Übergabe mit Weitblick

Erfolgsstrategien für die nächste Generation

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Die Unternehmensnachfolge wird im deutschen Mittelstand ein immer drängenderes Problem. Die Inhabergeneration zieht sich langsam in den Ruhestand zurück, doch längst nicht immer findet sich im Familienkreis ein Nachfolger. Wie ein familieninterner Generationswechsel gelingt – und welche anderen interessanten Wege Unternehmen beschreiten können.

Als sie gerade einmal 16 Jahre alt war, fällte Marie-Christine Ostermann eine Entscheidung fürs Leben. Sie war ein ganz normaler Teenager, ging zur Schule, traf sich mit Freunden und hatte eigentlich kaum Verbindung zum Unternehmen ihres Vaters. „Trotzdem war es irgendwie immer spannend für mich“, erzählt Ostermann. Was damals ihre genauen Beweggründe waren, kann sie selbst nicht mehr so richtig sagen. Doch an einem Tag im Jahr 1994 ging sie zu ihrem Vater und erklärte ihm: „Papa, ich will ins Unternehmen einsteigen – und ich will die Geschäftsführung übernehmen!“

Heute gehören der Tochter von Carl-Dieter Ostermann 33% der Anteile an der Rullko Großeinkauf GmbH & Co. KG in Hamm, die mit 240 Mitarbeitern zuletzt einen Umsatz von 95 Mio. EUR erzielte. Die Geschäfte führt die 47-Jährige seit 2017 seitens der Inhaberfamilie allein. In den elf Jahren zuvor bildete sie mit Carl-Dieter Ostermann ein Vater-Tochter-Tandem – und das hat sich gelohnt.

Marie-Christine Ostermann

„Nachdem ich meinem Vater gesagt hatte, dass ich irgendwann die Firma übernehmen will, habe ich erst einmal Abitur gemacht, danach eine Banklehre“, erinnert sich die Geschäftsführerin. Es folgten ein BWL-Studium und ein Trainee-Programm bei Aldi, bevor Ostermann tatsächlich einen Minderheitsanteil am Unternehmen bekam und in die Geschäftsführung einstieg. Sie arbeitete in allen Abteilungen mit, selbst im Lager und im Tiefkühlraum.

 

„Nur so konnte ich schrittweise Kontakt zur gesamten Belegschaft aufbauen und Vertrauen herstellen“, erzählt sie. Das Tandem lief gut. „Ich konnte meinen Vater immer alles fragen, und seine Expertise war für mich ungeheuer wichtig“, sagt die heutige Rullko- Chefin.

Innovationen vorangetrieben

Seit sich Carl-Dieter Ostermann 2017 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und das Unternehmen die Coronazeit durchgestanden hatte, hat Tochter Marie-Christine zahlreiche Innovationen auf den Weg gebracht. „Wir haben den veralteten Fuhrpark modernisiert, die Logistik zum Teil umgebaut, ein Firmengebäude klimaneutral aufgestellt und das Unternehmen komplett digitalisiert“, berichtet sie. Das Beispiel Rullko zeigt: Es gibt sie, die gelungenen Unternehmensübergaben im Familienkreis. Auf der Wunschliste der inhaber- und familiengeführten Firmen steht ein Generationenwechsel dieser Art auch nach wie vor an erster Stelle – doch oft werden Wünsche nicht Wirklichkeit.

Hürden einer Unternehmensnachfolge; Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2021–2024

Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich nach und nach in den Ruhestand. Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels finden sich innerhalb der Familie weniger potenzielle Nachfolgekandidaten. Das eiserne Gesetz, dass der älteste Sohn die Firma übernehmen muss, gilt nicht mehr. Und die desolate Situation der deutschen Wirtschaft sowie geopolitische Krisen tragen auch nicht dazu bei, dass die „Next Gen“ gern in die Fußstapfen ihrer Eltern treten möchte; zumal angesichts des Fach- und Führungskräftemangels ein sicherer Job in Festanstellung bei gutem Gehalt und einer vernünftigen Work-Life-Balance durchaus Vorteile verspricht.

Verkauf gewinnt an Bedeutung

Damit gewinnt die Übergabe an externe Käufer an Bedeutung. Wie das KfW-Mittelstandspanel 2024 zeigt, ist der Unternehmensverkauf mit 41% derzeit die zweitbeliebteste Nachfolgelösung. An erster Stelle steht mit rund 50% nach wie vor eine familieninterne Übergabe. Zwischen einem Generationenwechsel innerhalb der Familie und einer Firmenveräußerung zu 100% gibt es allerdings viele Varianten – die auch Chancen bieten.

