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Schwellenländer treiben das globale Wachstum

Jedes Industrie- und jedes Schwellenland setzt sich das Ziel, in Technologie und Forschung zur Weltspitze zu gehören oder dorthin aufzusteigen. Der globale Wettbewerb wächst. Wir müssen mithalten, wenn wir die Zukunftsmärkte nicht anderen überlassen wollen.

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft wird seit Langem maßgeblich von den Erfolgen der deutschen Industrie, insbesondere des Maschinen- und Anlagenbaus, auf den globalen Märkten getragen. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb weltweit zu. Unabhängig von den Strukturanpassungen in Europa, die zu Wachstumseinbußen führten, wird das weltwirtschaftliche Wachstum auf absehbare Zeit robust bleiben. Treiber sind die wachsende Bevölkerung und der in vielen Bereichen gegebene Nachholbedarf. Damit wird insbesondere auch die Nachfrage nach Industriegütern weiter beständig zunehmen – sowohl im Lowtech- als auch im Hightech-Bereich. Es werden sich Konkurrenten aus Schwellenländern, vor allem aus China mit einem großen Heimatmarkt, als große Anbieter etablieren.

Internationalisierung weiter vorantreiben

Neue Wachstumsmärkte außerhalb Europas erfordern eine Anpassung der Internationalisierungsstrategie, denn diese Märkte lassen sich auf Dauer nicht allein über den Export bedienen. In Zukunft wird es immer wichtiger für die deutschen Maschinenbauer, in großen Absatzmärkten noch stärker mit Produktion und auch der Forschung vor Ort präsent zu sein, also nicht mehr nur mit Vertrieb und Service. Das ist für unsere Industrie, für den so charakteristischen Mittelstand, oft leichter gesagt als getan. Je kleiner ein Unternehmen, desto größer die Herausforderung. Vermutlich werden wir nicht ohne Kooperationen oder Zusammenschlüsse im Mittelstand auskommen, weil es nur größeren Mittelständlern oder Verbünden möglich sein wird, gegenüber den neuen großen Wettbewerbern aus den Schwellenländern konkurrenzfähig zu bleiben. Vorhandene Netzwerke ausbauen, sich in neuen Netzwerken zusammenschließen – das ist der Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Um neue Absatzmärkte in der Breite bedienen zu können, muss auch die Angebotspalette um Produkte mit angepasster Technologie erweitert werden. Mehr Lowtech als Hightech ist gefragt. Spezialisierung ist eine weitere Option. Auch damit lässt sich ein fester Platz auf den Weltmärkten sichern. Allerdings gilt auch hier: Nischen müssen nicht dauerhaft Nischen bleiben. Generell gilt: Hohe Qualität, führende Technologie – aber auch der Preis muss stimmen. Das heißt: Die Unternehmen dürfen in der Prozessoptimierung, der Kosteneffizienz und der Modernisierung ihrer Produktionskapazitäten nicht nachlassen.

Staatliche Wirtschaftspolitik muss gute Rahmenbedingungen sichern

Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die Innovationskraft oder die Finanzkraft der Unternehmen sind aber stark von den politischen Rahmenbedingungen hierzulande abhängig. Hier liegt es in der Hand der politisch Verantwortlichen in Deutschland, inwieweit bisherige Stärken auch in Zukunft Bestand haben. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Politik die Aktions- und Reaktionsräume der deutschen Industrie explizit für den Mittelstand durch ihre Arbeitsmarkt-, Steuer- oder Energiepolitik nicht noch weiter einengt.Aufgaben für die neue Bundesregierung sind aber auch die Sicherung und der Ausbau des Freihandels sowie der Abbau von Handelshemmnissen. Die WTO als Garant für freien Welthandel muss gestärkt werden. Solange keine WTO-Einigung möglich ist, unterstützen wir deshalb die Bestrebungen für umfassende Freihandelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern wie beispielsweise den USA.

Erfolgsgarant: Gut ausgebildete Mitarbeiter – weltweit

Der Erfolg auf den Weltmärkten ist kein Selbstläufer. Er muss regelmäßig hart erkämpft werden. Die Auslandsaktivitäten sind nur dann von Erfolg gekrönt, wenn sie eingebunden sind in ein verlässliches, gut ausgebautes Netzwerk. Netzwerk und Standort sind viel genutzte Schlagworte. Deshalb möchte ich sie reduzieren auf das, was in letzter Konsequenz hinter unseren Netzwerken und hinter unseren Standorten steckt: Es sind die Menschen – gut ausgebildete, erfahrene, exzellent zusammenarbeitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb bedeutet für einen mittelständischen Unternehmer, wie ich ihn verkörpere, das Wort Standorttreue weit mehr als das Festhalten an Gebäuden, Maschinen und industrieller Infrastruktur. Wir sehen uns als Teil einer Gemeinde, einer Stadt, einer Region, und das häufig schon seit Generationen. Vor allem unsere Mitarbeiter liegen uns am Herzen. Nicht nur als Arbeitnehmer, sondern eben auch als Mitbürger, Nachbarn, Freunde.

Diese Verantwortung leben wir nicht nur am Heimatstandort. Denn gut ausgebildete Mitarbeiter fehlen uns in vielen Ländern der Erde. Einmal uns selbst, aber auch unseren Kunden für den Einsatz der von uns gelieferten, in Betrieb und Wartung im Regelfall anspruchsvollen Maschinen und Anlagen. Viele unserer ausländischen Kunden erwarten, dass wir uns als Maschinen- und Anlagenbauer vor Ort im Feld Bildung und Ausbildung engagieren. Denn ein Hauptengpass bei der Etablierung tragfähiger Strukturen im Ausland ist das Finden und Binden von qualifiziertem Personal. Hier könnte auch der Export des deutschen dualen Ausbildungssystems hilfreich sein.

Fazit: Perspektiven für die Zukunft schafft man in der Gegenwart

Wir wollen an diesem Standort Deutschland bleiben. Aber wir sehen, dass sich die Wettbewerbssituation mit hohem Tempo verändert. Und ich habe den Eindruck, dass Politiker in Deutschland dies nur begrenzt wahrnehmen. Sonst könnte man nicht an einem so erfolgreichen System wie dem Arbeitsmarkt so massive Einschnitte planen, vor allem im Bereich der Flexibilität. Ich sage ganz offen: Der Kampf gegen Ungleichheiten klingt schön, aber man muss aufpassen, dass man die flexiblen Standortvorteile nicht auf dem politischen Altar der idealisierten Wunschvorstellungen opfert. Eigentlich haben wir doch weltweit alle das gleiche Ziel: Wir wollen Wohlstand und stabile Gesellschaften für die Menschen auf dieser Erde. Wenn aber das Ziel gleich ist, dann muss man doch auch einen gemeinsamen Weg finden können. Gerade der deutsche Mittelstand könnte die Kultur des Wirtschaftens und der Selbstständigkeit vermitteln und entscheidende Impulse für die Zukunft geben.


Zur Person
Reinhold Festge wurde 1945 in Oelde geboren. Nach Abschluss des Medizinstudiums studierte er Betriebswirtschaft und arbeitete anschließend als Geschäftsführer für Haver + Beumer Latinoamericana in Brasilien. Von 1985 bis 1987 war er Geschäftsführer von Haver Filling Systems in den USA. Seit 1987 ist er persönlich haftender Geschäftsführender Gesellschafter von Haver & Boecker in Oelde. Seit 18. Oktober ist er Präsident des VDMA.

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