Die Kugel und die Nelke

Ungewöhnliche Finanzierungsformen

Heute steht Halloren exzellent da. Mittlerweile sind 180 Produkte im Sortiment, der Umsatz 2012 lag bei guten 90 Mio. EUR, die EBIT-Marge bei 2,8%. Davon blieben 2,07 Mio. EUR als Jahresüberschuss übrig. Für 2013 schätzt Lellé den Umsatz auf knapp 105 Mio. EUR, das Ergebnis vor Steuern auf 3 Mio. EUR. Geholfen haben unter anderem der Börsengang im Jahr 2007 und mehrere Anleihen. Die Kapitalmarktorientierung ist eher ungewöhnlich für ein mittelständisches Unternehmen. Doch für den gelernten Banker Lellé hat sie vor allem einen Vorteil: Unabhängigkeit von den Banken. Davon, dass vor allem große Süßwarenkonzerne wie Kraft oder Nestlé an der Börse notiert sind, ließ er sich nicht abschrecken. Auch Kosten und Aufwand, die für ein kleines Unternehmen beträchtlich sein können, sind es ihm wert. „Auch ein Mittelständler kann eine Kapitalmarktpräsenz nutzen, um von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden“, ist er überzeugt. Er schulte Mitarbeiter, einen Schuldschein ebenso geschickt zu verkaufen wie die zahlreichen Pralinen.

Produktion zu DDR-Zeiten
Produktion zu DDR-Zeiten: Wie die meisten Betriebe hatte Halloren mit Rohstoffknappheit und veralteter Produktionstechnik zu kämpfen.

Die erste Mittelstandsanleihe begab Halloren 2004, als eines der ersten Unternehmen überhaupt. 10 Mio. EUR wurden eingesammelt, vor allem um Produktkonzepte zu erweitern. Von nun an gab es Halloren Kugeln auch zu saisonalen Anlässen wie Ostern oder Weihnachten. Auch die Bekanntheit im Westen sollte vorangetrieben werden. Lellé verpflichtete Prominente wie Uwe Seeler oder Kugelstoßer Udo Beyer als „Schokoladenbotschafter“. Den Emissionserlös des Börsengangs von knapp 16 Mio. EUR steckte er in eine neue Fertigungshalle mit „Gläserner Produktion“. Von nun an konnten Besucher vom firmeneigenen Schokoladenmuseum aus die Herstellung der kleinen Köstlichkeiten beobachten. Für 6,9 Mio. EUR wurden die Produktionsanlagen erweitert. Von 2009 bis 2012 folgten drei weitere Anleihen zwischen 8 und 10 Mio. EUR. „Die Kriegskasse ist nun erstmal gefüllt“, so Lellé.

Von Halle in die Welt

Und die braucht er auch. Bis heute ist das Wachstum bei Halloren überwiegend organisch, doch der Süßwarenmarkt ist hart umkämpft. Es gilt, sich über Nischen und Unverwechselbarkeit eine eigene Position aufzubauen. Zukäufe und Internationalisierungsstrategien spielen eine wichtige Rolle – auch für Halloren. Der erste Zukauf geschah bereits im Jahr 2001. Damals erwarben die Hallenser einen Hersteller von Mozartkugeln aus dem oberbayrischen Bad Reichenhall. Ein Glücksgriff war der Kauf der Delitzscher Schokoladenfabrik im Jahr 2008. Aus der Insolvenz heraus konnte sich Halloren damit einen der weltweit größten Hersteller von Minztäfelchen sichern. Bis heute werden sie als Alternativprodukt zu After Eight vertrieben. Ab 2011 begannen die Zukäufe im europäischen Umfeld. Erst mit Schokoladen Steenland im holländischen Gouda, 2013 dann mit einer 50%-Beteiligung an Bouchard NV, einem belgischen Hersteller von Pralinen und Neapolitains.

Besonders auf belgische und holländische Unternehmen hatte es Lellé abgesehen. Denn deren Handels- und Exportstrukturen sind über Jahrhunderte gewachsen. Dadurch erhofft er sich Symbiosen für Halloren. Bereits heute exportieren die Hallenser in 56 Länder, 30% des Umsatzes werden im Ausland erwirtschaftet. Doch es könnten noch mehr sein. Bei Bouchard sind es 75%, bei Steenland sogar 95%. Der internationale Vertrieb soll bald gebündelt werden.

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