Die Zahlen, die die aktuelle KfW-Studie anführt, wirken alarmierend: Bis Ende 2028 planen hierzulande 532.000 der insgesamt 3,84 Mio. mittelständischen Unternehmer ihren Rückzug. Jährlich stünden demnach bis inklusive 2028 rund 106.000 Nachfolgen an – doch die Bereitschaft, die Firma weiterzuführen, nimmt ab. Nur 33% der Unternehmer streben derzeit eine Nachfolgeregelung an. Im Vorjahr waren es noch 41%. Und: Rund ein Viertel der mittelständischen Unternehmen zieht die Stilllegung in Betracht.

Dr. Axel Gollnick

Dr. Axel Gollnick, Inhaber der gleichnamigen Corporate-Finance-Beratung aus Kronberg im Taunus, relativiert die Zahlen. „Die KfW zählt sämtliche Unternehmen in Deutschland, deren Jahresumsatz 500 Mio. EUR nicht überschreitet, zum Mittelstand“, sagt er. „89,55% der 3,84 Mio. Unternehmen sind jedoch Kleinstunternehmen mit jährlichen Umsatzerlösen von bis zu 2 Mio. EUR,“ erklärt er. Lediglich 80.000 Unternehmen erzielten Umsätze zwischen 10 Mio. und 50 Mio. EUR, nur 19.000 Unternehmen erlösten einen Jahresumsatz von über 50 Mio. bis zu 500 Mio. EUR.

„Unter der Prämisse, dass die notwendige Nachfolgeregelung in allen Größenklassen gleich repräsentiert ist, stünden in den beiden größten Umsatzkategorien in dem von der KfW betrachteten Zeitraum insgesamt 13.730 Unternehmensnachfolgen und im Durchschnitt 2.746 pro Jahr an“, so Dr. Gollnick. 2.746 statt 106.000 – das ist schon ein deutlicher Unterschied. „Und Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 10 Mio. EUR an aufwärts werden nicht stillgelegt, da findet sich immer eine gute Nachfolgelösung“, sagt er.

Argumente für den Erhalt von Familienunternehmen

Dass die Firmenübergabe innerhalb der Familie an erster Stelle der Wunschliste steht, überrascht nicht. „Familienunternehmertum ist nicht nur die älteste Form des Wirtschaftens, sondern auch die weltweit am weitesten verbreitete und stabilste Variante“, weiß Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen. „Die langfristige Perspektive, der Gleichlauf von Eigentum und Verantwortung, die starke Verbindung zu den Mitarbeitern, die größere Resilienz in Krisenzeiten – all das sind Argumente für den Erhalt des Familienunternehmertums“, erklärt er.

Dass eine Übergabe innerhalb der Familie gelingt, dafür gebe es keine grundsätzlichen Empfehlungen. „Für mittlere und große Unternehmen ist aber auf jeden Fall eine Familienverfassung eine gute Grundlage, um sich auf individuelle Werte und Vorstellungen zu verständigen“, sagt Heidbreder.

Dr. Alexander Koeberle-Schmid

Dies gilt umso mehr, als die nachfolgende Generation heute intensiver reflektiert, ob sie die Unternehmensnachfolge antreten möchte oder nicht. „Früher hat der Patriarch zu seinem ältesten Sohn gesagt: ‚Junge, Du übernimmst die Firma‘ – und er hat es gemacht“, sagt Dr. Alexander Koeberle-Schmid, selbständiger Inhaberstrategieberater und INTES Stiftungsprofessor für Unternehmerfamilien und Familien-unternehmen an der Digital Business University. „Heute fragen sich potenzielle Nachfolger stattdessen, ob es für sie persönlich passt, in die Fußstapfen der Eltern zu treten, ob ihr Können ausreicht, ob es für ihre Geschwister oder den weiteren Familienkreis in Ordnung wäre, und ob sie tatsächlich eine so große Verantwortung übernehmen möchten“, so Dr. Koeberle-Schmid.

