Die Kugel und die Nelke

Wechselvolle Geschichte    

Kreativität mussten die Halloren-Mitarbeiter schon immer beweisen. Allein um die wechselvolle Geschichte zu überstehen. Die Ursprünge der Fabrik gehen zurück auf das Jahr 1804. Deshalb darf sie sich älteste noch produzierende Schokoladefabrik Deutschlands nennen. Damals stellte Friedrich August Miethe in Halle neben allerlei Kuchen und feinem Gebäck auch Schokolade her. Ein halbes Jahrhundert später übernahm Konditormeister Friedrich David. Er setzte verstärkt auf den relativ neuen Markt der Schokolade und die einsetzende industrielle Produktion. 1896 eröffneten seine Söhne einen Fabrikneubau in der Delitzscher Straße. Noch heute werden dort die meisten Halloren Produkte hergestellt. Gleichzeitig ist er Stamm- und Firmensitz. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Firma David Söhne eine der größten Schokoladenfabriken in Deutschland. 1905 ging sie an die Börse.

Doch der Geist der Freiheit sollte bald enden. 1933 zwangen die Nationalsozialisten das Unternehmen zu einer Umbenennung von David Söhne AG in Mignon AG. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der sozialistischen Führung die privatwirtschaftliche Herstellung von Schokolade ein Dorn im Auge. Mignon wurde enteignet und mit einem anderen Süßwarenbetrieb zu einem Kombinat verbunden. Familie David schied komplett aus dem Unternehmen aus. Nach der Wende wurde ihr der Betrieb erneut angeboten, doch die Familie lehnte ab. Der Zug war abgefahren. „Kein Wunder, wenn man so viele leidvolle Erfahrungen mit der DDR gemacht hat“, meint Lellé.

Paradoxerweise fällt in die Zeit der Enteignung die Geburt des wichtigsten Kassenschlagers: der Halloren Kugel. Erdacht von Köpfen der Planwirtschaft, um den neuen sozialistischen Staat mit Pralinenersatz zu versorgen. Entsprechend groß war die Nachfrage. Ende der 50er Jahre rollten täglich 50.000 Halloren Kugeln vom Band. „Es hätten noch viel mehr sein können“, erinnerte sich Einkaufsmitarbeiter Andreas Patzenhauer anlässlich des 60-jährigen Firmenjubiläums 2012. Doch die rigide Tarifpolitik ließ nicht zu, dass ein Anreiz über Löhne geschaffen wurde, die Facharbeiter blieben aus. Zudem war die Produktionstechnik veraltet. Halloren Kugeln waren teilweise nur über gute Kontakte zu bekommen.

Betriebswirtschaftlich hatte dieser Zustand seine Vorteile: Über Kundenbindung und Marketingmaßnahmen mussten sich die Mitarbeiter keine Sorgen machen. Sie wussten: Was Halloren produziert, wird auch verkauft. Entsprechend groß war das Selbstbewusstsein der Stammbelegschaft. Trotz der schwierigen Jahre war dieses Bewusstsein noch bis weit nach der Wende verankert. Dementsprechend schwer war am Anfang Lellés Stand vor den Mitarbeitern.Denn die sollten nun unternehmerisch denken. „Man musste ihnen klarmachen, dass sie sich auch am Kunden und am Markt orientieren müssen und neue Zeiten anbrechen.“ Keine einfache Aufgabe, und das für ihn, einen Wessi. Schwer war auch, seinen Führungsstil zu ändern und autoritär aufzutreten – so, wie es die Mitarbeiter unter der sozialistischen Führung kannten. Doch am Ende ist der Kulturwandel geglückt, auch, weil Lellé von vornherein junge Mitarbeiter von Unis und Fachhochschulen geholt hat. Über die restlichen Gräben half die Verbundenheit mit dem Unternehmen hinweg. Denn die Identifikation der Mitarbeiter mit Halloren war extrem.

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