand selbst den Vertrieb übernommen und luden den Kofferraum mit Halloren Kugeln voll. So ging es wieder rund bei Halloren: 1997 lag der Umsatz bei unter 10 Mio. Euro, von da an stieg er um jährlich knapp 20%.

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