Kompetenzen sehen und achten

„Entscheiden sich Sohn, Tochter oder auch ein anderes Familienmitglied dafür, die Nachfolge anzutreten, sollte die abgebende Generation eines beachten“, empfiehlt Koeberle-Schmid. „Die Altinhaber müssen das Potenzial und die Kompetenzen der Nachfolger möglichst objektiv bewerten und entwickeln. Wichtig ist auch, dass der Nachfolger aus dem Familienkreis richtig ins Unternehmen eingeführt und über mehrere Jahre begleitet wird“, so Dr. Koeberle-Schmid. „Die Nachfolger brauchen durchaus eine gewisse Guidance auf ihrem Weg in die Geschäftsführung“, erklärt er.

Was die abgebende Generation und diejenigen, die das Ruder übernehmen, benötigen, ist Rat. „Ich beobachte, dass das Thema Nachfolge heute viel mehr durch externe Berater begleitet wird – und das ist auch richtig“, sagt Dr. Koeberle-Schmid. Die Nachfolge sei eine Zeit, in der es zu Konflikten kommt. Der Grund sei oft fehlerhafte Kommunikation. „Daher ist es gut, neben Steuer- oder Rechtsexperten, die in sachlichen Fragen Rat geben, auch Nachfolge- oder Inhaberstrategieberater einzubeziehen“, so der Experte, der selbst sogar eine entsprechende Fortbildung anbietet.

Tatsächlich lassen sich Unternehmer und ihre Nachfolger wieder öfter bei Übergabeprozessen begleiten. So zeigt der Report zur Unternehmensnachfolge 2024 des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dass im Jahr 2023 insgesamt 2.760 Nachfolgeinteressierte bei ihrer zuständigen IHK eine Beratung wahrgenommen haben. Im Jahr zuvor waren es noch 2.017.

Nicht immer von Erfolg gekrönt

Andre Waßmann

Doch trotz aller Bemühungen ist nicht jede familieninterne Firmennachfolge erfolgreich. „Eine interne Unternehmensnachfolge muss aber ja nicht unbedingt bedeuten, dass ein Familienmitglied die Firma weiterführt“, gibt Andre Waßmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Helbling Business Advisors aus Düsseldorf, zu bedenken. „Durchaus möglich ist es zum Beispiel auch, Anteile an einen oder mehrere Mitarbeiter zu verkaufen, die dem Unternehmen schon lange verbunden sind“, sagt er. Auch könne die Unternehmerfamilie Eigentümer bleiben, während die operative Leitung der Firma einem externen Geschäftsführer übergeben wird.

Beim Pumpenhersteller Dickow hat es mit der Bestellung von Geschäftsführern aus den eigenen Reihen gerade geklappt. In seiner über 100-jährigen Geschichte berief das 1910 gegründete Unternehmen, das seinen Sitz heute im bayerischen Waldkraiburg hat, 2017 zum ersten Mal einen familienfremden Lenker an seine Spitze. Die Dickow Pumpen GmbH & Co. KG, die zuletzt einen Jahresumsatz von über 30 Mio. EUR erwirtschaftete und rund 200 Mitarbeiter beschäftigt, betraute Jörg Bornemann mit der Firmenleitung, als sich die geschäftsführende Gesellschafterin Michaela Dickow zurückzog. Nach dem Tod ihrer Mutter 2020 wurde die Firma in die Astrid Dickow-Stiftung eingebracht. Das sicherte den Fortbestand des Unternehmens auf lange Zeit. Operativ brachte Bornemann Dickow mit umfangreichen Modernisierungen und Umbaumaßnahmen auf einen zeitgemäßen Stand.

2024 verabschiedete er sich in den Ruhestand. Nun leiten Alexander Hammer und Dr. Wolfgang Schmitz das Unternehmen. Hammer ist der Dickow Pumpen GmbH & Co. KG bereits seit dem Beginn seiner Ausbildung 1995 treu. Seit 2021 war er Prokurist. Sein Kollege Dr. Wolfgang Schmitz bringt als Ingenieur und promovierter Maschinenbauer über 30 Jahre Berufserfahrung mit. Bereits 2022 wurde Schmitz Mitglied des Beirats der Astrid Dickow-Stiftung.

