Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa ist im Jahr 2024 deutlich gestiegen. Laut einer aktuellen Analyse der Creditreform Wirtschaftsforschung erhöhten sich die Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr um 12,2% auf insgesamt 190.449 Fälle. Damit wurde der höchste Stand seit 2013 erreicht. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, erklärte, dass drei Jahre wirtschaftliche Stagnation und Flaute nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa belasten. Der verschärfte Wettbewerb habe zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen geführt. Die Pleiten seien laut Hantzsch keine reinen Nachholeffekte aus der Coronazeit. Seit dem bisherigen Tiefpunkt im Jahr 2021 sei die Zahl der Firmenpleiten in Westeuropa um fast 70% gestiegen. Ein weiterer Anstieg zeichne sich bereits ab. Hantzsch betonte weiter, dass hohe Zinsen, steigende Energiepreise, schwache Nachfrage und geopolitische Unsicherheiten die Stabilität vieler Unternehmen beeinträchtigt hätten. Besonders kleine und mittlere Betriebe seien betroffen gewesen, da sie oft nur über geringe finanzielle Rücklagen verfügten.
Breiter Anstieg in fast allen Ländern
Nach Angaben von Creditreform stiegen die Insolvenzzahlen in 15 der 17 untersuchten westeuropäischen Staaten. Rückgänge wurden nur in Dänemark und Großbritannien verzeichnet. Besonders hohe Zuwächse meldeten Griechenland mit plus 42,5%, Irland mit plus 32,0 % und die Niederlande mit plus 31,7%. Auch die großen Volkswirtschaften verzeichneten deutliche Anstiege: Deutschland plus 22,5%, Frankreich plus 17,4% und Italien plus 8,9%. In fast allen Ländern liegen die aktuellen Fallzahlen inzwischen klar über dem Niveau von 2019, das als Vergleichsgröße vor der Corona-Pandemie dient.
Nachholeffekte und strukturelle Probleme
Hantzsch wies in der heutigen Pressemeldung darauf hin, dass mit dem Ende der pandemiebedingten Sonderregelungen ein erwarteter Nachholeffekt eingetreten sei. Dass die Insolvenzzahlen inzwischen deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegen, sei jedoch auch auf anhaltende Krisen und strukturelle Versäumnisse zurückzuführen. Die Unternehmen hätten kaum Gelegenheit gehabt, sich zu erholen und weiterzuentwickeln. Das Baugewerbe war im Jahr 2024 laut Creditreform am stärksten betroffen. Die Zahl der Insolvenzen stieg dort um 15,4 %. Steigende Baukosten, hohe Finanzierungskosten und eine sinkende Nachfrage erhöhten den wirtschaftlichen Druck auf die Branche. Auch im Dienstleistungssektor nahm die Zahl der Insolvenzen überdurchschnittlich zu. Im Verarbeitenden Gewerbe schwächte sich der Anstieg ab, während der Handel einen Zuwachs von 8,1% verzeichnete.

Besonders stark war der Anstieg in Polen, Lettland, Slowenien, Litauen und Estland. Ein deutlicher Rückgang in Ungarn führte jedoch dazu, dass die Gesamtzahl der Insolvenzen in Osteuropa auf 39.681 Fälle sank. Im Vorjahr waren es noch 64.917. In der Türkei stieg die Zahl der Insolvenzen um 20,9%. Dies war der sechste Anstieg in Folge. Besonders im Handel wurden viele Insolvenzen registriert. Hantzsch ergänzte, dass in Osteuropa oft schwierige wirtschaftliche Bedingungen, Finanzierungsschwierigkeiten, gestiegene Kosten und schwache Kaufkraft zu Insolvenzen führten. Auch in den USA nahmen die Insolvenzen zu. Die Fallzahlen stiegen um 16,6 % auf 30.009. Trotz moderaten Wachstums belasteten hohe Zinsen und sinkende Konsumausgaben die Unternehmen. Die Zahlen blieben jedoch unter dem Vor-Corona-Niveau. 2018 und 2019 wurden in den USA jeweils fast 40.000 Insolvenzen gezählt.