Karl Ronkholz

Bei der Lumino Licht Elektronik GmbH aus Krefeld hat eine Kombination aus Owner’s Buy-out, Management Buy-out (MBO) und Management Buy-in (MBI) den Fortbestand des Unternehmens gesichert. Lumino entwickelt und produziert dynamische Fahrgastinformationssysteme für den öffentlichen Nahverkehr. 2024 musste die Eigentümer- und Managementstruktur neu aufgestellt werden, da sich die bisherigen Geschäftsführer zurückziehen wollten. Firmengründer Karl Ronkholz plante zudem, sich von der Rolle des Mehrheitsgesellschafters zu verabschieden. In dieser Funktion hatte er das Unternehmen seit 2009 strategisch beraten. „Es war mir wichtig, die Führung in kompetente Hände zu übergeben. Dabei sollte der Charakter eines Familienunternehmens erhalten bleiben“, sagt Ronkholz. Da die regionale Beteiligungsgesellschaft S-UBG AG aus Aachen bereits die erste Unternehmensnachfolge, bei der sich Ronkholz als Geschäftsführer zurückzog, erfolgreich betreut hatte, wurde sie nun erneut tätig.

Über das Netzwerk der S-UBG AG wurde ein externer Käufer gefunden: Mathias Schröder, der als CEO die kaufmännische und strategische Leitung übernahm und die Mehrheit der Unternehmensanteile erwarb. Uwe Weimann war bereits als technischer Leiter bei Lumino tätig. 2024 stieg er als Minderheitsgesellschafter ein. Auch Ronkholz bleibt als Minderheitsgesellschafter investiert. „Dank der Unterstützung der S-UBG haben wir eine Lösung gefunden, die den Grundstein für den zukünftigen Erfolg von Lumino legt“, zeigt sich Ronkholz zufrieden. Als Ziel hat sich die neue Geschäftsführung den Ausbau des Softwareportfolios gesetzt. Darüber hinaus ist die Expansion in neue geografische Märkte geplant.

Private Equity als spannende Option

Das Beispiel Lumino zeigt nicht nur, dass MBO und MBI durchaus gute Varianten sein können, um eine Unternehmensnachfolge positiv zu gestalten: Es beweist auch, dass Private Equity dabei eine wichtige Rolle spielen kann. „Tatsächlich ist Private Equity eine sehr spannende Option für Familienunternehmen“, sagt Andre Waßmann. Das alte „Heuschrecken-Image“ hafte den Gebern von privatem Eigenkapital heute viel weniger an als vor einigen Jahren. Zudem ließen diese Gesellschafter den Unternehmen, an denen sie sich beteiligen, großen Freiraum in der operativen Führung.

„In Deutschland haben wir sehr mittelständisch geprägte Finanzinvestoren, denen die Unternehmen, in die sie investieren, am Herzen liegen“, erklärt Waßmann. „Da sie deren Markt aber nicht so gut kennen wie etwa ein strategischer Investor, überlassen sie der Geschäftsführung viel Verantwortung“, so der Experte. Zudem brächten sie in relativ kurzer Zeit oft hervorragende Strukturen, Ideen und Netzwerke zu anderen Geschäftspartnern mit. „Das bedeutet wirklich frischen Wind.“

Darüber hinaus verfolgen viele Private-Equity-Fonds eine Buy-and-Build-Strategie, kaufen also immer weitere Unternehmen, mit denen gute Synergien geschaffen werden können. „Und sie überlassen stets einen signifikanten Anteil als Reinvestment strukturiert den Eigentümern“, weiß Waßmann. „Das heißt, die Interessen sind komplett gleichgeschaltet, alle sitzen im Unternehmerboot und rudern in die gleiche Richtung“, konstatiert er.

Andi Klein

Ähnlich sieht es auch Andi Klein, Managing Partner beim Private-Equity-Haus Triton in Frankfurt. „Bei einem Verkauf an einen Strategen geht häufig die Identität des Unternehmens ein Stück weit verloren, und durch Synergieeffekte kommt es zu Kostenmaßnahmen“, sagt er. Für Private Equity spreche, dass ein großer Fokus auf Wachstum gelegt wird. „Daher wird ein Unternehmen zügig und zielgerichtet mit dem notwendigen Kapital, aber auch mit der entsprechenden Sektorexpertise ausgestattet, um es nachhaltig für die Zukunft aufzustellen“, erklärt er. Das Augenmerk liege nun einmal auf der Weiterentwicklung der bestehenden Firma.

Genau darauf kam es auch Dr. Alexander Schaeff, geschäftsführender Gesellschafter und Vorstandsvorsitzender der Schaeff Group Holding AG mit Sitz in Schwäbisch Hall, an. In den 1990er-Jahren hatte er die Leitung des familieneigenen Baumaschinenunternehmens übernommen, das er 2001 an die US-amerikanische Terex-Gruppe verkaufte. Seither hat Schaeff eine Gruppe von Hochtechnologieunternehmen aufgebaut. Immer wieder beteiligt sich seine Holding als strategischer Investor auch an Firmen in schwierigen Situationen.

Das größte Unternehmen seiner Group, die Afag-Gruppe, einen Spezialisten für Automation und Robotik, hat Dr. Schaeff 2023 an das US-amerikanische Unternehmen Emerson Electric verkauft – denn es galt, die Nachfolge der Schaeff Group in der Familie zu sichern. „Ich wollte nicht der Erste in der langen Reihe meiner Vorfahren sein, der unternehmerisch tätig ist und keinen Nachfolger findet“, sagt
Dr. Schaeff.

Geschäftsmodell für die Zukunft entwickelt

Dr. Alexander Schaeff

„Meine Tochter Leonie und ich haben vor etwa zwei Jahren begonnen, ein Geschäftsmodell für die Zukunft zu entwickeln“, berichtet Dr. Schaeff. „Enkelfähig“ sollte es sein; ein Private-Equity-Investor kam daher nicht infrage. Worum es bei den Plänen geht, wollen Dr. Alexander und Leonie Schaeff noch nicht verraten. Der Erlös aus dem Verkauf der Afag-Gruppe wird auf jeden Fall überwiegend in die neuen Aktivitäten investiert. „Der Vorteil der gewählten Variante ist auf der einen Seite die schnelle Verfügbarkeit von liquiden Mitteln; auf der anderen Seite ist es gut, den Kopf für das künftige Geschäftsmodell frei zu haben“, sagt Dr. Schaeff.

Tochter Leonie ist bereits seit Mitte 2024 Mitglied des Vorstands der Schaeff Group Holding AG. „Das momentan in Evaluation befindliche Geschäftsmodell ist vielversprechend, sodass ich mir durchaus eine Zukunft als Nachfolgerin vorstellen kann“, sagt sie. Dr.
Alexander Schaeff würde sich wünschen, dass sie eines Tages den Vorstandsvorsitz übernimmt – und Leonie ist nicht abgeneigt.

Die Schaeff Group Holding AG hatte das Glück, nach einem strategischen Investor gar nicht suchen zu müssen, denn Emerson war schon zwei Jahre vor dem Verkauf auf das Unternehmen in Schwäbisch Hall zugekommen. Aus den Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit entwickelten sich zuerst Pläne für einen Teilverkauf, dann für eine Beteiligung, bis schließlich die Gesamtveräußerung der Afag-Gruppe beschlossen wurde.

Dieses Glück hat nicht jedes Unternehmen, das nach einem strategischen Investor sucht, um die externe Firmennachfolge zu regeln. Dem KfW-Mittelstandspanel 2024 zufolge sieht ein Viertel der befragten Unternehmer den Mangel an geeigneten Kandidaten als größte Schwierigkeit. Nachfolgebörsen, allen voran die größte, die „nexxt-change“, können helfen. Doch oft scheitert eine Kontaktanbahnung an mangelnder Bekanntheit. Ein Unternehmensverkauf an einen Strategen sollte daher rechtzeitig vorbereitet werden, denn die Suche kann dauern.

Familienunternehmen als Käufer

Zuweilen liegt die Lösung jedoch auch ganz nah. Gerade wenn sich um ein größeres Familienunternehmen zahlreiche Zulieferer angesiedelt haben, besteht teils die Chance, dass die familiengeführte Firma diese übernimmt. Die Karl Storz SE & Co. KG mit Sitz in Tuttlingen ist in dieser Hinsicht schon mehr als einmal aktiv geworden. Das Medizin-technikunternehmen, das mit 9.800 Mitarbeitern weltweit 2023 einen Umsatz von 2,17 Mrd. EUR erzielt hat, verfügt deswegen sogar über eine eigene Abteilung für Mergers & Acquisitions (M&A).

Marc Jacob

„Seit der Gründung im Jahr 1945 ist Karl Storz sehr lokal gewachsen“, sagt M&A-Manager Marc Jacob. „Hier im Schwarzwald in unserer Nähe haben sich daher mit den Jahrzehnten sehr viele Zulieferbetriebe angesiedelt“, berichtet er. Dabei handelt es sich zum Teil um kleine Firmen mit Umsätzen von etwa 1 Mio. EUR, zum Teil sind es aber auch größere Unternehmen, die Jahresumsätze von rund 15 Mio. EUR erwirtschaften. „Wenn ein Zulieferer keinen Nachfolger findet und deshalb erwägt, sein Unternehmen zu schließen, übernehmen wir es häufig“, berichtet Jacob. Schließlich möchte die Karl Storz SE & Co. KG sich ihre Lieferanten erhalten. Für die übernommenen Firmen ist es eine gute Variante, als Teil eines großen Familienunternehmens fortzubestehen.

Für größere Mittelständler bietet sich nicht zuletzt auch ein ganz anderer Weg, wenn sich partout kein geeigneter Nachfolger findet: der Gang an den Kapitalmarkt. „Allerdings ist Deutschland kein Land der Börsengänge“, gibt Corporate-Finance-Experte Dr. Gollnick zu bedenken. Nicht umsonst sind viele erfolgreiche mittelständische Unternehmen „Hidden Champions“. „Sie meiden die große Öffentlichkeit, und ohne ein funktionsfähiges Management funktioniert ein IPO ohnehin nicht“, erklärt er. Aber: Zumindest für große Mittelständler könnte diese Variante infrage kommen, um eine Nachfolge zu regeln.

Für Marie-Christine Ostermann war das Vater-Tochter-Tandem die beste Lösung. „Ich denke, man kann dieses Modell nicht pauschal jedem Unternehmen empfehlen – es kommt schließlich immer ganz auf die persönlichen Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern an“, sagt Ostermann. Aber sie würde es jederzeit wieder so machen.

FAZIT

Die Unternehmensnachfolge entwickelt sich für den deutschen Mittelstand zunehmend zu einem Problem. Die Generation der Babyboomer tritt nach und nach in den Ruhestand, doch in der „Next Gen“ nimmt das Interesse an Firmenübernahmen ab. Dennoch steht die familieninterne Nachfolge bei mittelständischen Unternehmen nach wie vor an erster Stelle. Heutzutage muss diese nicht mehr automatisch der älteste Sohn antreten – auch andere Familienmitglieder kommen infrage. Um sie zu halten, sollten die Altinhaber ihr Potenzial und ihre Kompetenzen achten. Die zweitbeliebteste Variante der Firmennachfolge ist aktuell der Verkauf. Doch zwischen einem Generationenübergang in der Familie und einer Veräußerung gibt es einige Möglichkeiten, die Chancen bieten. So können etwa externe Geschäftsführer eingesetzt werden; auch kann sich ein Management-Buy-in oder ein Management-Buy-out anbieten. Wer verkaufen möchte oder muss, kann abwägen, ob ein strategischer Investor oder ein Private-Equity-Partner besser passt. Beide Optionen bieten ihre Vorzüge und können Know-how, finanzielle Stärke und Wachstumsimpulse liefern. Nicht zuletzt bietet sich zumindest für größerer Unternehmen ein Börsengang an.

👉 Diese Fallstudie ist auch in der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.


Eckdaten zum Fortbestand mittelständischer Unternehmensstrukturen:

Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2017–2024.

Altersstruktur der Inhaberinnen und Inhaber mittelständischer Unternehmen:

Anmerkungen: Ausschließlich im Befragungsjahr neu in den Datensatz aufgenommene Unternehmen werden berücksichtigt. Regelmäßige Befragungsteilnehmer werden aufgrund eines per Definition zunehmenden Inhaberalters ausgeklammert. Für die Jahre 2004 und 2018 liegen keine Daten vor.
Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2003–2024.

Angestrebte Nachfolgevarianten mittelständischer Unternehmen:

Anmerkung: Auswertungen für die Kategorie „Mitarbeiter“ beziehen nur KMU mit Mitarbeitern ein. Auswertungen für die Kategorie „Miteigentümer“ beziehen nur KMU mit mehreren Eigentümern ein. Ohne Unternehmen, die aktuell eine Stilllegung nur in Betracht ziehen.
Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2017–2024.
Autorenprofil

Andrea Martens ist Finanzjournalistin und schreibt hin und wieder Artikel für die Unternehmeredition.

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